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umbenennung
Ein lebendiger Ort für Sophie Scholl

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Sophie Scholl als Grundschülerin (Detailfoto).
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Sophie Scholl und ihr drei Jahre älterer Bruder Hans in der Zeit in München.Foto: Archiv
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Die Tafel an dem Haus am Schillerplatz, in dem die Familie Scholl wohnte, gestiftet von der dortigen Mylius-Apotheke.Archivfoto: Drossel
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Nach den Geschwistern wurde eine Straße benannt, die vor dem Sonnenberg von der Aldinger Straße abzweigt.Foto: Werner
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Sophie Scholl mit ihrer Klasse 4b vor der Mädchenvolksschule am Schulbückele, der heutigen Anton-Bruckner-Schule, die 1936 nach dem NSDAP-Gauleiter in Bayern, Reichswalter des Nationalsozialistischen Lehrerbunds und Bayerischer Kultusminister, Hans Schemm, benannt wurde. Sieben Jahre später wurden Sophie Scholl und ihr Bruder Hans vom Nazi-Regime ermordet.Foto: Archiv
„Ich gehe in die Sophie Scholl“, könnten Grundschüler in Zukunft auf dem Weg zum Grundschulcampus sagen. Und damit die Mahnung an den Widerstand gegen Totalitarismus und Rassismus vielleicht nicht in die Welt, aber in den Alltag tragen. 75 Jahre nach der Hinrichtung der Geschwister Scholl und 73 Jahre nach dem Ende des Nazi-Regimes könnte die Sophie-Scholl-Schule nun Wirklichkeit werden.

Ludwigsburg. Es ist ein Foto, das berührt. Da stehen lauter kleine Mädchen lächelnd vor ihrer Grundschule, das ganze Leben noch vor sich. Alle Hoffnung auf eine Zukunft zerstört: Wissen wir doch, dass das Mädchen in der zweiten Reihe (Markierung) ihren 22. Geburtstag nicht mehr erlebte – gemeinsam mit ihrem Bruder Hans und Christoph Probst wurde sie am 22. Februar 1943 nach einem erniedrigenden Prozess unter Johann Freisler enthauptet. Die Geschwister waren erwischt worden, als sie im Namen der „Weißen Rose“ Flugblätter gegen die Nazidiktatur an der Universität in München auslegen wollten.

Es ist diese Sophie Scholl, die vom Sommer 1930 bis Frühjahr 1932 die Mädchenvolksschule an der Schulgasse besuchte, nachdem ihre Familie nach Ludwigsburg gezogen war – ihre Eltern hatten sich 1915 im Lazarettdienst in Ludwigsburg kennengelernt. Es ist diese Sophie Scholl, die gemeinsam mit ihrem drei Jahre älteren Bruder und der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“ Symbol wird gegen Diktatur und für den Kampf gegen den Nationalsozialismus, für das Aufstehen gegen Rechts.

Kaum vorstellbar, dass an der ehemaligen Mädchenvolksschule, in der bis zum endgültigen Zusammenschluss in diesem Schuljahr ein paar Jahre die Pestalozzischule untergebracht war, nicht einmal ein Täfelchen an die prominente Schülerin erinnert. Ein Porträt von Sophie Scholl, das in einem Zimmer im Eingangsbereich hing, kam bei dem Umzug der Anton-Bruckner-Schule in das Gebäude der Uhlandschule irgendwie abhanden. So erinnern in Ludwigsburg an die wohl berühmtesten Widerständler Deutschlands: eine privat initiierte Gedenktafel am ehemaligen Wohnhaus in der Schillerstraße 7, das Sophie-Scholl-Haus der katholischen Kirche in der Solitudestraße und eine Straße am Ortsrand von Ludwigsburg.

Das soll sich jetzt, 75 Jahre nach der Enthauptung, ändern. Zwölf Jahre Diskussion um ein Gedenken könnten ein Ende finden, weil die Fusion von Pestalozzi- und Anton-Bruckner-Schule nach ebensolanger und ebenso ermüdender Diskussion dieses Jahr ihren Anfang fand. Mit Schützenhilfe des Jugendgemeinderats: Dieser hat im Sommer den Antrag gestellt, die Schule in Sophie-Scholl-Schule umzubenennen, über den heute Abend (17 Uhr, Rathaus) im Sozialausschuss entschieden wird. Die Begründung: „In Ludwigsburg ist das Gedenken der Geschwister Scholl verhältnismäßig schwach ausgeprägt.“

Davon kann CDU-Stadtrat Claus-Dieter Meyer ein Lied singen: Bereits als sein Vater mit seiner Apotheke 1977 in das ehemalige Wohnhaus der Scholls in der Schillerstraße 7 zog, sei eine Benennung in Geschwister-Scholl-Apotheke Thema gewesen, dann habe die Kürze und die Verortung von Myliusstraße den Ausschlag gegeben. 1988 übernahm Claus-Dieter die Apotheke vom Vater, dann kam 2003 die Fassadenrenovierung. Ein neuer Vorstoß, dicke Bretter bei der Stadt gebohrt, und 2005 war es so weit: Die Tafel wurde eingeweiht. Zur Enthüllung der Gedenktafel kam sogar Elisabeth Hartnagel geb. Scholl, die 1920 – zwischen Hans und Sophie – geboren wurde.

„Ich bin froh, dass es jetzt so weit ist“, sagt Meyer. Auch wenn er Hans nicht vergessen möchte, aber: „Ich kann mit beidem leben“, wichtig sei die Erinnerung: „Eine Gesellschaft braucht gewisse Identifikationspunkte.“ Dahinter stünden Werte: „Die Demokratie stirbt nicht an zu vielen Feinden, sondern an zu wenig Freunden.“ Eine Freundin hat diese Idee auch in Elfriede Steinwand (Grüne), die die letzten Jahre nicht müde wurde, für eine Sophie-Scholl- oder eine Geschwister-Scholl-Schule zu werben. „Ich finde es toll, dass die Jugend sich mit dem Thema auseinandersetzt“, lobt sie den Vorstoß. Weil Hans Scholl bereits in der Oberrealschule (heutiges Mörike) war, sei es sinnvoll, Sophie als alleinige Namensgeberin zu behalten.

Ob Geschwister oder Sophie: Johann Heer (FDP) sieht das „ganz entspannt“. Der Name setze politisch ein Signal, „es gibt keinen Vorschlag, der passender wäre“. Ulrike Faulhaber sieht die Namensgebung positiv, wenn sie es auch lieber gesehen hätte, die Schulkonferenz hätte schon getagt. Deren Votum ist entscheidend – doch wie aus Schulkreisen zu hören ist, wird die Umbenennung befürwortet. Von einem „guten Antrag“ spricht Gabriele Moersch (FW). Sie ist stolz auf den Vorstoß des Jugendgemeinderats. Ob Geschwister oder Sophie? „Eine Feinheit, über die man sprechen kann.“