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Unbezahlte Sommerferien für Junglehrer: Kritik an Schopper

Theresa Schopper (Grüne)
Theresa Schopper (Bündnis 90 / Die Grünen) spricht. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild
Ausbildung fertig, dann erstmal sechs Wochen arbeitslos. Für junge Lehrkräfte ist das ein Ärgernis - schon lange. Doch auch die neue grüne Kultusministerin will daran nichts ändern. Bei Aushilfslehrern sieht das etwas anders aus.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die neue Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) will an der viel kritisierten Praxis festhalten, junge Lehrkräfte nach ihrem Referendariat in unbezahlte Sommerferien zu schicken. Die Ausbildung sei mit Ende des Vorbereitungsdienstes abgeschlossen, die Einstellung zum neuen Schuljahr erfolge davon unabhängig zum einheitlichen Termin im September, sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. «Das ist ein regulärer Vorgang, der sich beim Referendariat für Juristen und bei zahlreichen anderen Berufsgruppen genauso verhält.» Bei den etwa 3500 Aushilfslehrern will sich das Land dagegen bemühen, zumindest einen Teil von ihnen künftig auch über die Sommerferien zu bezahlen.

Heftige Kritik an der Praxis kam von der Bildungsgewerkschaft GEW und der Opposition. «Die neue Kultusministerin Theresa Schopper ist mit dem Versprechen angetreten, mit einem neuen Stil die Bildungspolitik in Baden-Württemberg zu gestalten. Warum schickt sie dann den gefragten Nachwuchs nach der Ausbildung erst einmal in die Arbeitslosigkeit?», fragte GEW-Landeschefin Monika Stein. Sie rechnet damit, dass 4000 bis 5000 angehende Lehrkräfte zu den Sommerferien arbeitslos werden. Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern nannte das Agieren des Ministeriums «töricht». «Gerade in der schwierigen Situation während der Pandemie verbietet sich die unwürdige Praxis, angehende und angestellte Lehrkräfte in die Sommer-Arbeitslosigkeit zu entlassen.»

Schon Schoppers Vorgängerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte es mit Hinweis auf die Kosten abgelehnt, das zu ändern. Das Ministerium verwies nun darauf, dass die große Mehrheit der Junglehrerinnen und Junglehrer wegen des hohen Bedarfs an Lehrkräften eine «sehr sichere und dauerhafte berufliche Perspektive» hätten. Wenn sich die Referendarinnen und Referendare dafür entschieden, an den Lernbrücken in den Sommerferien teilzunehmen, sei es in diesem wie im vergangenen Jahr möglich, schon zum 31. August in den Schuldienst übernommen zu werden.

Im grün-schwarzen Koalitionsvertrag sei zudem vereinbart, dass zielorientiert geprüft werden solle, wie Lehrkräfte mit einem befristeten Vertrag «in den folgenden Sommerferien weiterbezahlt werden können, sofern sie nach den Sommerferien wieder eingestellt werden». Voraussetzung sei, dass sie mindestens schon seit Dezember des vorigen Jahres in der Schule tätig sind. Bei den Aushilfen handele es sich um pensionierte Lehrerinnen und Lehrer, Menschen ohne ordentliche Lehramtsausbildung oder Lehrkräfte, die bewusst nur eine befristete Stelle gewählt hätten, etwa weil diese ihrem Ortswunsch nicht entspräche, erläuterte das Ministerium.

Die Hilfslehrer mit befristeten Verträgen werden gebraucht, um Ausfälle durch Krankheit oder Schwangerschaft auszugleichen. Im Schuljahr 2019/2020 startete das Ministerium nach eigenen Angaben ein Programm, mit dem die Verträge von Menschen ohne anerkannte Lehramtsausbildung entfristet wurden, wenn diese schon mehrere Jahre erfolgreich gearbeitet haben. So seien mehr als 80 Lehrkräfte übernommen worden. Das Programm werde auch in diesem Jahr fortgesetzt.

Der SPD-Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei sagte: «Gerade in diesem zweiten Corona-Sommer brauchen die Schulen diese Lehrkräfte mehr als diese die Schulen. In so einer Situation macht jeder Arbeitgeber ein wertschätzendes Angebot.» Auch der Lehrerverband VBE sagte, die bisherige Praxis sei «zwar ein altes aber kein bewährtes Verfahren». Baden-Württemberg müsse verhindern, dass angehende Lehrkräfte «in Nachbarländer abwandern und das Land sie für teures Geld umsonst ausgebildet hat».

© dpa-infocom, dpa:210712-99-347630/4