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«Genug ist genug»
Erklärung von Österreichs Kanzler in Auszügen

Sebastian Kurz
Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich. Foto: Roland Schlager/APA
Wien (dpa) - Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat die Koalition mit der FPÖ am Samstag aufgekündigt. Seine Erklärung in wörtlichen Auszügen:

«Ich war mir sehr wohl bewusst, dass der Weg mit der FPÖ als Regierungspartner Widerstand auslösen wird. Aber man muss sagen, dass zum damaligen Zeitpunkt die einzige Partei, die bereit war, eine Koalition einzugehen, die Freiheitliche Partei war.

Wenn ich jetzt auf die letzten zwei Jahre inhaltliche Arbeit zurückblicke, dann tue ich das aus voller Überzeugung und großer Freude. Denn wir haben in den letzten zwei Jahren inhaltlich genau das umgesetzt, was wir auch im Wahlkampf versprochen haben...

Sie haben wahrscheinlich aber auch alle mitverfolgt, dass in den letzten beiden Jahren für diese inhaltlichen Erfolge ich bereit sein musste, viel auszuhalten und auch vieles in Kauf zu nehmen: über das Rattengedicht, über die Nähe zu rechtsradikalen Gruppierungen bis hin zu immer wiederkehrenden Einzelfällen. Und auch, wenn ich mich nicht immer öffentlich dazu geäußert habe, so können Sie sich wahrscheinlich vorstellen, gab es viele Situationen, in denen mir das sehr schwergefallen ist, das alles herunterzuschlucken.

Ich habe trotzdem im Sinne der Sacharbeit nicht bei der erstbesten Verfehlung die Koalition aufgekündigt. Aber nach dem gestrigen Video muss ich ganz ehrlich sagen: Genug ist genug. ...

Verachtenswert sind der Inhalt, der ist einfach, wie er ist. Was über mich in diesem Video gesagt wird von Beschimpfungen bis hin zu sehr derben Anschuldigungen und Unterstellungen, das ist alles eigentlich nebensächlich. Was aber wirklich schwerwiegend und problematisch ist, das sind die Ideen des Machtmissbrauchs, die Ideen zum Umgang mit österreichischen Steuergeldern und natürlich auch das Verständnis gegenüber der Medienlandschaft in unserem Land. Die FPÖ schadet mit diesem Verhalten dem Reformprojekt und dem Weg der Veränderung. Sie schadet auch dem Ansehen unseres Landes...

Vor allem - und das ist aus meiner Sicht aber das Schlimmste - habe ich in den heutigen Gesprächen mit einigen Vertretern der Freiheitlichen Partei nicht den Eindruck gewonnen, dass ein wirklicher Wille da ist, die Freiheitliche Partei abseits der beiden Rücktritte auf allen Ebenen zu verändern. Und ich glaube, das wäre nach den Vorkommnissen der letzten Tage mehr als nur notwendig...

Ich möchte gerne für unser wunderschönes Land arbeiten und zwar mit meinem politischen Zugang, mit meinem Kurs und auch mit der Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung. Aber ganz ohne Einzelfälle, Zwischenfälle und sonstige Skandale. Ich glaube, dass das derzeit mit niemandem möglich ist. Die FPÖ kann es nicht, die Sozialdemokratie teilt meine inhaltlichen Zugänge nicht, und die kleinen Parteien sind zu klein, um wirklich Unterstützung sein zu können.

Darum habe ich heute dem Bundespräsidenten vorgeschlagen, vorgezogene Wahlen in Österreich durchzuführen, und zwar zum schnellstmöglichen Zeitpunkt.

Nur wenn die Volkspartei, nur wenn wir nach der Wahl die Möglichkeit haben, auch wirklich eindeutig den Ton anzugeben, dann können wir die Veränderung, die wir begonnen haben, auch zu Ende bringen und fortsetzen. Und ich darf alle Menschen in Österreich einladen, die mit dem Kurs, den wir die letzten Jahre eingeleitet haben, mit diesem Kurs zufrieden sind, dass sie uns bei den Wahlen unterstützen. ...»