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Stimmen zur Absage des Weihnachtsmarkts

Nach der kurzfristigen Absage des Weihnachtsmarkts dominieren Trauer, Wut und Ratlosigkeit unter den Marktbeschickern. Wir haben mit einigen von ihnen gesprochen und gefragt, wie es nun weitergeht.

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Ich bin am Ende. Es ist noch schlimmer als im vergangenen Jahr, denn wir hatten alles schon fertig, hübsch dekoriert. Lachs und Makrele für den Steckerlfisch hatten wir bereits für die Woche bestellt. Die Lachswurst, die eine Firma in Norwegen extra für uns produziert hat, kann ich nicht verkaufen. Was soll ich damit machen? Vielleicht kann ich etwas davon spenden. Darüber kann ich mir jetzt aber erst einmal keine Gedanken machen. Ich muss mich um den Abbau kümmern, danach habe ich hoffentlich den Kopf frei. Den Abbau übernehmen die Mitarbeiter, die für den Weihnachtsmarkt extra aus Polen gekommen sind. Die Reisekosten, die Wohnkosten und ihre Arbeitszeit für Auf- und Abbau bezahle ich ihnen natürlich. Aber sie hatten mit mehr gerrechnet. Ich kann ihnen gar nicht in die Augen schauen. Es ist eine Katastrophe.

Annette Nowak betreibt seit 20 Jahren den Steckerlfisch-Stand.

Foto: Holm Wolschendorf
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Schausteller kann man nicht werden, Schausteller ist man. Es ist ein harter Job, den wir machen – hier und auf dem Wasen in Stuttgart. Die Freude der Kinder ist ein toller Ausgleich. Die Freude fehlt uns. Wir können kein Geld in einem Onlineshop verdienen und auch kein Homeoffice machen. Wir haben seit zwei Jahren keine Einnahmen. Die Hilfen, die es bisher gegeben hat, reichen nicht. Unser Betrieb ist dafür zu groß. Es muss jetzt Unterstützung geben.

Willi Moser ist Schausteller und betreibt mit seiner Familie seit 1986 das Kinderkarussel und seit 1995 das Riesenrad auf dem Ludwigsburger Barock-Weihnachtsmarkt.

Foto: Holm Wolschendorf
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Jammern bringt nichts, obwohl ich auch nicht weiß, wie es weitergeht. Ich arbeite seit acht Jahren für den Aachener Anbieter. Hoffentlich kann möglichst viel Ware online verkauft werden. Ich persönlich muss vermutlich im Dezember sehen, wie ich mich durchschlage, vielleicht bleibt mir nur Hartz IV.

Melanie Skolaut, verkauft am Stand von Casa Millefiori Kerzen und Leuchtschalen

Foto: Holm Wolschendorf
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Die Absage des Ludwigsburger Barockweihnachtsmarktes am Spätnachmittag vor der geplanten Eröffnung haben wir als regelrechte Demütigung empfunden. Wir sind fassungslos über die Kurzfristigkeit.

Wir als regionale Goldschmiede haben darauf vertraut, dass der Weihnachtsmarkt dieses Jahr wieder stattfindet, denn es ist die wichtigste Umsatzzeit in unserem Geschäftsjahr.

Die erlittenen Umsatzeinbußen kann auch kein Onlineshop ersetzen. Die kurzfristige Absage hat uns daran gehindert, rechtzeitig einen Plan B wie zum Beispiel eine Verkaufsausstellung in der Werkstatt zu organisieren. Dies ist in dieser Kurzfristigkeit nun auch nicht mehr ins Leben zu rufen. Wut, Zorn, Enttäuschung, Trauer, Resignation und eine völlige Fassungslosigkeit über das Verhalten der Politik – das ist die Gefühlslage bei uns Marktbeschickern. Gesundheit vor Kommerz. Das liest sich leicht. Monatelange Arbeit und Vorbereitung, Organisieren von Personal, Bestellen von Ware, Anfertigen von hochwertigem Kunsthandwerk. Kosten für den Aufbau und nun auch den Abbau. Vorfinanzierung von Ware und Material sind umsonst gewesen.

Und nun? Nicht wenige von uns stehen kurz oder bereits in den Trümmern ihrer Existenz.

Katharina Böhm Schmuckdesignerin aus Bietigheim-Bissingen betreibt seit Jahrzehnten einen Stand.

Foto: Holm Wolschendorf
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Bei uns gibt es mundgeblasenen Weihnachtsschmuck. Da haben wir nur die Möglichkeit, unsere Ware in den vier Wochen zu verkaufen, keiner will Weihnachtsdeko im Sommer. Glas ist unheimlich schwer zu verschicken, daher bleiben wir wahrscheinlich wieder ein Jahr drauf sitzen. Zum Glück machen wir das nebenher und weil es uns am Herzen liegt, aber es ist schon ein herber Verlust. Ich komme aus Rügen, das sind allein 400 Euro Spritkosten. Eine ganze Woche fällt einfach jetzt weg mit Anfahrt, Aufbau, Deko und jetzt wieder dem Abbau und der Abreise. Immerhin kann ich jetzt über die Feiertage bei meiner Familie sein und Weihnachten mit meinen Kindern verbringen.

Martin Sklorz und Rolf Höneß sind mit ihrem Stand voller Christbaumdeko seit über 20  Jahren auf dem Weihnachtsmarkt und reisen jedes Jahr mehrere Hundert Kilometer.

Foto: Holm Wolschendorf
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Wir kommen aus Chemnitz hierher und haben das ganze Jahr für den Weihnachtsmarkt produziert. Bei uns ist alles bio, selbst gemacht und klimaneutral. Jetzt wird alles online verkauft und wir hoffen, dass es weggeht. Spenden wird mit Eierlikör schwierig. Keiner von uns hat damit gerechnet. Bis kurz davor hieß es ja, dass wir verkaufen dürfen und alles offen bleibt. Wir wären für alles bereit gewesen, sogar Tests für die Mitarbeiter haben wir hier. Wir müssen jetzt alle Standorte abbauen, hier, in Reutlingen, in Stuttgart. Ich hoffe einfach, dass es uns nächstes Jahr noch gibt, jetzt geht’s nur noch um Schadensbegrenzung und wir drücken allen Kollegen die Daumen.

Jörg Breidel kann zum zweiten Mal nicht seinen Stand von Liebelei Eierlikör auf dem Weihnachtsmarkt betreiben.

Foto: Holm Wolschendorf
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Weihnachtskarten, Bienenwachskerzen, Honigmet – meine Produkte sind für Weihnachten, die kann ich nicht zu Ostern anbieten. Seit dem Frühjahr bereite ich mich auf den Markt vor. Ich bin Rentner, das ist für meine Altersvorsorge. Nicht alles lässt sich übers Internet verkaufen, meine Wabenkerzen sind sehr empfindlich. Ich bin froh, dass ich noch einen Hänger für den Abbau bekommen habe. Wenigstens haben wir keine Frist für den Abbau bekommen. Diese Absage zieht einen ganzen Rattenschwanz hinter sich her. Meine Verkäuferinnen zum Beispiel bessern in der Vorweihnachtszeit ihre Rente auf, die sind auch sehr enttäuscht.

Jürgen Matthias

aus Vaihingen ist mit seiner Bienenwachskunst seit 1989

auf dem Barock-Weihnachtsmarkt vertreten.

Foto: Holm Wolschendorf