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Streit um Nachtangelverbot auf dem Prüfstand

Hans-Hermann Schock
Hans-Hermann Schock, Vorsitzender des Württembergischen Angler Vereins. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild
Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das Anglern verbietet, nachts ihrem Hobby nachzugehen. Betroffene sehen darin eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und ziehen in Stuttgart vor den Kadi.
Berlin.

Stuttgart (dpa) - Das Nachtangelverbot in Baden-Württemberg hat kuriose Folgen. Am Rhein müssen die Angler aus dem Südwesten ihre Ruten einpacken, wenn ihre rheinland-pfälzischen Kollegen am gegenüberliegenden Ufer ihr Gerät für nächtliches Fischen auspacken. «Es sind derselbe Fluss und dieselben Fische, und doch gelten völlig unterschiedliche Vorgaben», sagt Olaf Lindner vom Deutschen Angelfischerverband (DAFV).

Der Grund: In Baden-Württemberg herrscht das einzige Nachtangelverbot Deutschlands. Die letzten Bundesländer mit ähnlichen Reglungen - das Saarland und Bayern - haben diese längst aufgehoben.

Nach der Landesfischereiverordnung dürfen Angler bis eine Stunde nach Sonnenuntergang und ab einer Stunde vor Sonnenaufgang fischen. Nur das Fischen auf Wels, Flusskrebs und Aal ist bis Mitternacht beziehungsweise bis 1.00 Uhr nachts während der Sommermonate möglich. Welse und Aale sind nachtaktive Tiere.

Die Tierrechtsorganisation Peta schätzt die Regelung als bundesweite Besonderheit mit Vorbildcharakter und stellt fest: «Auch Fische brauchen Ruhepausen.» Die Umweltorganisation Nabu findet das Nachtangelverbot ebenfalls richtig, denn gerade an den Ufern von Flüssen und Seen sei die Natur besonders sensibel. «Wo, wenn nicht hier, sollen Vögel sonst noch zur Ruhe kommen?»

Ganz anders sieht das Hans-Hermann Schock, der seit Jahren gegen die aus seiner Sicht unsinnige Verordnung kämpft. Der Chef des Anglervereins Württemberg zeigt sich optimistisch, dass er mit seiner Feststellungsklage in dem am Dienstag begonnenen Verfahren vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht Erfolg hat. «Ich möchte erreichen, dass das Gericht die Verordnung als für mich nicht anwendbar und insgesamt nicht rechtens erklärt.»

Er und die anderen fünf Kläger empfinden die Regelung als Schikane sowie Eingriff in Grund- und Eigentumsrechte. Sie prophezeien, bei einem Erfolg werde so viel Druck aufgebaut, dass die Politik nicht anders könne als die Verordnung aufzuheben. Dann könnten rund 150 000 Menschen im Südwesten mit einem Fischereischein an Seen und Flüssen zwischen Main und Bodensee übernachten. Für dieses Vergnügen müssen sie bislang in ein anderes Bundesland ausweichen. Schock fühlt sich ungerecht behandelt: «Schwimmen, baden, rudern, Radau machen oder Hunde baden ist rund um die Uhr möglich, aber wir sollen die Störenfriede sein?».

Das Stuttgarter Ministerium für Ländlichen Raum kontert: Gegen solche nächtlichen Aktivitäten in und an Gewässern könnten die Behörden vorgehen. Das täten sie aber nicht. Dies zeige, dass solche Nutzung bisher nicht in einem schädlichen Umfang vorkomme. «Demgegenüber war die Nachfrage nach einem uneingeschränkten Fischen zur Nachtzeit unter den Anglern von je her so groß, dass es hier stets klarer Regeln bedurft hat», heißt es in einer Stellungnahme des Ressorts von Peter Hauk (CDU).

Dessen Vertreterinnen beantragten, die Klage abzuweisen. Es bestehe keine Rechtsverhältnis zwischen Klägern und dem beklagten Land. Vielmehr sollten die Angler durch einen absichtlichen Verstoß gegen die Regelung und die darauf folgende Ahndung als Ordnungswidrigkeit ihr Anliegen voranbringen.

«Unzumutbar», hieß es dazu von den Anglern. Man gehe damit das Risiko ein, dass man seinen Fischereischein und sein Gerät abgenommen bekomme. Die Vorsitzende Richterin Julia Heidenreich machte deutlich, dass auch sie diese Alternative nicht als zielführend betrachte. Sie verwies auf die Möglichkeiten des Naturschutz- und Wasserschutzrechts hin, mit denen Dinge differenziert geregelt werden können. Damit wäre dann das pauschale Verbot obsolet.

Dieses trägt aber laut Ministerium dem Bedürfnis der Fische und anderer Tiere wie am Ufer lebender Vögel nach ungestörter Nachtruhe Rechnung. Auch der Bestand der Fische werde dadurch geschont. Anders als das Landwirtschaftsministerium, das eine Störung der Natur befürchtet, sieht der DAFV die Angler auch als Naturschützer und «Aufsicht»: Sie meldeten den Behörden Müll oder schlechten Gewässer-Zustand.

Der Tenor der 5. Kammer wird an diesem Mittwoch veröffentlicht. Wenn Kläger Schock Erfolg hat, wird er das mit einem 24-Stunden-Angeln an einem Stuttgarter See feiern. «Da möchte ich einen möglichst über einen Meter langen Wels fangen und ihn in großer Runde verspeisen.»

© dpa-infocom, dpa:210712-99-356297/8

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