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Zwangsferien bis Ostern? Entscheidung über Schulen und Kitas

Susanne Eisenmann (CDU)
Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild
Das wäre ein Schlag vor allem für Eltern und Arbeitgeber: die Schließung aller Schulen und Kindergärten im Land wegen der Corona-Pandemie steht bevor. Während die Zahl der Ansteckung steigt, ist ein erster infizierter Mann in Baden-Württemberg gestorben.
Stuttgart.

Stuttgart (dpa/lsw) - Im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus deuten sich nun auch landesweite Schulschließungen in ganz Baden-Württemberg bis Ostern an. Das Kabinett will am Freitag bei einer Sondersitzung auch über die Kindergärten entscheiden, sagte ein Regierungssprecher. Bei einer Sondersitzung am Freitagmittag sollten Maßnahmen beschlossen werden, um das Virus einzudämmen und die Ausbreitung zu verlangsamen, bestätigte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Krankenhäuser seien noch stark belegt durch die Grippewelle. «Wir müssen sehen, dass das Gesundheitssystem funktionsfähig bleibt.» Unterdessen meldete das Gesundheitsministerium, dass ein 67 Jahre alter Mann im Rems-Murr-Kreis nach einer Infektion gestorben ist.

Dem baden-württembergischen Gesundheitsministerium wurden am Donnerstagabend vom Landesgesundheitsamt 119 weitere Fälle von bestätigten Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet. Die Zahl der Infizierten im Land steigt damit weiter deutlich an auf 454.

Auch Bayern will am Freitag über Schließungen von Schulen und Kindergärten entscheiden, andere Bundesländer dürften nachziehen. Nach Angaben der EU haben bereits etwa ein Drittel der Staaten in der Union sämtliche Schulen geschlossen.

«Durch die dynamische Lageentwicklung können flächendeckende Schul- und Kitaschließungen in Baden-Württemberg nicht mehr ausgeschlossen werden», sagte auch Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) der «Südwest Presse» (Freitag) und der «Heilbronner Stimme». Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung stehe an erster Stelle. Den Schülerinnen und Schülern vor allem der Abiturklassen dürften aber keine Nachteile entstehen.

Schulschließungen könnten ein wichtiger Baustein sein, um soziale Kontakte in den kommenden Wochen auf ein notwendiges Minimum zu reduzieren, teilte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Donnerstagabend mit. Und weiter hieß es: «Es stehen jetzt sehr einschneidende Entscheidungen an, um das Land gut durch die Krise zu steuern und unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten.»

Unterdessen ist in Baden-Württemberg erstmals ein mit dem Coronavirus infizierter Mensch gestorben. Es handle sich um einen 67 Jahre alten Mann aus dem Rems-Murr-Kreis, teilte das Gesundheitsministerium am Donnerstag in Stuttgart mit. Sein Leichnam sei positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden sei, nachdem auch seine drei Jahre ältere Ehefrau am Coronavirus erkrankt war. Sie war zuvor aus Frankreich zurückgekehrt. Es ist der bislang vierte Todesfall in Deutschland.

Der Mann kommt nach dpa-Informationen aus Remshalden. Er war im Februar aus dem Kongo zurückgekehrt und am 4. März zu Hause gestorben. Nach der Erkrankung seiner Frau habe man Zweifel bekommen und den Test durchgeführt, sagte der Sprecher des Ministeriums.

«Der erste Todesfall in Baden-Württemberg im Zusammenhang mit Corona macht den Ernst der Lage noch einmal deutlich», sagte Landrat Richard Sigel. «Diese neue Entwicklung muss zu einem noch konsequenteren Handeln auf allen Ebenen und klaren Vorgaben des Bundes und der Länder zur Eindämmung der Pandemie führen.»

Inwieweit die offizielle Statistik die wahre Lage widerspiegelt und wie hoch die weltweite Dunkelziffer nicht erfasster Fälle ist, ist unklar. Denn die meisten Infizierten haben nur leichte Erkältungssymptome mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwinden, oder gar keine Symptome. Etwa 15 von 100 Infizierten erkranken schwer, betroffen sind vor allem ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen.

Das grassierende Coronavirus brachte am Donnerstag auch den Betrieb im baden-württembergischen Landtag durcheinander. Die Plenarsitzung verzögerte sich, die Tagesordnung wurde verkürzt, Debatten gestrichen, wie eine Sprecherin der Landtagsverwaltung mitteilte.

Ein Grünen-Abgeordneter hatte erklärt, Kontakt zu jemandem gehabt zu haben, der positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Nach Angaben von Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz ist noch unklar, ob sich der Abgeordnete auch selbst mit dem Virus infiziert hat.

Der Terminplan von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ist ebenfalls vom Coronavirus betroffen: Er nahm sicherheitshalber nicht an der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin teil. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme, teilte das Staatsministerium mit. Es gehe «nun darum, dass Personen, die in räumlicher Nähe zum Abgeordneten waren, weitere Kontakte vorsorglich vorerst vermeiden».

Auch bundesweit wird mit weiter steigenden Krankenzahlen gerechnet. Experten gehen davon aus, das sich zwischen 60 und 70 Prozent der Menschen in Deutschland infizieren werden, solange es keinen Impfstoff gibt.

Der Klinikverbund Südwest (Sindelfingen) und die großen Stuttgarter Kliniken erlauben daher ab Freitag bei wenigen Ausnahmen keine Besucher mehr in ihren Häusern. Mit dieser Maßnahme wollen sie nach eigenen Angaben Patienten und Mitarbeiter vor einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus schützen. Symptome träten erst bis zu 14 Tage nach der Infektion auf. Daher könnten Besucher das Virus in die Kliniken einschleppen. Davor müssten vor allem alte und schwerkranke Patienten geschützt werden.

Schutzbekleidung ist nach Angaben der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft zwar noch vorhanden. «Aber die Preise dafür explodieren gerade», sagte Hauptgeschäftsführer Matthias Einwag. Aktuell zahle man für Masken, Schutzbrillen und andere Ausrüstung das Zehnfache des Preises vor der Krisenzeit. Wegen der Knappheit an Nachschub müssten die Krankenhäuser neue Beschaffungswege vor allem in Osteuropa suchen.

Laut Einwag bereiten sich die Krankenhäuser darauf vor, dass nicht nur die Zahl der Infizierten, sondern auch die der schwer an Covid-19 Erkrankten in die Höhe schnellen. «Tatsächliche Krankheitsfälle gibt es momentan noch ganz wenige. Aber da kommt etwas auf uns zu, das mutmaßlich ziemlich heftig ausfällt.»

Auch die Kultur schränkt ihre Auftritte weiter ein: Nach den Staatstheatern in Stuttgart und Karlsruhe kündigte auch das Nationaltheater Mannheim an, den Spielbetrieb bis Mitte April einzustellen. Das Festspielhaus Baden-Baden unterbrach die Vorbereitungen zu den Osterfestspielen 2020.