1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Ludwigsburg
Logo

Politik
„Die CDU ist keine coole Marke mehr“

Rainer Wieland spart beim CDU-Kreisparteitag in Vaihingen nicht mit Kritik. Die Zukunft der Partei entscheide sich nicht an der Frage von Spitzenkandidaten, sondern daran, ob sich die Mitglieder an der Arbeit vor Ort beteiligten.Foto: Albert Arning
Rainer Wieland spart beim CDU-Kreisparteitag in Vaihingen nicht mit Kritik. Die Zukunft der Partei entscheide sich nicht an der Frage von Spitzenkandidaten, sondern daran, ob sich die Mitglieder an der Arbeit vor Ort beteiligten. Foto: Albert Arning
Der im Amt bestätigte Kreisvorsitzende Rainer Wieland fordert mehr Sach- und weniger Personaldebatten in seiner Partei

Vaihingen. Der alte und neue Kreisvorsitzende der Christdemokraten findet klare Worte. „Der Schlüssel für die CDU liegt in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit“, ruft Rainer Wieland am Freitagabend beim Parteitag in der Vaihinger Stadthalle den rund 200 Mitgliedern zu. „Wir müssen Volkspartei bleiben und wieder zur Erfolgspartei werden.“ Er ist hoch zufrieden damit, dass sich die CDU-Mitglieder im Kreis mit über 90 Prozent der Stimmen gegen eine Urwahl aussprechen.

Die Ergebnisse der Wahlen in den vergangenen Monaten haben geschmerzt: „Sie tun weh. Das waren Alarmzeichen“, sagt Wieland. Da ist es ein klein wenig Balsam, dass am Freitagabend ein CDU-Mann zum neuen Ludwigsburger Landrat gekürt wurde. Der künftige Kreischef Dietmar Allgaier schaut zu später Stunde auch noch in Vaihingen vorbei.

Die CDU befinde sich in einer schwierigen Lage, sei keine coole Marke mehr, bilanziert Wieland nüchtern. Sie habe sich ein Stück weit von der Bevölkerung entfernt. Die Aufbruchstimmung für Europa habe man leider nicht umgesetzt, klagt der Europapolitiker. Bei der CDU sei Europa in einer Schieflage, „vielleicht nicht hier im Kreis, aber im Land und im Bund“.

Weggeduckt habe man sich in vielen Fragen, zum Beispiel bei der Klimadiskussion. Man führe lieber Personaldiskussionen, anstatt sich um inhaltliche Fragen zu kümmern. Er persönlich werde niemanden mehr unterstützen, der das Wort Mitgliederbefragung in den Mund nehme. Das treibe die Partei nur noch weiter auseinander. „Brandgefährlich“ sei es, schon zwei Jahre vor einer Wahl zu sagen, wer Spitzenkandidat sei. Die Zukunft der Partei entscheide sich an der Frage, „ob unsere Mitglieder sich an unserer Arbeit vor Ort beteiligen“.

„Neue Wege“ will Wieland einschlagen. Wege, die von unten kommen müssten: „Wir müssen aus der Box herauskommen.“ Das Format „Unparteitage“ sieht er als ein Mittel an, das ausgebaut werden muss. Und vor allem gehe es auch darum, die digitale Präsenz zu stärken: „Da sind wir schlecht aufgestellt.“ Als Beispiel nennt Wieland das Rezo-Video vor der Europawahl („Die Zerstörung der CDU“). Man habe schlicht keine Antworten darauf gehabt.

Neue Arbeitsformen der Gremienarbeit seien außerdem notwendig. Und man müsse wieder zur Mitgliederpartei werden, etwas gegen die „ungesunde Altersverteilung tun“. Ein Ansatz ist für Wieland hier das Modell Doppelmitgliedschaft mit der Jungen Union: „Sie greift und soll ausgebaut werden.“

Unter der Versammlungsleitung von Michael Moroff (Kreisverband Böblingen) tagen die CDU-Mitglieder, eingestimmt von der Europa- und verabschiedet mit der Nationalhymne, mehr als vier Stunden. Die Rechenschaftsberichte werden kommentarlos zur Kenntnis genommen. Die finanzielle Situation wird nicht groß ausgebreitet. Es werde vorbildlich gearbeitet, versichern die Kassenprüfer.

Die Neuwahlen sind indessen ein langwieriger Prozess, denn alle Posten werden in geheimer Abstimmung und erst nach Vorstellungsreden besetzt. Rainer Wieland (62), Kreisvorsitzender seit 1993, ist einziger Kandidat für den Vorsitz. Er erhält 141 Ja-Stimmen (bei 158 abgegebenen Stimmzetteln). Neuer Stellvertreter Wielands ist neben Elke Kreiser der Landtagsabgeordnete Fabian Gramling, der für Michael Schreiber nachrückt. Konrad Epple und Manfred List gehören seit 40 Jahren der Partei an, Dieter Geiger seit 50 Jahren. Der künftige Landrat Dietmar Allgaier erhält Blumen und darf ans Mikrofon, freut sich über den „warmen Empfang“, dem man ihm in Vaihingen bereitet. Das sei ja nicht unbedingt zu erwarten gewesen, meint er mit Blick auf den ihm unterlegenen Gegenkandidaten, den Vaihinger OB Gerd Maisch.

Nach dem Gastvortrag von Prof. Dr. Mario Voigt (siehe Text links) werden die Anträge abgehandelt. Es geht unter anderem um Antisemitismus (ein klares und nachhaltiges Vorgehen wird gefordert), um mehr Verantwortung in Krisenregionen (angenommen), um die Unterstützung von pflegenden Angehörigen, um mehr Sicherheit durch weitestgehend flächendeckende Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen (angenommen) und um die Kanzlerkandidatur. Der Kreisverband lehnt die Urwahl eines Kanzlerkandidaten mit klarer Mehrheit ab. Eine Urwahl würde zu einer Spaltung der Partei führen, heißt es.

Es sollen im Kreisvorstand neue Wege zur Einbindung der Mitglieder gefunden werden. Das Thema wird beim nächsten Kreisparteitag erneut aufgegriffen. Und zum Superwahljahr 2021 werden alle übergeordneten Ebenen der CDU aufgefordert, frühzeitig die für die Basis notwendigen Konzeptionen zu erarbeiten.