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Zerstückelt im Neckar: Mann erneut verurteilt

«Landgericht» steht an einem Eingang des Landgerichts Stuttgart
Landgericht Stuttgart. Foto: Marijan Murat/Archivbild
Eine Frau aus Stuttgart wird getötet und zerstückelt. Ihr Freund wird verurteilt, aber der Bundesgerichtshof kassiert die Gerichtsentscheidung. Im neuen Prozess sind die Stuttgarter Richter abermals überzeugt, dass der Mann es wirklich getan hat.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Eine zerstückelte Leiche, Blut in seinem Schrank und auf dem Teppich, unzählige Lügen und ein Doppelleben - nach dem Fund einer verstümmelten Frau im Neckar hat sich das Stuttgarter Landgericht von der Schuld ihres früheren Freundes überzeugt gezeigt. Es verurteilte den 78 Jahre alten Mann am Dienstag in einer Neuauflage des Prozesses wegen Totschlags zu einer Haft von zwölf Jahren. Damit verdoppelte die Kammer die Haftstrafe, die der Mann im ersten Verfahren erhalten hatte, damals noch wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Die Verteidigerin des Rentners will erneut Revision beantragen.

«Ich bin nicht schuldig», rief der Mann nach der Urteilsverkündung noch im Saal der Richterin zu. Diese hatte zuvor kein gutes Haar an den Aussagen des Angeklagten gelassen. «Erstunken und erlogen», seien diese, «eine Räuberpistole», «abenteuerlich», «absurd» und «aus der Luft gegriffen», sagte die Vorsitzende Richterin Ute Baisch.

Der Mann habe seine damalige Freundin im Streit um das drohende Aus in der Beziehung in seiner Esslinger Wohnung umgebracht und die Leiche zersägt. Die 72-Jährige, die ein Doppelleben geführt hatte, habe dem Mann zuvor eventuell ihre Untreue gestanden, vermutete Baisch und fügte hinzu: «Der Angeklagte ist dadurch so in Rage geraten, dass er sich am Opfer körperlich abreagieren wollte.» Teile der Leiche waren Mitte Oktober, mehrere Wochen nach der Tat, im Neckar entdeckt worden. Unter anderem vom Kopf fehlt bis heute jede Spur.

Im Juni 2018 war der Mann von einer anderen Kammer des Gerichts zunächst wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Allerdings hatte der Bundesgerichtshof die Entscheidung nach dem erfolgreichen Einwand der Staatsanwaltschaft kassiert. Mit dem neuen Urteil folgte das Landgericht nun dem Antrag der Staatsanwaltschaft, während die Verteidigung in beiden Auflagen auf Freispruch plädiert hatte.

In dem reinen Indizienprozess wollte das Gericht den Aussagen des angeklagten Mannes keinen Glauben schenken. Der Mann sei «hochstaplerisch geltungsbewusst» und gehe mit der Wahrheit «kreativ um». Es sei ihm stets wichtig gewesen, eine Frau an seiner Seite zu haben. «Er wollte, dass die Frau ihm in gewisser Weise gehört», sagte Richterin Baisch. Es seien hier aber zwei Menschen zusammengekommen, die beide betrügerisch-manipulativ veranlagt sind«. Der 78-Jährige habe die Tat zwar nicht geplant, «das war spontan», sagte Baisch. Es sei aber keineswegs eine Affekttat gewesen.

Die Beweise reichten aus, auch wenn unklar sei, warum die Frau sterben musste und wegen des fehlenden Kopfes nicht klar sei, woran sie letztlich starb, sagte die Vorsitzende Richterin. Unter anderem seien Blutspuren in einem Schrank des Mannes gefunden worden, in dem dieser die Leiche gelagert haben könnte. Außerdem hätten die Spuren auf dem Teppich «ziemlich exakt die Größe eines Menschen» gehabt. Der Angeklagte habe sich in Widersprüche verstrickt, mal von einem Sturz als Todesursache berichtet, dann wieder von einem mysteriösen Entführerpärchen. Die teils großen Blutlachen wollte er mit Schnitten einer Sektglasscherbe erklären.

Auf die Spur des Mannes, von dessen Existenz die Frau weder ihrem anderen Partner noch ihrer Familie oder Freunden erzählt hatte, war der Sohn des Opfers durch Reiseunterlagen gekommen. Diese waren auf den Namen des 78-Jährigen ausgestellt.

Die Kammer hält ihn zwar für schuldig, sie schließt aber nicht aus, dass es mindestens einen Mitwisser gab. «Es liegt nahe, dass ihm jemand geholfen hat», sagte Richterin Baisch.

BGH-Urteil vom 10.4.2019