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„Wer selbstbewusst fährt, fährt auch sicher“

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Ludwigsburg. Wie sind Sie aufs Rad gekommen?

Albrecht Kurz: Ich hatte früher drei Kilometer Schulweg, da bin ich immer mit dem Fahrrad gefahren – auch im Winter. Weil das Fahrrad einem die Freiheit gibt, zu fahren, wann man will und wie man will, man ist nicht auf Bus oder das Elterntaxi angewiesen. Dann hab ich bewusst keinen Führerschein gemacht, den besitze ich erst seit zehn, elf Jahren. Ich hatte also keine Chance, Auto zu fahren, und bin nie vom Rad weggekommen.

 

Sie fahren täglich Rad?

Ja – zur Arbeit sind es drei Kilometer. Und wenn etwas in der Stadt oder auch außerhalb zu tun ist, dann radele ich.

 

Wie viele Kilometer kommen da so zusammen?

Dadurch, dass der Arbeitsweg so kurz ist, ist es keine besonders hohe Fahrleistung. Ich schätze mal, so um die 5000 Kilometer im Jahr. Aber da ist dann auch einiges in der Freizeit dabei, wie etwa Radtouren.

Drei Kilometer – das ist eine Distanz, die man auch zu Fuß gehen könnte.

Damit hab‘ ich’s nicht so. Ich bin schon früher selbst 200 Meter zum Doktor lieber mit dem Rad gefahren. Mein Fahrrad steht immer bereit.

 

Was ist für Sie das Schöne am Fahrradfahren?

Da gibt es verschiedene Aspekte: die Natur, das Draußensein – das ist auch Erholung und Abschalten. Aber es geht auch um ganz Praktisches: Wenn ich selten einmal mit dem Firmenwagen ins Büro fahre und im Stau stehen muss – ich kann mir wirklich nicht vorstellen, das jeden Tag zu machen.

 

Viele sagen, ich würde gern radeln, wenn nur das Wetter nicht wäre. Was entgegnen Sie als Ganzjahresradler?

Es regnet erstaunlich wenig. Und wenn, dann kommt es auf vernünftige Kleidung an. Ich fahre dann eben mit dem Regenponcho, da kann man problemlos auch ein Jackett drunter tragen. Das Wetter macht also viel weniger aus, als man denkt. Im Winter ist es etwas anders: Glatteis ist nicht jedermanns Sache, da kommt es auf Übung an. Und man kann sich mit Spikes dagegen wappnen.

 

Bis zu welcher Distanz halten Sie es für realistisch, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren?

Natürlich gibt es Radler, die fahren täglich von Bietigheim nach Feuerbach. Die sehen das als Sport, die sparen sich das Fitnessstudio. Persönlich halte ich mit einem normalen Rad bis zu zehn Kilometer gut für machbar. Mit Pedelecs kann man natürlich auch größere Entfernungen gut schaffen, zumal man dann entspannt und nicht so verschwitzt ankommt.

 

Naturerlebnis, Fitness – womit punktet Radfahren noch?

Ein Vorteil ist natürlich die Berechenbarkeit. Ich weiß immer, wann ich ankomme. Wenn ich zu spät komme, dann bin ich selber schuld, ich habe keinen Stau als Ausrede.

 

Räder gibt es unheimlich viele, vom Hollandrad übers Mountainbike bis zum Liegerad. Was ist Ihr Favorit?

Da bin ich sehr puritanisch. Ich hab‘ ein Rad, mit dem fahre ich alles. Das ist ein Trekkingrad, mit dem ich gut im Stadtverkehr, aber auch Touren fahren kann. Aber ein Liegerad ist auch sehr interessant, das hab‘ ich schon einmal ausprobiert.

 

Was ist am Liegerad der Reiz?

Man sitzt sehr bequem, man hat keinerlei drückenden Sattel, das ist entspannend und macht einfach Spaß.

 

Ab welcher Distanz steigen Sie vom Rad ab und nutzen Zug oder Auto?

Es kommt immer auf den Anlass an und auf den Zustand, in dem man ankommen will. Zehn Kilometer sind wirklich kein Problem, das kann man immer radeln. Bei 20 oder 25 Kilometern, da muss man schauen, ob man das zeitlich noch hinbekommt.

 

Nehmen Sie das Rad auch öfter mal im Zug mit?

Ja, das mach’ ich häufig. Die kostenlose Fahrradmitnahme hier im VVS-Gebiet ist wirklich ein Gewinn – wenn die Züge pünktlich fahren und wenn man weiß, ob das Fahrradabteil vorn oder hinten im Zug ist.

 

Wie sieht es mit Einkäufen aus?

Wir haben einen Fahrradanhänger, das ist kein Problem. Man muss dann halt mehr in die Pedale steigen.

 

Wie stehen Sie zur Helmpflicht?

Ich setze selber konsequent einen Helm auf nach einem einschneidenden Erlebnis: Mein Schwager würde noch leben, wenn er einen Helm getragen hätte. Trotzdem bin ich gegen eine Helmpflicht. Ich denke, es ist sinnvoller, mehr Radler auf die Straße zu bringen, damit die Autofahrer öfter mit ihnen rechnen müssen. Das bringt auch einen Sicherheitsgewinn. Ich will die Leute aufs Rad kriegen und nicht durch eine Helmpflicht abschrecken.

 

Was nervt Sie am meisten beim Radeln?

Radwege, auf die man gelotst wird, und die dann unvermittelt aufhören.

 

Gibt es Situationen, wo Ihnen so richtig mulmig wird?

Eigentlich nicht mehr. Ich behaupte, wenn man gewisse Regeln einhält, entsprechend selbstbewusst fährt, kommt man sicher überall hin. Deswegen bieten wir vom ADFC jetzt auch jeden letzten Freitagabend im Monat eine Tour mit Tipps für sicheres Radfahren an: Wie verhalte ich mich so, dass der Autofahrer mich sieht und mich respektiert, und wo bremse ich lieber? Es gibt schon Stellen, da muss man sich als Radler zurücknehmen und im Zweifel nicht auf die eigene Vorfahrt bestehen, sondern lieber bremsen.

 

Der Gegensatz Autofahrer–Radfahrer ist immer wieder ein Thema. Welchen Eindruck haben Sie?

Das wird meinem Eindruck nach immer wieder hochstilisiert. Natürlich haben wir unsere Konflikte, es werden Radwege zugeparkt oder es wird die Vorfahrt missachtet. Und es gibt Autofahrer, die fahren zu dicht an einem vorbei. Aber die Mehrzahl fährt meiner Ansicht nach rücksichtsvoll. Und auch nicht jeder Radler ist ein Musterknabe.

 

Viele Erwachsene etwa radeln entgegen der Vorschriften auf dem Gehweg…

Da geht es um die subjektive Sicherheit: Die Radler denken, sie fahren auf dem Gehweg sicherer als auf der Straße. Dagegen wollen wir als ADFC ankämpfen. Denn damit provozieren sie Konflikte mit Fußgängern, die unnötig sind. Wenn ich selbstbewusst auf der Straße radle, dann sieht mich der Autofahrer. Dagegen gibt es auf jedem Gehweg Ausfahrten oder es kommt unvermittelt ein Fußgänger aus dem Gartentor. Eigentlich ist es in der Straßenverkehrsordnung klar geregelt: Ab zehn Jahren muss jeder die Fahrbahn benutzen. Da ist wohl noch Aufklärungsarbeit nötig.

 

Ein farblich markierter Streifen auf der Fahrbahn oder ein mit Bordsteinkante getrennter Radweg – was ist die sinnvollere Lösung?

Das ist immer situationsabhängig. Bei engen Straßen bekommt man oft nicht zwei ausreichend breite Radwege auf beiden Seiten hin. Dann ist der markierte Schutzstreifen eine sehr gute Lösung. Darauf ist man auch als Radler sichtbar für die Autofahrer. Die optische Einengung der Fahrbahn führt außerdem dazu, dass die Autofahrer langsamer fahren.

 

Werden Pedelecs und E-Bikes die Verkehrswelt verändern?

Gerade für den Berufsverkehr gibt es da ein großes Potenzial – zumal im Zusammenhang mit den verstopften Straßen und der allgemeinen Verbesserung der Radinfrastruktur.

 

Wie sieht Ihre Utopie einer schönen neuen Radlerwelt aus?

Mit Utopien tu’ ich mich schwer, ich bin eher den praktischen Details verhaftet. Früher einmal hatte ich schon den Traum von einer autofreien Gesellschaft – das ist lang, lang her. Man muss mit der Realität leben, und man braucht selber hin und wieder ja auch einmal ein Auto. Aber dass es noch viel Potenzial gibt, um den Umstieg auf umweltfreundlichen Verkehr, auf Fahrradverkehr, zu schaffen, das ist klar. Das Ziel der Landesregierung, den Fahrradanteil am Verkehr bis 2030 auf 20 Prozent zu steigern, ist ja schon fast eine Utopie.

 

Wo sehen Sie einen Ansatzpunkt?

Viele Leute fahren schon wegen fünf Kilometern mit dem Auto und gehen dann abends noch joggen oder ins Fitnessstudio. An sie müsste man rankommen. Da gibt es ein großes Potenzial: Würden die alle aufs Rad umsteigen, würde das dem Feinstaubproblem, dem Klima und der eigenen Lebensqualität guttun.