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Wechselbäder der Gefühle

Khatia Buniatishvili im Meisterpianisten-Zyklusder SKS in der Stuttgarter Liederhalle

Stuttgart. „Horowitz in Moscow“ war der Titel eines 1986 erschienenen Konzertmitschnitts, bei dem außer virtuosen Stücken von Scarlatti bis Scriabin auch solche romantischen Preziosen wie ein Schubert-Impromptu oder Schumanns „Träumerei“ versammelt waren. „Buniatishvili in Stuttgart“ 2021 wäre ein analoges Label: Die wie eine Diva auftretende georgische Pianistin in schwarzer Satin-Robe beglückte ihr Publikum im Beethovensaal mit einem pausenlos aneinander gereihten Dutzend unterschiedlichster Stücke von Satie bis Bach, und folgerichtig setzte Vladimir Horowitz’ Bearbeitung von Liszts „Ungarischer Rhapsodie cis-Moll“ den zum Teil mit johlendem Jubel quittierten Schlusspunkt des Programms. Auch einige Stücke von ihrem nach gleichem Prinzip zusammengestellten Album „Labyrinth“ (2020) waren dabei, zum Beispiel Bachs Air aus der dritten Orchestersuite oder Liszts „Consolation“.

Labyrinthisch sind die Wechselbäder der Gefühle allemal, in die Khatia Buniatishvili ihre Zuhörer mitnimmt. „Lent et douloureux“ ist die Spielanweisung zu Eric Saties bekannter „Gymnopédie Nr.1“, und langsamer könnte man sie wirklich nicht Ton für Ton artikulieren. Was das Schmerzliche angeht – in dieser Coronapandemie wären da ja Assoziationen möglich – tendiert ihre Wiedergabe ins Morbide. Ihre Hände schweben danach lange Sekunden unbeweglich über den Tasten, Chopins „Regentropfen“-Prélude aus Opus 28 ist der Übergang zu seinem wild in den Steinway gehämmerten Scherzo cis-Moll: „Presto con fuoco“ – hier ist die Spielanweisung leidenschaftlich virtuos exekutiert, im Kontrast dazu könnte die für Klavier arrangierte Bach-Air als Salongeklingel nicht größer sein.

Und Schuberts Ges-Dur-Impromptu hat man zehn Tage zuvor an gleicher Stelle von David Fray so viel konsistenter gehört: Buniatishvili hemmt den Fluss durch verzögernde Ralletandi immer wieder, wenn der Tönestau sich auflöst, ebbt die Spannung ab. Schuberts „Ständchen“ in der Klavierbearbeitung von Franz Liszt ist dann ein Ruhepunkt vor dem Sturm, den die Interpretin mit Chopins „Polonaise As-Dur“ entfachen wird: Ihre Anschlagskünste, und die sind wirklich phänomenal, kann sie dort aufs Feinste zelebrieren, ihre Handgelenke bewegen sich schlangengleich auf und nieder.

Ein virtuoses Feuerwerk dann die Liszt/Horowitz-Rhapsodie: Finale eines etwas anderen Klavier-Recitals, dem Khatia Buniatishvili ihren ganz persönlichen Stempel aufdrückte.