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HipHop4Hope
„Du gehst hin, tanzt, und die Kids verstehen das“

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Mit Hip-Hop gegen drohende Kriminalität: Der Verein HipHop4Hope rund um den Ludwigsburger Stefan Müller (siehe Foto) organisiert auf den Philippinen mehrwöchige Hip-Hop-Workshops, an denen bis zu 3000 Straßenkinder teilnehmen. Fotos: privat

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Mit dem ersten großen Hip-Hop-Workshop vor fünf Jahren erreichte der Verein HipHop4Hope rund um den Ludwigsburger Stefan Müller weit über 1000 Straßenkinder in den philippinischen Slums. Damit hätte der Student nicht gerechnet. Seither organisiert der Verein jährlich große Events in der Hauptstadt Manila. Das Ziel: Straßenkultur anstatt Straßengewalt. Drei der Kinder haben sich nun sogar für die Hip-Hop-Olympiade in Japan 2020 qualifiziert. Für Stefan Müller ist das Projekt aber noch lange nicht ausgeschöpft.

Ludwigsburg/Manila. Der Boden ist übersät mit Scherben, Knochen und Dreck. Hier mitten im Slum in der Hauptstadt Manila leben die Ärmsten der Filipinos. Wie will man unter diesen Umständen den Straßenkindern Hip-Hop unterrichten? „Die Leute wurden schon längst aufgegeben. Deshalb wollten wir genau dort hin. Mitten in den Slum“, erzählt Stefan Müller. Seine Mission: den Kids Hip-Hop nahebringen.
Die Idee dazu hatte er im Jahr 2013, als er auf den Philippinen Urlaub machte und Jugendliche beobachtete, wie sie zu Musik tanzten. „Sie haben sich einfach nach Gefühl bewegt, ohne Moves“, berichtet Müller. Er erinnerte sich an seine eigene Jugend zurück in Freiburg, seiner Heimat. Dort hatte er mit 18 Jahren anfangen, intensiv Breakdance zu üben in einem Jugendzentrum. „Es lag in einem sozial schwachen Viertel mit vielen Problemkids“, sagt er. Und die trainierten plötzlich alle mit. „Es waren 60 bis 70 Leute jedes Mal im Trainingsraum.“ Er konnte beobachten, wie das Tanzen einen positiven Einfluss auf die Kids hatte. „Den jungen Leuten fehlte die Zeit, Blödsinn zu machen. Es hat mich inspiriert. Hip-Hop ist voll was Gutes für Jugendliche. Und kommt cool an.“
An diese Zeit in Freiburg dachte er nun. Auf den Philippinen hat es auch viele Problemkids, Straßenkinder, und einen hohen Drogenkonsum. „Gleichzeitig ist die Jugend sehr musikbezogen. Sie singen gerne Karaoke und tanzen“, sagt Stefan Müller. Wenn er den Jugendlichen in Freiburg helfen konnte, warum dann nicht auch diesen Kids?
Zurück in Deutschland googelte er sofort nach Hilfsorganisationen und stieß auf den Verein Onesimo, der sich für die Jugendlichen in Manilas Armenvierteln einsetzt. Dort fand Stefan Müller die richtige Unterstützung, um seine Idee in die Tat umzusetzen. 2014 fand der erste Testlauf des neu gegründeten Vereins HipHop4Hope statt. „Wir hatten zwei Profitänzer dabei und gingen mitten in den Slum“, erzählt der Vorsitzende Müller. Er und seine Mitstreiter stellten eine große Musikanlage auf. Und fingen einfach an, mittendrin, zwischen Schmutz und Scherben, zu tanzen. Es dauerte nicht lange, bis sich junge Leute darum scharten und es auch ausprobieren wollten. „Wir haben mit dieser ersten Aktion gleich mehr als 1000 Kinder erreicht“, erzählt der 30-Jährige stolz.
Das Projekt war ein Erfolg. Dem Studenten und seinem Team war es auch wichtig, sich mit lokalen Tänzern zusammenzuschließen. „Zum einen aufgrund der Sprachbarriere, zum anderen, um den Kids zu zeigen, dass auch ihre Landsleute Hip-Hop können.“ Gemeinsam mit Profitänzern auf Champions-League-Level aus Deutschland, Frankreich und den USA kamen die paar Mitglieder des Vereins HipHop4Hope ein Jahr später erneut auf die Philippinen. „Die Künstler kamen alle auf eigene Kosten vier Wochen mit“, sagt Müller. Und das Team lebte nicht etwa im Hotel, sondern übernachtete dort, wo die armen Filipinos leben: auf einem Friedhof-Slum. In den vier Wochen unterrichteten Artisten, Tänzer und Künstler 2000 bis 3000 Kids in Hip-Hop, Rap, DJ und Graffiti. Mit Bussen wurden die Kinder zu Events gefahren. „Jeder junge Mensch, der eine Dance-Crew gründet anstatt eine kriminelle Bande, ist es wert“, zitiert der 30-Jährige die Philosophie des Vereins.
Für Stefan Müller ist gleichzeitig klar: „Es wäre schade, wenn es nur ein Bespaßungsprogramm ist.“ Deshalb half der Verein auch dabei, eigene Dance-Crews aufzubauen und an Wettkämpfen teilzunehmen. „Wir haben den Tänzern PVC-Böden gekauft, damit sie Power-Moves üben können“, sagt der Ludwigsburger. Auch große Musikanlagen verteilten sie, damit sie nicht mehr nur zu Musik aus dem Handy üben. Darüber hinaus helfen sie, Flüge zu bezahlen und Reisepässe zu organisieren, wenn die Tänzer international auftreten. Voller Stolz erzählt der Student: „Drei der Kids aus dem ersten Workshop haben sich sogar für die Olympischen Spiele 2020 qualifiziert. Sie repräsentieren die Philippinen in Japan. Das macht uns sehr stolz.“
Im Oktober wird Müller wieder auf den Inseln im Westpazifik sein. Dann mit den Flying Steps. „Es wird wieder ein großes Programm mit zweiwöchigem Workshop geben.“ Dabei können die Nachwuchstalente Tickets für große internationale Events gewinnen.
Ein weiterer Erfolg für den Verein: Letztes Jahr durfte das Team das Projekt den Vereinten Nationen in Genf vorstellen. Der Vereinskollege und Hip-Hop-Tänzer Islam Seddiki hat zudem das Projekt in Freiburg mit Flüchtlingen umgesetzt. Sie konnten vor Tausenden Leuten auftreten. Es ist ein zweiter Auftritt geplant, erzählt Stefan Müller.
Alles, was bisher passiert ist in Freiburg und in Manila, wurde mit Charity-Veranstaltungen und Shirt-Verkäufen finanziert. Bei Kooperationen mit Firmen ist der Verein vorsichtig. „Wir versuchen lieber, mehr Spenden zu bekommen“, sagt der Student. „Mein Traum ist es, einen prominenten Rapper zu finden, der uns finanziell unterstützt.“
Gleichzeitig ist es für ihn ein Vollzeitjob. Doch im vergangenen Jahr hatte der 30-Jährige wenig Zeit für das Projekt, da sein Diplomjahr begann. Er studiert an der Filmakademie Regie. Seine Begeisterung für die Philippinen lässt ihn aber auch im Studium nicht los. Sein Diplomfilm handelt von dem Drogenkrieg auf den Philippinen. Das Filmprojekt begleitet den Anwalt, der den ersten Fall im Drogenkrieg vor Gericht gebracht hat.
Selbst zum Tanzen kommt Müller nur noch selten. „Das ist aber okay für mich“, sagt er. „Ich habe meine Rolle in der Hip-Hop-Welt gefunden. Als Hip-Hop-Aktivist will ich die positiven Werte des Hip-Hops voranbringen.“ Sein Wunsch ist es, nach dem Studium eine Filmproduktion aufzubauen und nebenher genügend Zeit für HipHop4Hope zu haben. „Unsere Vision ist es, verschiedene Länder mit im Boot zu haben. Dafür fehlt uns derzeit die finanzielle Förderung.“ Dabei gibt es genügend Anfragen. „Leute aus unterschiedlichsten Ländern etwa aus Jordanien, Indien und Kolumbien haben uns kontaktiert, die das Projekt toll finden und in ihrem Land mit unserer Hilfe aufbauen wollen“, erzählt Müller. Er brennt dafür. Denn mit Tanz kann man sich überall verständigen. „Du gehst da hin, tanzt, und die Kids verstehen das. Weltweit.“

Internet: www.hiphop4hope.com