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Barde auf dem Trampolin

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Weltschmerz und Witze: Svavar Knutur im Kronekeller.Foto: Holm Wolschendorf
Ludwigsburg. „Hat jemand Lust auf ein paar isländische Partyspiele?“, fragt der nicht mehr ganz junge Mann mit dem etwas zu knapp sitzenden Tweedanzug und passender Fliege auf Englisch, während er schelmisch grinsend auf die Rolle schwarzes Klebeband in seiner Hand deutet. Schallendes Gelächter dröhnt durch den Kronekeller. Ausverkauft die kleine, aber feine Konzertlocation im Untergeschoss der Krone Alt-Hoheneck beim Saisonauftakt der Fetzerei – 90 Besucherinnen und Besucher füllen die Reihen an den Tischen und Bänken. Die meisten von ihnen sind Fans. Denn der isländische Singer/Songwriter Svavar Knutur ist so etwas wie ein Star, oder zumindest wäre er das, gäbe es auch nur annäherungsweise eine Proportionalität zwischen Popularität und außergewöhnlichem Talent.
Ludwigsburg. So aber muss Knutur ein mittlerweile allerdings recht bekannter Geheimtipp bleiben, von vielen namhaften Kollegen in Interviews gefeiert, Insidern aller Art und Couleur ein fester Begriff. Auch im Kronekeller war der bärtige Barde schon mal zu Gast, zuletzt bogen sich die Balken unter den rabenschwarzen Lachsalven ob seines Weihnachtsprogramms im Dezember 2016. Denn Knutur ist nicht nur ein begnadeter Interpret seiner meisterlichen, regelmäßig Vorbildern wie den Beatles, Nick Drake, Kris Kristofferson oder auch Bonnie „Prince“ Billy würdigen Songs, bei dem Gesang und Spiel auf der Akustikgitarre, manchmal auch der Ukulele, eine Beziehung eingehen, die nur selten die Form einer derart glücklichen und beglückenden Symbiose annimmt, sondern auch ein geborener Entertainer.

Die freien Schwadronagen, die er zwischen den Stücken einflicht, sind gut einstudiert und elementarer Bestandteil eines Knutur-Konzerts. Das dramaturgische Konzept einer solchen Show illustriert er mit dem Bild eines Trampolins: Immer rauf, um dann wieder umso tiefer runterzufallen – ungefähr wie eine manische Depression. Naheliegend, dass ihm die deutschen Wörter Weltschmerz, Waldeinsamkeit und Wanderlust so gefallen haben, dass er sogar eine EP danach benannt hat. Daneben entwickelt Knutur, der sich auch gerne als der „Brokkoli im Garten der Musik“ bezeichnet, im Vorbeigehen eine Typologie skandinavischer Sprachidentitäten („Schwedisch klingt am schwulsten – da haben selbst die Motorräder einen kindisch hüpfenden Akzent“) und Nationalcharaktere („Was ist der Unterschied zwischen einem intro- und einem extrovertierten Finnen? Der introvertierte Finne starrt beim Sprechen auf seine Füße, der extrovertierte auf Deine!“), erzählt von den Schwierigkeiten von isländischer Teenagern, sich beim Spazierengehen näherzukommen und erklärt das Stockholm-Syndrom. Unerwartet, aber mit nicht wenig Realitätssinn und Verweis auf das US-amerikanische Schienenverkehrswesen kommt seine Ehrenrettung der Deutschen Bahn: „Ihr habt das beste Eisenbahnnetz der Welt und jammert über 20 Minuten Verspätung!“

Neben Songs seiner vier Alben, unter denen „The Curtain“, „While The World Burns“ und insbesondere „Girl From Vancouver“ nochmals herausstachen, stellte er auch einige Titel seines neuen Longplayers „my goodbye lovelies“ vor. Mit „Here Comes The Hurting“ rechne er sich Chancen als Erkennungsmelodie für die TV-Serie von „50 Shades of Gray“ aus.

Und in der Tat: Während man sonst eher an Tim Buckley denkt, fragt man sich plötzlich, ob Rick Rubin hier schon auf der Lauer liegt. Fabelhaft schließlich die Verbeugungen der Zugaben: Nach Coverversionen von Annie Lennox und Tom Waits singen schließlich alle gemeinsam Daniel Johnstons „True Love Will Find You In The End“. Selten schön.

Info: Am kommenden Donnerstag, 21. September, um 20.30 Uhr tritt die serbische Band Naked im Kronekeller auf. Weitere Infos gibt es unter www.krone-alt-hoheneck.de.