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Infrastruktur
Schlagabtausch um Gewerbegebiet

Bosch ist schon mit rund 6800 Beschäftigten in Schwieberdingen, Porsche soll möglichst noch folgen: Davor müsste sich die Gemeinde aber mit rund 100 Eigentümern der angrenzenden Ackerflächen einigen. Eine gute ÖPNV-Anbindung ist hier derzeit Fehlanze
Bosch ist schon mit rund 6800 Beschäftigten in Schwieberdingen, Porsche soll möglichst noch folgen: Davor müsste sich die Gemeinde aber mit rund 100 Eigentümern der angrenzenden Ackerflächen einigen. Eine gute ÖPNV-Anbindung ist hier derzeit Fehlanzeige. Foto: privat
Der Nabu Schwieberdingen-Hemmingen diskutiert mit Skeptikern und Befürwortern eines interkommunalen Gewerbegebiets und liefert, was er verspricht: einen offenen Informationsaustausch.

Schwieberdingen. Hildegard Gölzer lebt gerne in Schwieberdingen. „Neben der Industrie und den Straßen gibt es hier eine wunderschöne Natur“, sagt die Schriftführerin des örtlichen Nabus. Sie denkt an seltene Vögel und Orchideen und an die liebliche Landschaft. Gölzer kämpft gegen den Klimawandel, das Bienensterben und tödliches Plastik im Meer. Dass junge Menschen für ihre Zukunft streiken, begleitet sie mit Wohlwollen. „Alle reden vom Umwelt- und Naturschutz“, sagt Gölzer, „und Schwieberdingen?“

Die Gemeinde hat große Pläne. In Nachbarschaft zum Automobilzulieferer Bosch soll auf 23 Hektar ein interkommunales Gewerbegebiet entwickelt werden. Prominentester Interessent: Porsche. Der Sportwagenbauer hat von Schwieberdingen aus vor, auf 15 Hektar die Produktion seines ersten E-Flitzers zu unterstützen. Am 14. Juli wird ein Bürgerentscheid Aufschluss geben, ob die bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen umgewandelt werden sollen. Darüber hinaus hat sich Bosch eine Erweiterungsfläche auf 17 Hektar gesichert. Dazu kommen fünf Hektar für heimisches Gewerbe.

Das ist die Ausgangslage in der Schwieberdinger Bruckmühle, in der der Nabu am Dienstagabend mehr als zwei Stunden lang mit Gästen und Gleichgesinnten über die Chancen und Risiken geplaudert hat. Die Rollen der Skeptiker übernehmen der Landtagsabgeordnete Markus Rösler (Grüne) und der BUND-Kreischef Stefan Flaig. „Wir lehnen weitere Gewerbegebiete ab“, sagt Flaig – insbesondere die von der Region und Planungsdirektor Thomas Kiwitt in Aussicht gestellten Gewerbeschwerpunkte, die entlang der A.81 auch in Kallenberg, Bietigheim und Tamm entstehen sollen. „Sie sind eine Bankrotterklärung und die Aufgabe des Leitgedankens Güter auf die Schiene“, sagt Flaig.

Rösler beklagt, dass bei einer Umsetzung des Schwieberdinger Areals gute Böden verlorengehen, die seiner Ansicht nach zu den besten in Deutschland gehören. Scharf kritisiert er zudem den geplanten vierspurigen Ausbau der B.10 zwischen Stuttgart, Schwieberdingen und Vaihingen sowie die Enzweihinger Ortsumfahrung. „Das muss man zusammensehen“, sagt Rösler. Er geht von Investitionen von weit mehr als 100 Millionen Euro aus, die er lieber in Bildung, Klimaschutz und ÖPNV stecken würde.

Die stellvertretenden Bürgermeister Markus Josenhans (FDP) und Heidrun Rabus (Freie Wähler) gehören dagegen zu den Verfechtern des Gewerbeschwerpunkts. Josenhans will, dass „Wohlstand in Schwieberdingen erhalten bleibt“. Er erhofft sich von einer Realisierung weitere Arbeitsplätze und höhere Steuereinnahmen. Dass sich auf dem Gelände keine unerwünschten Nutzer wie Lackierer oder Logistiker ansiedeln, will Josenhans mit einem Bebauungsplan steuern.

Rabus spricht von einem wichtigen Schritt in die Zukunft, der mit Mut, Fantasie und Einfühlungsvermögen getan werden solle. Die Freie Wählerin ist überzeugt, dass Schwieberdingen ohne weiteres Gewerbe auch keine Chance auf eine Stadtbahn haben werde.

Damit schneidet sie das Thema an, das den Menschen stark auf den Nägeln brennt: den Verkehr. „Ich fahre früh zur Arbeit, sonst stecke ich im Stau“, sagt die Naturschützerin Gölzer. Die Diskutanten in der Bruckmühle sind sich jetzt ausnahmsweise einig. Sie plädieren dafür, dass Schwieberdingen über die Strohgäubahn hinaus an die Schiene angebunden werden müsse. Die Kommunalpolitik hat sich bereits an das Stadtbahnprojekt zwischen Markgröningen und Pattonville angekoppelt. Rösler geht davon aus, dass es in „zehn plus x Jahren“ so weit für Schwieberdingen sein könne. Der Ratsherr Josenhans wünscht sich einen Ringschluss nach Zuffenhausen. Der BUND-Kreischef Flaig fordert, dass das ins Auge gefasste Gewerbegebiet zuerst einen Schienenanschluss bekommen müsse – „bevor dort überhaupt noch etwas erweitert wird, egal ob Porsche oder Bosch“.

Als sich Flaig nach der Debatte auf den Heimweg ins Bottwartal aufmacht, steigt er in sein Auto. Flaig findet das bedauerlich, doch die ÖPNV-Anbindung sei in Schwieberdingen zu schlecht.

Info: Am Donnerstag, 6. Juni, findet von 9 bis 12 und 14 bis 17 Uhr ein Informationstag zum Gewerbegebiet im Ratssaal statt.