1. Startseite
  2. Überregionales
  3. Stuttgart & Südwest
Logo

Volksbegehren für kostenlose Kitas landet vor Gericht

Zwei Kinder spielen in einer Kindertagesstätte
Zwei Kinder spielen in einer Kindertagesstätte. Foto: Sebastian Gollnow
Die SPD will ihr Volksbegehren für kostenlose Kitas vor Gericht durchsetzen. Unterstützt wird sie von Befürwortern der direkten Demokratie. Die fühlen sich von Kretschmanns Regierung betrogen.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Verfassungshüter müssen im Streit zwischen der grün-schwarzen Landesregierung und der oppositionellen SPD über ein Volksbegehren für kostenlose Kitas entscheiden. Die SPD reichte am Montag in Stuttgart einen entsprechenden Antrag beim Landesverfassungsgerichtshof ein. Landesparteichef Andreas Stoch sagte: «Wir haben sehr gute Argumente auf unserer Seite.» Prozessbevollmächtigter für die SPD ist der Verfassungsrechtler Joachim Wieland. Er meint, die baden-württembergische Verfassung stehe den Instrumenten der direkten Demokratie sehr freundlich gegenüber - und zwar auch bei Vorhaben, die Geld kosteten.

Das Innenministerium sieht das anders. Es lehnte den Antrag der SPD für ein Volksbegehren als unzulässig ab. Innenminister Thomas Strobl (CDU) begründete dies damit, dass das Volksbegehren, falls es erfolgreich sein sollte, den Etat des Landes wesentlich beeinflussen würde. Zudem seien auch keine Volksbegehren über Abgabengesetze möglich. Die SPD hält der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor, das Volksbegehren aus politischen Gründen nicht zu wollen. Stoch warf insbesondere Kretschmann vor, sich mittlerweile von der direkten Demokratie verabschiedet zu haben, nachdem er lange für eine stärkere Bürgerbeteiligung geworben hatte.

In den Kommunen müssen die Eltern unterschiedlich hohe Beträge für die Betreuung ihrer Kinder in Kitas zahlen. Insgesamt geht es nach Angaben des Städtetages um 730 Millionen Euro im Jahr. Die SPD spricht von 529 Millionen Euro jährlich, die dann aus dem Landesetat kommen sollen. Die Landesregierung hatte sich mehrfach gegen eine generelle Gebührenfreiheit ausgesprochen.

Für den Fall, dass die SPD vor Gericht mit ihrem Volksbegehren scheitern sollte, hat der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtags-Grünen, Uli Sckerl, die Prüfung einer Verfassungsänderung in Aussicht gestellt. Damit solle mehr direkte Demokratie ermöglicht werden. «Das Innenministerium ist bei seiner Einschätzung sehr weit gegangen und hat die Rechtsprechung aus anderen Bundesländern mit einbezogen», meinte Sckerl. Minister Strobl entgegnete, er denke nicht über eine Verfassungsänderung in dem Punkt nach - ihm seien auch keine entsprechenden Überlegungen in der Regierung bekannt.

Die grün-rote Vorgängerregierung hatte die Verfassung 2015 überarbeitet, um die Hürden für direkten Demokratie zu senken. Der Verein Mehr Demokratie zeigte sich entsetzt über die Entscheidung, den SPD-Antrag abzulehnen. «Der Wunsch nach einem anderen Politikstil hat 60 Jahre CDU-Herrschaft beendet», sagte Geschäftsführerin Sarah Händel mit Blick auf die Landtagswahl 2011, bei der CDU-Regierungschef Stefan Mappus nach der Auseinandersetzung um das Bahnprojekt Stuttgart 21 abgewählt wurde. Dass der Verfassungstext so ausgelegt werde, dass alle wichtigen Entscheidungen außerhalb der Reichweite der Bürger lägen, sei starker Tobak. «Erst wurden die Erwartungen bei den Bürgern geweckt, und jetzt schlägt man drei Rollen rückwärts.» Es könne nicht sein, dass alle Themen für die direkte Demokratie wegfielen, die größere Summen Geld kosteten.

«Kretschmann hat den Geist unserer Landesverfassung verraten», sagte deshalb auch SPD-Landeschef Stoch. Sollte der Antrag der SPD vor Gericht Erfolg haben, will die Partei ihr Volksbegehren weiter vorantreiben. Sollte sie scheitern, will die SPD das Thema Kita-Gebühren im Landtagswahlkampf 2021 hochziehen. Die SPD hofft auf eine zügige Entscheidung der Verfassungsrichter. Verfassungsrechtler Wieland geht davon aus, dass diese in einigen Monaten kommen wird.

Ein Vergleich mit der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 im Jahr 2011 verbietet sich nach Strobls Worten. Damals hätten Regierung und Parlament die Abstimmung auf den Weg gebracht - jetzt sei der Antragsteller eine politische Partei. Zudem gebe es auch inhaltlich einen Unterschied. Beim Volksbegehren der SPD gehe es - im Gegensatz zu der Abstimmung bei S 21 - um die Abschaffung einer Gebühr. Bei Stuttgart 21 stimmten die Menschen über einen möglichen Ausstieg des Landes aus der Finanzierung des Bahnprojektes ab - erfolglos.

Landtag zum Thema Volksbegehrung

Landeszentrale für politische Bildung zu Volksbegehren

Landesregierung zum Thema Volksbegehren

SPD Baden-Württemberg

Pressemitteilung des Ministeriums zur Ablehnung des SPD-Antrags