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„Integration ist eine zweiseitige Sache“

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Ludwigsburg. Die Grünen fordern ein Einwanderungsgesetz. Warum?

Weil wir einerseits einen großen Fachkräftebedarf haben und andererseits eine älter werdende Gesellschaft. Wir erhoffen uns von Migranten, dass sie einen Beitrag zur Stärkung unserer Gesellschaft leisten.

 

Welche Kriterien soll es geben?

Zunächst die persönlichen Fähigkeiten, zum Beispiel Deutschkenntnisse, Schulaustausch, Studienaufenthalte. Dann kommt es natürlich auf die berufliche Qualifikation an und auf die Frage, in welchen Bereichen wir Fachkräfte brauchen. Damit gibt es eine faire Möglichkeit, Einwanderung zu gestalten.

 

Wie hoch soll die Quote sein?

Das wollen wir flexibel handhaben, angepasst an den Bedarf bei uns. Wir können aber auch das Asylsystem entlasten: Wenn wir eine reelle Chance auf Einwanderung nach Deutschland schaffen, lässt hier der Druck nach.

 

Sind Quoten auch in Bezug auf Kulturkreise geplant?

Nein. Unsere Stärke ist unsere vielfältige Gesellschaft. Die allermeisten Einwanderer respektieren unser Wertesystem, wie es in unserem Grundgesetz verankert ist. Das ist das Band, das unsere Gesellschaft zusammenhält. Damit können auch verschiedene Religionen in Deutschland gut zusammenleben.

 

Sie treten für ein uneingeschränktes Asylrecht ein. Wie wollen Sie Situationen vermeiden, wie wir sie 2015/16 hatten?

Wir wollen ein faires, rechtsstaatliches und auch schnelles Asylverfahren. Das Recht auf Einzelfallprüfung ist eine Stärke, gleichzeitig aber eine Herausforderung. Durch straffe Verfahren kann man schnell klarstellen, ob Menschen einen Anspruch darauf haben hierzubleiben, oder ob sie wieder gehen müssen.

 

Sehen Sie rechtlichen Handlungsbedarf, weil sich die Verfahren – auch durch Klagen – lange hinziehen?

Juristisch gesehen ist das Asylverfahren bereits seit den 90er Jahren extrem eingeschränkt worden – sowohl was Klagefristen, als auch, was den Instanzenweg angeht. Insofern ist das Verfahren also bereits sehr beschleunigt.

 

Auf europäischer Ebene sind jetzt von der UN geführte Zentren in Nordafrika im Gespräch. Was sagen Sie dazu?

Ich kann natürlich verstehen, dass die Ankunftsländer Italien und Spanien ein großes Bedürfnis haben, endlich zu einer Regelung zu kommen. Ich würde mir auch deutlich mehr europäische Solidarität wünschen, was die Aufnahme von Flüchtlingen anbelangt. Was ich aber hochproblematisch finde, ist eine Kooperation mit Staaten wie Libyen, Tschad und Niger. Libyen hat keine handlungsfähige Regierung, dort sind Milizen an der Macht, es gibt extreme Menschenrechtsverletzungen. Das wäre für mich eine Kapitulation Europas. Wir verraten unsere Werte, wenn wir die Prüfung der Asylberechtigung in Länder wie Tschad und Niger verlagern, denen Amnesty International selbst massive Menschenrechtsverletzungen zur Last legt.

 

Im Wahlprogramm fordern die Grünen aber selbst eine Kontrolle der EU-Außengrenzen und legale Fluchtwege.

Wo es geordnete Strukturen gibt, wie etwa im Libanon, kann ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen. Dort kommt ein geflüchteter Mensch auf drei Einwohner, in Deutschland ist es einer auf 80 Einwohner! Da muss man helfen und unterstützen. Und dann ist es sinnvoll, das Resettlement-Programm der UN-Flüchtlingshilfe zu stärken, hinter dem die Idee steckt, mit Kontingenten sichere Fluchtwege zu gewährleisten, um die lebensgefährlichen Routen durch die Wüste und übers Mittelmeer zu vermeiden.

 

Wie soll es nach der Flüchtlingsaufnahme weitergehen?

Es ist wichtig, dass die Menschen vom ersten Tag an integriert werden, also einen Sprachkurs bekommen. Da hakt es im Moment stark. Für bestimmte Gruppen gibt es von Anfang an Integrationskurse, für andere – etwa für Afghanen – erst nach einer gewissen Zeit. Wir brauchen sie aber für alle Neuankommenden von Anfang an. Auch die Möglichkeit zum Arbeiten ist wichtig. Derzeit gibt es unterschiedliche Entscheidungen in einzelnen Behörden. Das ist ein Problem für die Betroffenen, für die Wirtschaft und natürlich auch für die Steuerzahler. Denn wir alle finanzieren die Sozialleistungen, die die Menschen brauchen, wenn sie nicht arbeiten dürfen. Da muss dringend nachgebessert werden.

 

Seit der Silvesternacht in Köln sind die kritischen Stimmen zu Flüchtlingen lauter geworden. Wie gehen Sie damit um?

Es ist völlig klar, dass Gewalt gegen Mädchen, Frauen, Kinder, aber auch Männer gar nicht geht – egal, von wem sie ausgeht. Wir brauchen eine gute Präventionsarbeit, die Vermittlung unserer Werte und auch ausreichend Polizeikräfte, die vorbeugend und strafverfolgend tätig werden können. Die Statistiken geben aber, was Kriminalität von Flüchtlingen angeht, keine besonderen Ausschläge her. Überdurchschnittliche Werte gibt es nur bei Delikten wie Schwarzfahren, einfachen Diebstählen oder Urkundenfälschung.

 

Wie kann Integration gelingen?

Ich erwarte von den Menschen, die zu uns kommen, dass sie sich an unsere Grundwerte und Grundregeln halten. Viele kommen ja auch gerade deshalb in den Sehnsuchtsort Europa, weil sie hier nicht nur besser, sondern auch freier leben können. Auf der anderen Seite finde ich es wichtig, dass die hier lebenden Menschen diese Aufgabe anpacken. Integration ist eine zweiseitige Sache.