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Mit Gedichten und Musik längs der Grenzen des Seins

Einen zeitgenössischen Lieder- und Rezitationsabend hat die Haake-Stiftung mit ihrer Programmreihe ins Schlosstheater gebracht.

Ludwigsburg. Es ist immer wieder erstaunlich, was für klug und anspruchsvoll zusammengestellte Programme die von der Haake-Stiftung geförderten Künstler nach Ludwigsburg bringen. Im Schlosstheater nahmen der Sänger Pascal Zurek, die Pianistin Emese Tóth und die Rezitatorin Maren Ulrich ihre Zuhörer mit auf eine imaginäre Reise in Welten der Poesie, der Einsamkeit, des Existentiellen und Unbewussten.

Pascal Zurek, der einen Teil seiner Musikstudien in Schweden absolvierte und derzeit an der Stuttgarter Musikhochschule Operngesang und Sprechkunst studiert, hat dem musikalisch-literarischen Programm den Titel „Polkappe“ gegeben: ein bildhafter Verweis auf die ästhetische und gedankliche Vielschichtigkeit dieses Abends.

Die „Songs of Travel“ des britischen Komponisten Ralph Vaughan Williams wechselten mit Hölderlin-Vertonungen aus dem 20. Jahrhundert, und dazwischen gab es auch noch Gedichte von Rilke, Marie-Luise Kaschnitz, Eva Strittmatter und dem schwedischen Literaturnobelpreisträger Tomas Tranströmer zu hören. Besonders die assoziationsreichen Texte Tranströmers korrespondierten mit den Kompositionen eines Wolfgang Fortner, Hermann Reutter oder Wolfgang Rihm. „Die Steine, die wir geworfen, höre ich / fallen, glasklar durch die Jahre. Im Tal / fliegen die verworrenen Handlungen / des Augenblicks schreiend von / Wipfel zu Wipfel…“ So beginnt Tomas Tranströmers Gedicht „Stenarna“ (Die Steine), welches von Pascal Zurek zunächst auf Schwedisch, dann von Maren Ulrich in deutscher Übersetzung vorgetragen wird.

Auch die Hölderlin-Fragmente Wolfgang Rihms sind charakteristisch erfasst, nur manchmal forciert der Sänger bis zum Extrem, sein Pathos wirkt dann grobschlächtig. Emese Tóth als Liedbegleiterin bringt die verschiedenen musikalischen Sprachen der Kunstlieder wunderbar differenziert zum Ausdruck: die romantische Farbigkeit der „Songs of Travel“ genauso wie die Lakonie und Expressivität eines Wolfgang Rihm.

In „Hyperions Schicksalslied“ von Hölderlin konfrontiert das lyrische Ich die Götter als „selige Genien“ mit dem Leid der Menschen: „Wie Wasser von Klippe zu Klippe geworfen / Jahr lang ins Ungewisse hinab“ wird ihre Existenz bildhaft dargestellt. Dem entspricht auch das Ende von Tranströmers Gedicht von den Steinen: „… bis sie die äußersten Plateaus erreicht haben / längs der Grenze des Seins. Dort fallen / all unsre Taten / glasklar / auf keinen andern Boden / als uns selbst.“ Viele solcher literarischer und musikalischer Bezüge enthielt der Abend mit Zurek, Tóth und der ihre Texte souverän gestaltenden Maren Ulrich im Schlosstheater. Ein Erlebnis!