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Analyse
Besuch bei den chinesischen «Freunden» in unruhigen Zeiten

Zu Gast in China
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird von Li Keqiang, Ministerpräsident von China, mit militärischen Ehren vor der Großen Halle des Volkes empfangen. Foto: Michael Kappeler
Zuerst scheint alles locker. Premier und Staatschef widmen Merkel viel Zeit. Beim Thema Hongkong wird es spannend. Die Kanzlerin will die Freiheiten der Hongkonger gewahrt sehen - Li Keqiang bleibt vage.

Peking (dpa) - Mitten auf dem riesigen Vorplatz der Großen Halle des Volkes sind an diesem sonnig-heißen Freitagvormittag in Peking zwei Stühle aufgestellt. Kanzlerin Angela Merkel und Chinas Premier Li Keqiang nehmen darauf Platz und lauschen - unter einem schönen Baldachin - der deutschen Nationalhymne.

Bei der chinesischen Hymne steht Li Keqiang allerdings auf. Danach gehen sie die militärischen Ehrenformationen ab und nehmen wieder auf den Stühlen Platz. Alles gut gegangen, dank der rücksichtsvollen Chinesen.

Es ist das erste Mal, dass die Kanzlerin im Ausland die militärischen Ehren zur Begrüßung teilweise im Sitzen verfolgt. In den vergangenen Monaten machte sie das zuhause wiederholt, weil sie im Stehen bei solchen Zeremonien anfing zu zittern.

Bei aller Nervosität zum Besuchsbeginn ist der Empfang der Chinesen sehr freundlich, je freundschaftlich. Li Keqiang und Staats- und Parteichef Xi Jinping nehmen sich viel Zeit für die Kanzlerin. Mehrmals betont Li Keqiang, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen schon sehr «gesund und stabil» seien und unbedingt noch enger werden sollten. Beide Länder seien mit ihren großen Wirtschaften wichtige Vertreter des Multilateralismus und der offenen Märkte - ein leichter Seitenhieb auf US-Präsident Donald Trump.

Merkel dürfte das Werben recht sein. Seit dem Handelskonflikt der Chinesen mit den USA kann man eine Charmeoffensive Chinas in Richtung Deutschland und Europa feststellen. Tun sich da für deutsche Firmen ungeahnte Lücken auf? Wohl kaum, soweit werden es die Amerikaner wohl nicht kommen lassen. Trump gibt sich zwar nach außen unnachgiebig, hat aber hinter den Kulissen wiederholt auch signalisiert, dass er an einem «Deal» interessiert ist. Ihm stehen Wahlen ins Haus und auch die amerikanische Wirtschaft leidet zunehmend - Anleger sind nervös.

Merkel sagt denn auch unmissverständlich, sie hoffe auf ein Ende des Konflikts, da davon auch andere Marktteilnehmer in Mitleidenschaft gezogen würden. Ein paar Abkommen zwischen deutschen und chinesischen Unternehmen werden bei dem Besuch auch unterzeichnet, unter anderem für den chinesischen Finanz- und Versicherungsmarkt. Sieht gut aus, aber es ist nicht alles im Lot. Li Keqiang mahnt die deutsche Seite wiederholt: China habe sich geöffnet, jetzt müsse auch Deutschland nachziehen und sich weiter öffnen.

Die Mahnung überrascht. Tatsächlich haben die deutschen Investitionen in den vergangenen Jahren in China um fast das Dreifache auf gut 80 Milliarden Euro zugenommen, während die chinesischen Investitionen in Deutschland zuletzt entgegen des allgemeinen Eindrucks abgenommen haben.

Die Kanzlerin kommt in Erklärungsnot. Natürlich seien chinesische Unternehmen in Deutschland willkommen. Aber die Deutschen müssten auch ihre sensiblen Technologien schützen. Mit dem angestrebten Investitionsschutzabkommen zwischen China und der EU werde sich das verbessern.

Aber worauf alle angespannt warten, spart sich Chinas Premier zum Schluss auf. Wie geht es mit den Protesten in Hongkong weiter? Würde China militärisch intervenieren? Erst scheint es, als wenn er gar nicht darauf antworten will, dann sagt Li Keqiang doch was, gibt sich aber betont zurückhaltend. Er wiederholt nur, dass China hinter den Bemühungen der Hongkonger Regierung stehe, «die Gewalt und das Chaos in Übereinstimmung mit dem Recht zu beenden». China halte sich unbeirrt an die Grundsätze «ein Land, zwei Systeme» und dass die Hongkonger ihre Angelegenheiten selbst regeln sollen, wie es im Grundgesetz der autonomen chinesischen Sonderverwaltungsregion stehe.

Kein Wort über radikale Aktivisten, die Brandbomben werfen. Kein Wort über die Farbbeutel, mit denen die Staatsembleme der Ständigen Vertretung Pekings in Hongkong geschändet wurden, wie rangniedrigere Funktionäre empört kritisiert hatten. Kein Säbelrasseln, auch kein Hinweis darauf, dass das Grundgesetz durchaus eine Intervention erlauben würde. Ohne Zweifel, Chinas kommunistische Führer sind erkennbar bemüht, die aufgeheizte Stimmung nicht noch anzufachen und die Lage vor den großen Feiern zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik am 1. Oktober zu beruhigen.

Der gänzliche Rückzug des umstrittenen Gesetzes für Auslieferungen nach China und das Dialogangebot diese Woche reicht aber vielen Demonstranten nicht - am Samstag soll wieder protestiert werden, dann auch wieder am Flughafen, wo es besonders schmerzt. Merkel warnt vor der Gewalt, mahnt zu politischen Lösungen. Auch hofft sie, dass es zum angebotenen Dialog kommt - und die Demonstranten auch dabei sind. Hongkongs Grundgesetz gewähre den Menschen «Rechte und Freiheiten», so Merkel, die «natürlich auch gewährleistet werden müssen».