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Wer ist das Auslaufmodell? Eisenmann oder Kretschmann

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nimmt an einer Landespressekonferenz teil. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild
Es war das zweite Duell Kretschmann gegen Eisenmann innerhalb einer Woche. Die CDU ist zwischendurch immer tiefer in den Umfragekeller gerutscht. Und dann die Maskenaffäre. Eisenmann gibt sich ungerührt - obwohl ihr womöglich nach der Wahl das politische Aus droht.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Es ging um die Masken-Affäre der Union, die Corona-Politik, die Zukunft des Autos und die Frage, ob ihr persönliches Verhältnis im Wahlkampf gelitten hat. Knapp eine Woche vor der Landtagswahl haben sich der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann (72) und seine Herausforderin von der CDU, Susanne Eisenmann (56), erneut eine Rededuell geliefert, organisiert von der «Stuttgarter Zeitung». Wie schon vor einer Woche beim TV-Duell im SWR war die CDU-Frau angriffslustiger. Kein Wunder, ihre Partei liegt in den Umfragen deutlich hinter den Grünen. Die Kultusministerin machte deutlich, dass sie beim Ausweg aus dem Lockdown mehr Tempo machen würde. Und dass sie den Verbrennermotor noch nicht abgeschrieben hat. Und dann war da noch die Frage nach dem Gendersternchen. Aber eins nach dem anderen:

MASKEN-AFFÄRE: Die aktuelle Affäre um fragwürdige Geschäfte zweier Unions-Abgeordneter im Bundestag mit Corona-Schutzmasken stand auch am Beginn des Streitgesprächs. Weil der Mannheimer Nikolas Löbel Provisionen von rund 250 000 Euro eingestrichen haben soll bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Corona-Schutzmasken, war die Südwest-CDU in Alarmstimmung. Eisenmann nannte das Verhalten Löbels «zutiefst schädlich» und forderte ihn nach seinem Rückzug aus der Partei und dem Parlament auf, das Geld zu spenden. Kretschmann erinnerte an ein verbales Foulspiel Löbels im Wahlkampf 2015/2016, das seine Charakterschwäche gezeigt habe. Der damalige JU-Landeschef hatte über Kretschmann gesagt: «Da tritt ein altersschwacher Ministerpräsident zur Wiederwahl an. Und jeder von uns weiß: Der schafft keine fünf Jahre mehr.» Nun werde er länger machen als Löbel, sagte der Grüne.

CORONA-POLITIK: Dieser Part nahm wesentlich weniger in Zeit in Anspruch als beim SWR-Duell vor einer Woche. Eisenmann hielt dem Regierungschef erneut vor, die Impfkampagne und das Testen seien zu langsam und zu wenig vorausschauend angegangen worden. Kretschmann erwiderte: «Man muss ja das Richtige zur richtigen Zeit tun.» So seien die Selbsttests erst vor kurzem zugelassen worden, deshalb habe man die nicht früher bestellen können. Wie vor einer Woche wurden sich die beiden nicht einig, wer dafür zuständig ist, das Testen an den Schulen zu organisieren. Eisenmann sagte, wenn gewollt sei, dass ihr Ministerium sich selbst kümmere, müsse man das sagen. «Wenn ich selber mache, geht es vielleicht schneller.» Kretschmann sagte, natürlich müsse das Kultusministerium das Testen an den Schulen organisieren. Der Innenminister mache das bei der Polizei auch.

AUSLAUFMODELL: Die Debatte drehte sich relativ lange um die Frage, wie die Wirtschaft gestärkt aus der Corona-Krise kommen könne und wie es mit der Autoindustrie weitergehe. Die CDU-Spitzenkandidatin monierte erneut, Kretschmann agiere zuviel mit Runden Tischen und tue zu wenig, damit Innovationen auch in der Fläche ankämen. Was etwa künstliche Intelligenz angehe, sei Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) deutlich engagierter unterwegs. Kretschmann verwies auf das Cyber Valley in der Region Tübingen-Stuttgart und sagte: «Wir liegen ja nicht auf'm Sofa und warten bis der Söder kommt.» Im Gegenteil: Der CSU-Chef habe sich am Cyber Valley ein Beispiel genommen. Kretschmann betonte: «Wir sind da volle Kanne drin.»

Als es um die Zukunft des Autos ging, sagte Kretschmann mit Blick auf den Verbrennermotor: «Bei den Pkw ist das höchstwahrscheinlich ein Auslaufmodell.» Hier widersprach Eisenmann: «Der Abgesang ist nicht meiner.» Es sei zwar wichtig, dass man die Klimaziele erreiche. «Nur ich muss auf dem Weg dorthin nicht alles einreißen. Das ist mir viel zu schnell und zu undurchdacht.» Die Fixierung der Grünen auf das Elektroauto sei ihr zu eng. Es könne nicht überall nur der Maßstab sein, was ökologisch sinnvoll sei. «Ich muss auch sehen, was kostet es, wie können es sich die Menschen noch leisten. Es gilt, die soziale Frage mitzudenken.»

PERSÖNLICH: Im Wahlkampf ist Eisenmann ihren grünen Rivalen schon öfter hart angegangen. Im TV-Duell machte sie mehrfach Anspielungen auf sein Alter, zuletzt sagte sie in einem Interview, Kretschmann stehe zwar für «große Themen, große Linien», sei aber «nirgendwo tief in den Details drin. Und an der Umsetzung eher sporadisch interessiert». Darauf angesprochen erläuterte Kretschmann seinen Führungsstil: «Alle Minister müssen Spielraum haben.» Nur so könnten sie zeigen, wie ambitioniert sie seien und was sie hinkriegten. «Ich bin kein Alleinherrscher.» Er sei dafür da, wichtige Vorgaben zu machen und den Laden zusammenzuhalten. «Wenn es darauf ankommt, dann bin ich auch in Details drin.» Zum Beispiel kenne er alle Einzelheiten der Corona-Verordnungen.

Kretschmann verneinte die Frage, ob zwischen ihm und Eisenmann im Wahlkampf etwas kaputt gegangen sei. «Wir schätzen und achten uns als Personen.» Eisenmann sagte, man begegne sich immer mit Respekt. Doch hinter den Kulissen brodelt es ganz offensichtlich: Zuletzt hatte es bei den Grünen Stimmen gegeben, die auf ein zerrüttetes Verhältnis der beiden hingewiesen hatten. In Grünen-Kreisen hieß es sogar, nur wenn die CDU Eisenmann nach der Landtagswahl loswerde, sei überhaupt an eine Fortsetzung der grün-schwarzen Koalition zu denken.

KOALITIONEN: Der CDU droht nach jüngsten Umfragen ein Fiasko, sie könnte demnach ihr bisher schlechtestes Ergebnis von 2016 nochmal unterbieten und weit hinter den Grünen landen. Angesprochen auf die schwachen Werten sagte Eisenmann, Umfragen seien immer weniger verlässlich. «Da rate ich zu großer Gelassenheit, auch der CDU.» Und: «Das Spiel ist rum, wenn der Schiedsrichter abpfeift.» Zu möglichen Koalitionen äußerte sich vor allem Kretschmann, der nach den Umfragen mit einem Rekordergebnis für die Grünen rechnen kann. Auf die Frage, ob eine Ampel mit SPD und FDP ein Experiment wäre, sagte er: «Ja. Aber es gibt sie schon. Man kann sich auch erkundigen, wie es läuft.» Zum Beispiel in Rheinland-Pfalz unter Führung der SPD. Wichtig sei aber vor allem: Er brauche - vor allem in diesen Zeiten - eine stabile und verlässliche Regierung.

GENDERN: Ganz zum Schluss wurde Eisenmann noch gefragt, was sie vom Gendersternchen halte, mit dem neben männlichen und weiblichen auch weitere Geschlechter in der Schriftsprache sichtbar gemacht werden sollen. Hier gab die Kultusministerin ganz die Konservative: «Wenig bis gar nichts. Ich bin bei der traditionellen Form Schülerinnen und Schüler.»

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