1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Ludwigsburg
Logo

Natur
Nächtlicher Lauschangriff

350_0900_19106_Rebhuhnbeobachtung.jpg
Balzende Rebhühner sind vor allem nach Einbruch der Dunkelheit aktiv. Ehrenamtliche sind dann unterwegs, um sie mit Klangattrappen zu Antworten zu provozieren und zu zählen.
Auf Initiative des Nabu haben Ehrenamtliche nach Sonnenuntergang Rebhühner erfasst. Weil deren Zahlen rückläufig sind, hoffen sie auf Hilfe bei Schutzmaßnahmen.

Korntal-Münchingen. Es ist nahezu stockdunkel auf den Äckern südlich von Münchingen, nur in der Ferne leuchten die Lichter von Häusern. Regungslos steht Ronald Meinert inmitten des Feldweges, seine Hände hat er zu Muscheln geformt und an die Ohren gelegt. „Dort, Richtung Rührberg, da ist was!“, sagt er. Seine Frau Carmen stellt sich neben ihn. „Ja, ich hör’ auch was“, sagt sie, und knipst ihre Stirnlampe an. Auf einem Papier notiert sie exakt, wann, sowie wo und aus welcher Richtung etwas gehört wurde, ebenso die geschätzte Entfernung.

„Etwas“, das sind männliche Rebhühner in der üblichen Balzzeit, die rund 20 ehrenamtliche Helfer der Umweltorganisationen Nabu und BUND an jenem Abend in einer kreisweit einmaligen Aktion zu erfassen versuchen. Kein leichtes Unterfangen. Denn Autos und Lastwagen rauschen auch nach 21 Uhr noch immer laut auf der Westumfahrung vorbei, dazu hört man auch die A 81 deutlich. Wer nicht geübt ist, nimmt da nur Motorengeräusche wahr.

Doch auch die Journalistenohren erfahren an jenem Abend, wie Rebhühner klingen. Denn an jedem der zuvor genau festgelegten 18 Punkte seiner Route spielt Ronald Meinert mit seinem Smartphone eine sogenannte Klangattrappe – offizielle Methode des Ornithologenverbands – ab. Rebhähne, die in der Nähe sind, sollen dadurch zum Antworten provoziert werden. Gleich beim ersten Stopp, westlich des Kreisverkehrs der Landesstraße und der Hauptstraße, könnte das im ersten Augenblick schon erfolgreich gewesen sein.

Vielleicht aber kommen die gehörten Balzrufe auch von einem der sieben weiteren Teams, die an jenem Abend auf den von Günther Zerweck, ehemaliger Nabu-Ortsvorsitzender und Organisator der Rebhuhn-Kartierung, festgelegten Routen unterwegs sind. Die Position und die Uhrzeit des abgespielten Tons müssen deshalb genau festgehalten werden.

Zerweck wertet die Daten von insgesamt drei Abenden anschließend aus. Im März und April 2017 hatte er zum ersten Mal eine Kartierung organisiert. „Erstaunlich“ seien damals die starken Rufaktivitäten auf und um den weitgehend kahlen Strohberg zwischen Münchingen und Ditzingen und der gehörte Hahn beim Leinfelder Täle „eine positive Überraschung“ gewesen. Zehn bis zwölf Tiere verzeichnete der Nabu damals – diesmal waren es nur acht bis zehn, berichtet Zerweck hinterher. Wobei es durch die kalte Witterung Ende März für den dritten Termin im April vielleicht auch schon zu spät gewesen sein könnte, weil die meisten Tiere schon einen Partner gefunden haben. „Es müssen ja ohnehin eigentlich nur die Jungen suchen. Die Alten balzen zwar auch, aber nehmen dann doch das Weibchen vom Vorjahr“, sagt er. Doch so oder so: Nur knapp ein Dutzend Rebhühner sei nicht viel für einen Ort dieser Größe. Vor zehn oder 20 Jahren seien es sicher mehr gewesen, auch wenn die Vergleichsdaten bislang fehlten, sagt er.

Eine Einschätzung, wie sie auch Ronald Meinert trifft. Rebhühner seien landesweit am stärksten von Rückgängen betroffen, weiß er. Seit sechs Jahren verdient der Agrarwirtschaftler aus Markgröningen seinen Lebensunterhalt als Freiberufler damit, Vögel zu kartieren, seine Auftraggeber sind zumeist Kommunen und Verbände im ganzen Land. „Vögel beobachten ist seit 20 Jahren meine Leidenschaft“, sagt er. An diesem Abend ist er allerdings ehrenamtlich unterwegs – obwohl es am nächsten Morgen schon um vier Uhr los zum nächsten Auftrag geht. „Das ist eine tolle Sache, das unterstützen wir“, begründet seine Frau, die als Krankenschwester arbeitet, und ihre Freizeit am liebsten in der Natur verbringt, ihre Teilnahme an der Kartierungsaktion.

Erst neulich seien sie in der Nähe des Eichwalds bei Sachsenheim unterwegs gewesen, einst ein Ort, an dem man Rebhühner beobachten konnte – bis zur weiteren Bebauung durch Gewerbe. „Diese Reviere sind jetzt auch platt“, bedauert sie. Wie viele andere, sei es durch Neubaugebiete oder Industrie.

Das Paar ist unterdessen zum nächsten Stopp gelaufen. Ronald Meinert spielt die Klangattrappe ab, wartet, lauscht. „Es ist nicht eindeutig“, sagt er. „Das war eher nur ein Schnaufen.“ Seine Frau soll deshalb keinen Eintrag machen, denn wenig später führt die vorgegebene Route an einen Punkt, von dem aus man den möglicherweise vorhandenen und balzenden Hahn noch einmal erwischen müsste.

Doch daraus wird nichts. Immer wieder bleiben die beiden stehen, spielen die Klangattrappe ab, lauschen in die Dunkelheit. Inzwischen sind sie bei einigen Bauernhöfen angelangt. Carmen Meinert zeigt auf den Straßenrand, der sauber gemäht ist. „Ich ertappe mich auch dabei, dass ich das als schön sauber und ordentlich empfinde“, sagt sie. Doch für Insekten und Vögel sind solche kahlgeschorenen Stellen alles andere als schön. Nicht ohne Grund hätten sich Umweltverbände, die Stadt und einige Bauern für die Schaffung von Ackerrandstreifen eingesetzt.

Und auch für die Rebhühner will Zerweck mehr Hilfe. „Wir müssen versuchen, dem Rebhuhn mehr Lebensraum zu bieten. Und ihn nicht nur schützen, sondern auch fördern.“ Denkbar sei es, bestimmte Äcker auch mal für einige Monate brachliegen zu lassen, oder eine Futterstelle einzurichten. Hilfe erhofft sich Zerweck auch von Kollegen aus Fellbach, wo ebenfalls Rebhühner gezählt werden, nun mit einer erweiterten Methode, mit der man die Tiere auch sehen kann. Denn manche Rebhühner reagierten gar nicht mehr auf die Provokationen mit der Attrappe. „Das werden wir nächstes Jahr dann umsetzen“, kündigt er an. Und dann werden wieder zahlreiche Ohren in die Nacht lauschen.