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Politik
Der Kampf um Porsches Zukunft in Schwieberdingen

Foto: Porsche
Nun also sollen die Schwieberdinger bei einem Bürgerentscheid über die Pläne des Sportwagenherstellers Porsche abstimmen, der in der Gemeinde ein neues Werk bauen will. Doch sorgt ein Plebiszit auch für klare Verhältnisse?

Schwieberdingen. In Schwieberdingen folgt auf den Frühling mit Kommunal- und Europawahlen mutmaßlich ein hitziger politischer Sommer. Dafür hat der Gemeinderat in dieser Woche mit seinem Beschluss gesorgt, am 14. Juli einen Bürgerentscheid abzuhalten. Dann sollen die Schwieberdinger entscheiden, ob sie auf einer Fläche von rund 23 Hektar neben dem Automobilzulieferer Bosch statt landwirtschaftlicher Flächen einen regionalen Gewerbeschwerpunkt haben wollen.

Das Interesse an dem Fall ist gewaltig, zumal Bürgermeister Nico Lauxmann in Verhandlungen mit der Porsche AG steht, die in Schwieberdingen an ihrer Zukunft basteln will. In einem neuen Werk sollen Module für den ersten E-Porsche der Zuffenhausener gebaut werden.

Lauxmann, der den Bürgerentscheid ins Spiel gebracht und den festen Willen bekundet hat, gut 50 Jahre nach Bosch das nächste Weltunternehmen in Schwieberdingen zu begrüßen, sagt: „Wir wollen jetzt ein Zeichen setzen und zeigen, wie man auch schwierige Entscheidungen treffen kann.“

Vor einer Bürgerinfo Mitte April war der Andrang so groß, dass er seine Turn- und Festhalle vorzeitig schließen lassen musste – viel mehr als 650 Menschen durfte die Einrichtung nicht aufnehmen.

Derzeit zeichnen sich mit Blick auf den regionalen Gewerbeschwerpunkt drei Lager in Schwieberdingen ab.

Die Hüter der repräsentativen Demokratie. Sie befürchten chaotische Verhältnisse wie in Großbritannien nach dem Brexit. Zu ihnen gehören die FDP und der Freie Wähler Alexander Henke. „Ich halte es für einen großen Fehler, wenn der Gemeinderat die Entscheidung aus der Hand gibt“, sagt Henke. „Wir sind gewählt worden, um das Gemeinwohl im Blick zu haben.“ Er glaubt, dass bei einem Bürgerentscheid vor allem Einzelinteressen in den Vordergrund treten.

Der FDP-Fraktionschef Markus Josenhans hält das Thema für zu komplex, um es auf eine Ja-Nein-Entscheidung herunterzubrechen. „Ein Bürgerentscheid ist aus unserer Überzeugung sinnvoll, wenn sich Bürger, Verwaltung und Gemeinderat in einem nicht zu lösenden Konflikt befinden, um einen basisdemokratischen Entscheid zu erzielen“, sagt Josenhans. „Diese Situation liegt in Schwieberdingen aber nicht vor.“

Die doppelten Ja-Sager. Sie sind in Schwieberdingen in der Mehrzahl und kommen aus der CDU, SPD und von den Freien Wählern. Sie sind sowohl für den Bürgerentscheid, als auch das Gewerbegebiet, das übrigens auch die FDP und Henke wollen.

Mit Blick auf eine mögliche Porsche-Ansiedlung spricht der CDU-Fraktionschef Dieter Rommel von einer „Riesenchance. Bei einer so großen Entscheidung gehört es sich jedoch, die Bürgerschaft zu befragen“. Der Freie Wähler Rainer Widmann erhofft sich ein eindeutiges Votum, das für Akzeptanz in der Bevölkerung sorgt. Der SPD-Fraktionschef Lutz Enzensperger glaubt, dass bei einer Ablehnung des Bürgerentscheids diverse Interessengruppen sofort Unterschriften gesammelt – und so einen Volksentscheid erzwungen hätten. „Das hätte uns noch mehr Zeit und Geld gekostet.“ Die Verwaltung geht davon aus, dass der Bürgerentscheid mit rund 50.000 Euro zu Buche schlagen wird.

Die Jein-Sager sind bei den Grünen und der Aktiven Bürgergemeinschaft (ABG) zu finden. Sie sind zwar für den Bürgerentscheid, aber gegen ein neues XXL-Gewerbegebiet. „Ich will mich nicht über die Bevölkerung stellen“, sagt etwa die Grünen-Fraktionschefin Monika Birkhold. Außerdem hat sie vor, Ackerflächen und Natur zwischen Bosch und der Schnellbahntrasse zu schonen. Die ABG-Rätin Michaela Reinold sagt: „Wir setzen uns seit 2014 für Bürgerentscheide ein.“ Ihre Fraktion prophezeit, dass Schwieberdingen volle Straßen, Lärm und steigende Mieten bekommen, aber von einer Porscheansiedlung „relativ wenig“ profitieren werde.

Zu diesem Lager zählt mutmaßlich auch die IG Froschgraben-freigemessen um den Mediziner Dierk-Christian Vogt. Sie macht ausdauernd mobil gegen Atomschuttlieferungen auf die Schwieberdinger Deponie und begleitet jetzt die Porscheanfrage kritisch. Der regionale Planungsdirektor Thomas Kiwitt pries Porsche auf der Bürgerinfo jüngst als „guten Gewerbesteuerzahler“ – mit Blick auf die Deponie fügte er hinzu: „Jetzt besteht für Schwieberdingen die Chance, einen Goldfisch an Land zu ziehen und nicht nur Kröten schlucken zu müssen.“