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Interview
„Man spürt, dass hier etwas wächst“

Der Mundelsheimer Bürgermeister Boris Seitz ist seit über 100 Tagen im Amt und kann schon erste Erfolge vorweisen. Foto: Holm Wolschendorf
Der Mundelsheimer Bürgermeister Boris Seitz ist seit über 100 Tagen im Amt und kann schon erste Erfolge vorweisen. Foto: Holm Wolschendorf
Mehr als 100 Tage ist Mundelsheims neuer Bürgermeister Boris Seitz schon im Amt. Das ist der Zeitraum, der neuen Amtsinhabern zugestanden wird, sich einzuarbeiten. Im Interview spricht er über seine ersten Monate als Verwaltungschef, anstehende Projekte und die personelle Fluktuation im Rathaus.

Mundelsheim. Herr Seitz, Sie sind jetzt seit über 100 Tagen Bürgermeister der Gemeinde Mundelsheim. Ist der erste Schwung noch da?

Boris Seitz: Ja, klar. Der sollte auch anhalten. Es wäre schlimm, wenn er sich schon dem Ende zuneigen würde.

Wie fühlt es sich an, Bürgermeister in Ihrer Heimatkommune zu sein?

Es fühlt sich gut an. Manchmal kommt es mir sogar so vor, als wäre ich schon drei oder vier Jahre dabei, weil viel Arbeit anfällt.

Begegnen Ihnen die Menschen im Ort jetzt anders als vorher?

Nein, das möchte ich nicht sagen. Es gibt jetzt natürlich mehr Leute, die mich grüßen, aber das liegt daran, dass sie mich vorher nicht gekannt haben. Diejenigen, die mich vorher schon kannten, grüßen mich Gott sei Dank immer noch.

Was hat sich für Sie persönlich geändert, seit sie Bürgermeister sind?

Das Berufsleben hat sich geändert. Ich habe ganz andere Aufgaben als vorher. Ich war allerdings auch früher schon beruflich stark eingespannt mit langen Arbeitszeiten. In meinem persönlichen Umfeld hat sich nichts dramatisch verändert.

Ich stelle es mir als sehr komplex vor, sich in die Stelle des Bürgermeisters einzuarbeiten. Wie sind Sie das Thema angegangen?

Ich habe hier einen Stamm an Mitarbeitern angetroffen, bei denen noch viel Wissen vorhanden war, insbesondere bei Michaela Hammel vom Vorzimmer. Da wurde mir schon viel geholfen. Ich habe dabei unter anderem viele Abläufe und Aufgaben kennengelernt. Derzeit ist die Stelle im Vorzimmer unbesetzt. Da fehlt es im Moment am meisten. Allerdings haben wir mit Angelika Fink, eine Halbtagskraft aus dem Archiv ins Vorzimmer versetzt. Sie macht ihre Aufgabe sehr gut. Unsere Kämmerin Ina Grausam hat mich auch an die Hand genommen und erklärt mir viele Dinge. Eigentlich unterstützen mich alle Mitarbeiter, wo sie können.

Außer im Vorzimmer und im Hauptamt gab es auch noch einen Wechsel im Ordnungsamt.

Ja, da haben wir mit Isabel Merkle eine gute Lösung gefunden und den Wechsel inklusive Einarbeitungszeit vollzogen. Im Hauptamt hat mit Pietro Leonetti jemand die Leiterstelle übernommen, der schon in einem Hauptamt tätig war. Das Vorzimmer wird mit Melanie Bachmann besetzt, die spätestens zum 1. Juli vom Rathaus in Großbottwar zu uns wechselt. Sie hat im Mundelsheimer Rathaus gelernt und Lust, hier mitzuarbeiten. Auch sonst ist bei den Verwaltungsmitarbeitern eine tolle Bereitschaft da. Wir haben ein gutes Team, in dem jeder jeden unterstützt. Man spürt, dass hier etwas wächst.

Drei Personalwechsel an wichtigen Stellen zu einer Zeit, in der es einen neuen Bürgermeister gab. Hatte es Ihrer Meinung nach etwas mit dem Wechsel des Verwaltungschefs zu tun?

Mir wurde versichert, dass es nicht an mir lag. Dass die Vorzimmerdame und der Hauptamtsleiter gegangen sind, kann nicht mit meiner Person in Zusammenhang gebracht werden, weil die Kündigungen schon eingereicht wurden, als noch nicht feststand, wer Bürgermeister wird. Sie arbeiten jetzt – ähnlich wie die Ordnungsamtsleiterin – näher zu ihrer Heimat. Sicherlich war die Angst vor Veränderung beim einen oder anderen Mitarbeiter da. Das ist immer so, wenn es einen neuen Chef gibt. Wenn sie sich aber wegbewerben, bekommen sie auch einen neuen Chef. Der Neuanfang, den wir jetzt haben, bringt natürlich auch Chancen mit sich. Die Mitarbeiter brennen, das merkt man.

Ihr Vorgänger Holger Haist hat zuletzt immer wieder angemahnt, dass die Stellen im Rathaus nicht ausreichen.

Das kann ich erst dann besser einschätzen, wenn wir im Sommer komplett sind und Arbeitsabläufe umstrukturiert haben. Dann sehen wir, ob wir mit der Mannschaft so hinkommen oder nicht. Das Problem ist: Wenn hier zum Beispiel im Einwohnermeldeamt oder bei der Kasse jemand zwei oder drei Tage ausfällt, ist das zu kompensieren, doch über eine längere Zeit wäre das definitiv kritisch.

Kommen wir zurück zu Ihrer Einarbeitung. Haben Sie in die Themenvielfalt gut reingefunden?

Ja. Ich wurde zwar ins kalte Wasser geworfen, doch das war auch gut so. Ich bin außerdem schon so gestrickt, dass ich hier mitarbeite und nicht nur repräsentative Aufgaben wahrnehme. Dadurch kann ich einiges abfangen. Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiter auch jederzeit zu mir kommen können. Meine Tür ist immer offen.

Welche Aufgabe ist denn derzeit die wichtigste?

Die Kommunalwahl steht an. Da geht es jetzt ans Eingemachte. Wir haben deshalb in den nächsten zwei Monaten mittwochvormittags geschlossen, um die Wahl auf den Weg zu bekommen.

Und was steht kommunalpolitisch in Mundelsheim auf dem Programm?

Das Wohngebiet Seelhofen.IV beschäftigt uns jeden Tag ein Stück weit. Wir haben den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst. Außerdem wird der Neckartalradweg asphaltiert. Dafür übernimmt der Landkreis die Baukosten in Höhe von rund 115.000 Euro. Der Kindergarten Dammweg wurde erweitert. Zum Flächennutzungsplan haben wir am Wochenende eine Klausurtagung mit dem Gemeinderat. Wir müssen auch ein Vergabemodell für Seelhofen.IV erarbeiten, in dem Familien aus dem Ort bevorzugt behandelt werden sollen. Auch einen Straßennamen müssen wir uns dafür überlegen. Rathausintern stehen ebenfalls verschiedene Neuerungen an. So haben wir bereits ein zeitgemäßes Arbeitszeiterfassungssystem bestellt. Es wird auch neue PCs geben, damit wir in der EDV für die Zukunft gerüstet sind. Es ist Schwung da.

Man hört, dass Sie als neuer Bürgermeister mitunter etwas hemdsärmelig, ohne weißes Hemd und Krawatte, dafür eher locker und sportlich daherkommen.

(lacht) Ich trage doch ein Hemd, daher verstehe ich die Frage nicht. Ich würde es als bürgernah bezeichnen. Ich habe für mich beschlossen, dass ich nicht jeden Tag mit Krawatte durch die Gegend spaziere. Das ist bei anderen Kollegen ähnlich. Die starre Krawattenzeit lässt meines Erachtens allmählich nach. Es ist schon richtig, dass ich nicht ganz so steif bin. Natürlich soll man Respekt vor dem Bürgermeister haben, doch ich will auch nicht über den Leuten stehen, sondern dabei sein. Den Respekt muss man sich erarbeiten, der kommt nicht durch die Kleidung. Ich bin nicht nur Repräsentant, sondern auch Schaffer und Macher.

Wo hat Sie im Amt des Bürgermeisters die Realität schon eingeholt?

Es ist klar, dass man als Bürgermeister auch in der Kritik steht. Wir haben circa 3350 Bürger und jeden Tag hat einer davon ein Problem. Mal ist es sein persönliches Problem, mal eines der Gemeinschaft. Das gilt es zu lösen, damit möglichst alle zufrieden sind. Wir können nie alles gewähren und müssen auch mal dem einen oder anderen Bürger etwas ablehnen. Zu uns darf jeder kommen und sein Leid kundtun. Dann versuchen wir, eine Lösung zu erarbeiten.

Wir wurden per E-Mail darüber informiert, dass ein Mineralölkonzern eine Tankstelle in Autobahnnähe errichten will, aber alle Anfragen dazu von der Verwaltung ignoriert würden. Was ist dran an diesem Vorwurf?

Wir hatten diese Anfragen. Doch außer einem merkwürdigen E-Mail-Absender hatten wir keine Telefonnummer und keine Adresse. Wir haben ein paar Mal reagiert und die Anfrage irgendwann nicht mehr ernst genommen, weil sie uns nicht seriös erschien. Wenn Esso, Shell oder Avia dort etwas in der Richtung realisieren wollen, dann sollen die hier in dieses Büro kommen und mir das Projekt vorstellen. In Autobahnnähe gibt es außerdem keinen Strom, keinen Kanal und keinen Wasserzugang. Da können wir nicht einfach eine Tankstelle hinstellen.

Wie kommen Sie mit den Finanzen der Kommune klar?

Wir fahren einen Sparkurs und versuchen, die Investitionen gering zu halten. Wir haben das Ziel, die schwarze Null hinzubekommen. Wir haben die laufenden Projekte und Arbeit zu stemmen und können darüber hinaus nicht die Welt einreißen.

Wie lief für Sie die erste Sitzung im Gemeinderat?

Die geht für mich persönlich in die Geschichtsbücher des Boris Seitz ein. Wenn man die erste Gemeinderatssitzung leitet und da nicht nervös ist, lügt man. Ich habe mich vorbereitet und vorher viele Sitzungen in anderen Gemeinden angeschaut. Da gibt es ganz verschiedene Stile.

Und wie läuft die Zusammenarbeit mit dem Gremium?

Wirklich gut. Die Räte ziehen voll mit. Wir haben fast nur einstimmige Beschlüsse und lediglich hier und da mal eine Enthaltung. Wenn das so bleibt, können wir in Mundelsheim richtig etwas bewegen.

Was würden Sie denn gern als Nächstes bewegen?

Es wurde in den drei Monaten schon einiges bewegt. Wir haben zum Beispiel innerhalb kürzester Zeit das Geld für die Sanierung des Radwegs bekommen. Wir haben jetzt einen Metzgerwagen, der zweimal in der Woche auf den Marktplatz kommt. Damit wurde dem langjährigen Wunsch der Bürger nach einem Metzger Rechnung getragen. Es ist schön, zu sehen, wie sich vor dem Wagen die Schlangen bilden. Da geht mir das Herz auf. Dabei geht es in erster Linie um die Senioren, die nicht so leicht aus dem Ort rauskommen. Außerdem haben wir unser Lügenbrückle in den Weinbergen saniert. Das alles gab ein positives Feedback und motiviert, genauso weiterzumachen. Es kommen noch Dinge hinzu, doch ich möchte nicht zu viel verraten.

Hat Ihnen Ihr Vorgänger Dinge überlassen, auf die Sie hätten verzichten können?

Nein. Er hat für Mundelsheim genügend getan. Da erinnern sich manche leider nicht mehr daran. Doch jetzt ist hier eine neue Jahreszeit angebrochen. Dass jeder einen anderen Stil hat, ist normal.