Oberstdorf. Die Fellhornbahn in Oberstdorf im Allgäu will einen in die Jahre gekommenen Sessellift in ihrem Skigebiet auf gleicher Trasse erneuern. Das treibt Naturschützer auf die Barrikaden. Denn das Vorhaben ist, wie das bayerische Bauministerium bestätigt, das erste seiner Art, das ohne Umweltverträglichkeitsprüfung umgesetzt werden dürfte.
Hintergrund ist das im Sommer in Kraft getretene dritte bayerische Modernisierungsgesetz. Damit will die Staatsregierung von CSU und Freien Wählern die Entbürokratisierung in Bayern voranbringen. Seit das Gesetz in Kraft ist, gelten andere Vorgaben, ab denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung bei Beschneiungsanlagen, Skipisten und Seilbahnen Pflicht ist.
Zwar weist das Bauministerium darauf hin, dass auch nach der Gesetzesänderung die Natur- und Umweltschutzgesichtspunkte grundsätzlich Bestandteil des Bau- und Betriebsgenehmigungsverfahrens blieben. Für den Fall am Fellhorn bedeutet die Neuerung aber konkret: Weil die neue geplante Sechser-Sesselbahn nur 1.430 Meter lang werden soll und damit nicht länger als 1.500 Meter ist, braucht es keine Umweltverträglichkeitsprüfungen mehr.
«Sündenfall in der Bergwelt»
Für Oppositionsparteien und Naturschutzverbände ist das eine Katastrophe. Sie eint die Sorge, in Naturschutzfragen künftig nicht mehr ausreichend eingebunden zu sein. Die bayerische ÖDP spricht in einer Mitteilung vom ersten «Sündenfall in der Bergwelt», Bayerns Grüne in einer Stellungnahme von der «Beton-CSU». Auch der Deutsche Alpenverein (DAV) kritisiert die Seilbahnerneuerung.
Der Bund Naturschutz (BN) sieht sich nach eigenen Angaben in seiner Sorge bestätigt. Am Fellhorn sei erstmalig nach Inkrafttreten des Modernisierungsgesetzes genau das eingetreten, was befürchtet worden sei, erklärt der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe.
Weiter kritisieren der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV), dass sich die Sesselbahn in Teilen in einem Naturschutzgebiet, einem FFH-Gebiet und einem europäischen Vogelschutzgebiet befinde - und statt wie bisher zwei künftig sechs Menschen auf einmal transportieren solle. Die Zahl der Wintersportler, die mit der neuen Bahn fahren könnten, verdreifache sich.

«Emotionale Reaktionen»
Johannes Krieg, Geschäftsführer der Fellhornbahn GmbH, spricht von «emotionalen Reaktionen». Zwar könne die neue Bahn statt bisher 1.200 Menschen pro Stunde 2.900 Menschen bergauf befördern. «Dafür bauen wir aber zeitgleich eine benachbarte Bahn ersatzlos ab. Derzeit können wir 3.600 Personen pro Stunde in diesem Gebiet transportieren. In Kombination mit einem kurzen Seillift werden es nach dem Neubau ebenso viele sein», sagt Krieg.
Seit Beginn der konkreten Bauplanung 2023 sei er in Kontakt mit den Orts- und Kreisgruppen der Umweltverbände gewesen, diesen Kontakt will er auch weiter halten. «Während der kompletten Planungszeit waren die Umweltverträglichkeitsprüfungen noch obligatorisch», sagt Krieg. Er respektiere den Umweltschutz und sehe langfristig keine negativen Auswirkungen auf den Scheidtobel, den Ort des Geschehens.
26 Fachstellen prüfen Genehmigung
Das Landratsamt Oberallgäu als Genehmigungsbehörde teilt mit, dass der Antrag der Bergbahn von 26 Fachstellen geprüft werde - auch auf Aspekte des Natur- und Umweltschutzes hin. Hinsichtlich der fachlichen Prüfung ändere die Gesetzesänderung nichts. Sie erfolge weiterhin genauso akribisch wie zuvor, das Landratsamt mit.
Die Sorge der Naturschutzverbände, künftig ausgeschlossen zu werden, hält die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) für unbegründet. Die Verbände hätten nach wie vor das Recht auf Einsicht in die Unterlagen und könnten sich bei relevanten Sitzungen und Gremien informieren. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass die Behörde bislang aktiv informiert habe, sagte Baier-Müller. «Künftig liegt die Informationsbeschaffung stärker in der Eigenverantwortung.»
Landrätin sieht «ideologisch motivierte Fundamentalkritik»
Die von ihren Parteifreunden auf Landesebene mitgetragene Einschränkung bei der Umweltverträglichkeitsprüfung hält Baier-Müller für gerechtfertigt: «Zu häufig haben die Verbände ihr Beteiligungsrecht nicht als Instrument sachlicher Expertise genutzt, sondern für ideologisch motivierte Fundamentalkritik missbraucht – und damit den eigentlichen Zweck der Regelung verfehlt.»
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