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Wahrzeichen in Brand gesetzt: Mehrere Jahre Haft

Denkmalgeschützte Halle in Singen brennt
Einsatzkräfte der Feuerwehr löschen den Brand in der denkmalgeschützten Scheffelhalle. Foto: Simon Adomat/VMD-Images/dpa/Archivbild
Kurz vor ihrem 100-Jährigen geht die denkmalgeschützte Scheffelhalle in Singen in Flammen auf. Ein Ex-Feuerwehrmann ist deswegen nun zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden. Diskussionen löst dabei vor allem eine Frage aus: Sollte er ins Gefängnis oder eine Fachklinik?
Singen (Hohentwiel).

Konstanz (dpa/lsw) - «Ich möchte auf jeden Fall noch etwas sagen», so äußert sich der Angeklagte mit Fußfesseln und ruhiger Stimme im Gerichtssaal. «Ich bereue meine Tat.» Es tue ihm «unendlich leid», was er getan habe: «Ich möchte mich auch bei der Stadt Singen entschuldigen, dass ich ihre geliebte Scheffelhalle angezündet habe.»

Wegen fahrlässiger Brandstiftung und Sachbeschädigung verurteilte das Landgericht Konstanz den 37-Jährigen am Montag zu drei Jahren und sieben Monaten Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann in Singen am Hohentwiel mehrfach Papiermüll angezündet hatte, was im November 2020 zur Zerstörung eines Wahrzeichens der Stadt führte, der denkmalgeschützten Scheffelhalle.

An der Schuld des Angeklagten bestanden beim Gericht keine Zweifel. Der Ex-Feuerwehrmann hatte schon zum Auftakt des Prozesses gestanden, zwischen November 2020 und Februar 2021 vier Mal Müll in Containern angezündet zu haben. Von einem der Brände war die hölzerne Scheffelhalle erfasst worden. Deutlich schwieriger zu beantworten war eine andere Frage: Soll der mehrfach vorbestrafte Serien-Brandstifter seine Haft im Gefängnis verbüßen oder in einer Fachklinik untergebracht werden?

Am Maßregelvollzug für suchtkranke und psychisch kranke Straftäter hatten sich zuletzt politische Diskussionen entzündet, nachdem vier Männer aus einer psychiatrischen Klinik in Weinsberg geflohen waren. Das baden-württembergische Sozialministerium beklagte, dass solchen Einrichtungen «in nicht unerheblichem Umfang» Straftäter zugewiesen würden, «bei denen keine eindeutige Abhängigkeitserkrankung vorliegt, sondern eher ein missbräuchlicher Drogenkonsum als Teil des delinquenten Lebenswandels».

Deshalb arbeite man an einer Reform des entsprechenden Paragrafen im Strafgesetzbuch. Man sei «sehr optimistisch», dass die neue Bundesregierung dies bald aufs Gleis bringen werde, hieß es am Montag aus dem Sozialministerium.

Eine solche Unterbringung hatte auch die Verteidigung des Angeklagten in Konstanz gefordert. Dem Mann müsse wegen Alkoholmissbrauchs und einer Persönlichkeitsstörung geholfen werden, betonte der Verteidiger, «und zwar von kompetenter Stelle». Der Maßregelvollzug diene der Besserung des Angeklagten und der Sicherung der Bevölkerung. Dazu sei «psychiatrische, seelische Hilfe» nötig.

Ein psychiatrischer Gutachter hatte aber Zweifel geäußert, dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Er könne bei dem 37-Jährigen weder einen pathologischen Hang zur Brandstiftung noch eine Alkoholabhängigkeit erkennen. Zwar zögen sich Brandstiftungen durch seinen Lebenslauf, allerdings sei er auch jahrelang überhaupt nicht auffällig geworden. Der Mann leide unter einer Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Anteilen, seine Impulskontrolle sei dadurch aber nicht schwerwiegend eingeschränkt.

Das Gericht folgte dieser Argumentation. Die Persönlichkeitsstörung sei zwar «behandlungsbedürftig», sagte der Vorsitzende Richter Marc Gerster. Eine Therapie sei aber auch im Gefängnis möglich.

Dass der 37-Jährige kein krankhafter Brandstifter sei, zeige sich am Brand der Scheffelhalle: Der Angeklagte habe binnen weniger Minuten noch zwei Mal in den Container geschaut, in dem er Altpapier entzündet hatte. Dabei sah er weder Rauch noch Flammen, wie Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigten. Trotzdem sei der Mann einfach nach Hause gegangen. «Ein pathologischer Brandstifter hätte das Feuerzeug noch mal hingehalten», sagte Gerster. Müllcontainer und Halle gingen nach einem Schwelbrand gut zwei Stunden später trotzdem in Flammen auf.

Ob das Urteil Rechtskraft erlangt, steht bislang nicht fest. Staatsanwaltschaft und Verteidigung können binnen einer Woche Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einlegen.

© dpa-infocom, dpa:211114-99-995859/5

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