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Am Sonntag entscheiden die Bürger selbst

Symbolbild: Zerbor - stock.adobe.com
Symbolbild: Zerbor - stock.adobe.com
Jahrzehnte wird schon diskutiert und untersucht, ob und wie eine zweite Neckarquerung die innerörtlichen Remsecker Verkehrsprobleme lösen oder zumindest lindern kann. Der Bürgerentscheid am kommenden Sonntag soll endlich Klarheit bringen, wie es weitergeht. Abgestimmt wird über den Bau der Westrandbrücke.

REMSECK. Die Neue Mitte: Der Reformkommune Remseck mangelt es bisher an einem Zentrum. Diese Neue Mitte soll in den kommenden Jahren in drei Teilabschnitten entstehen. Am Zusammenfluss von Neckar und Rems wurde jetzt der Anfang gemacht. Ein neues Rathaus, eine Stadthalle und eine Mediathek sind gebaut, ein Marktplatz wird bis zum kommenden Frühjahr angelegt. Direkt an diesem Neubauten vorbei und über die dortige Neckarbrücke quälen sich täglich über 34000 Fahrzeuge, davon rund 3500 schwere Lastwagen. Dieser Verkehr soll verlagert werden, die Brücke am Rathaus künftig Fußgängern, Radlern und Bussen vorbehalten sein. In der Neuen Mitte, wo sich auch die Endhaltestelle der Stadtbahnlinie12 und der Busbahnhof befinden, sind in den weiteren Bauabschnitten Wohnhäuser, Gastronomiebetriebe und Geschäfte geplant. Das Zentrum soll autofrei sein.

Die Westrandbrücke: Bei der Planungsvariante, die dem Bürgerentscheid zugrunde liegt, hat die Westrandbrücke zwei Fahrspuren. Die neue Straße verläuft von Ludwigsburg kommend ab der Kreuzung der Landstraßen1140 und 1100 westlich der jetzigen L1100 entlang von Neckargröningen. Sie führt die von Stuttgart kommende L1100 unter der Westranstraße durch, macht einen Bogen und wird weiter nördlich an die neue Trasse angebunden. Auf der Meslay-du-Maine-Straße soll eine Durchfahrt bis nach Neckargröningen möglich sein. Das Haus der Jugend sowie die Gemeindehalle Neckargröningen sollen an ihrem jetzigen Standort bleiben. Nach den aktuellen Planungen können Radfahrer vom Busbahnhof aus direkt in Richtung Aldingen und zum Lise-Meitner-Gymnasium fahren. Die Busse sollen vom Bahnhof aus einen direkten Anschluss an die Meslay-du-Maine-Straße und die Remstalstraße erhalten. Alle Knotenpunkte der neuen Straße sollen den Qualitätsstandard D erhalten. Das bedeutet: Verkehrsteilnehmer können spätestens mit der zweiten Ampelphase die Kreuzung queren. Einen konkreten Kosten- und Zeitplan gibt es noch nicht. Das Land Baden-Württemberg und die Stadt Remseck haben sich allerdings darauf geeinigt, dass das Land 75 Prozent der Kosten übernimmt, die Stadt 25 Prozent. Dazu gehören nach Informationen von Bürgermeisterin Birgit Priebe nicht nur der Brücken-, sondern auch der Straßenbau sowie der Lärmschutz, der Grunderwerb und die Ausgleichsmaßnahmen.

Argumente der Befürworter: Die Befürworter der Westrandbrücke, zu denen die Stadt Remseck und die Bürgerinitiative „Pro Westrandbrücke“ zählen, gehen davon aus, dass über die neue Neckarquerung der Verkehr besser fließt, weil Knotenpunkte entzerrt werden. Flüssiger Verkehr bewirkt ihren Argumenten zufolge eine Reduzierung der Lärm- und Abgasbelastung und verringert zudem den aktuell oft heftigen Schleichverkehr in den Stadtteilen. Die neue Brücke verstehen sie nicht als Ersatz für den umstrittenen Nord-Ost-Ring, der die Bundesstraße27 mit der Bundesstraße14 verbinden soll. Für die von der Stadt beauftragten Verkehrsplaner ist die Westrandbrücke zur Entlastung Remsecks auch dann nötig, wenn der Nord-Ost-Ring gebaut wird. Dieser alleine bringe auf der bestehenden Neckarbrücke eine Verkehrsverringerung von 21,8 Prozent. Dennoch wären dort immer noch 29000 Fahrzeuge pro Tag unterwegs. Die Westrandbrücke ist für deren Befürworter eine Lösung für das aktuelle Verkehrsproblem und gleichzeitig die Voraussetzung für eine attraktive Entwicklung der Neuen Mitte. Die Alternative sei ein Ausbau der jetzigen Neckarbrücke auf bis zu vier Spuren sowie eine deutliche Vergrößerung der beiden Hauptkreuzungen. Eine Neue Mitte könnte dann nur teilweise entstehen, und eine Erweiterung des Stadtteils Neckargröningen werde undenkbar, argumentieren sie. Nach Meinung der Bürgerinitiative „Pro Westrandbrücke“ besteht jetzt die historisch einmalige Chance, unter massiver Kostenbeteiligung des Landes, den Verkehr an die westliche Peripherie der Neuen Mitte zu verlagern.

Argumente der Gegner: „Die Westrandbrücke ist nicht alternativlos“, sagen die Mitglieder der Bürgerinitiative „Wir für morgen“. Auch sie wollen eine moderne urbane Entwicklung schaffen und den Durchgangsverkehr aus der Stadt haben. Dafür soll allerdings „keine trennende Autobahn zwischen den Ortsteilen“ sorgen, sondern eine weiträumige Umfahrung Remsecks mit einer Brücke, die auf Höhe des Baumarkts Hornbach über den Neckar führt. Der Verkehr soll dabei um Neckarrems, Aldingen und Neckargröningen herumgeführt werden. Die Variante der Bürgerinitiative sei leistungsfähig auch im Hinblick auf den Schleichverkehr in den Stadtteilen – insbesondere in Neckargröningen. Die Westrandbrücke verschiebe die Verkehrsprobleme lediglich um 300 Meter, bedeute einen enormen Flächenverbrauch und stelle eine große Lärmbelastung dar. Gleichzeitig bleibe auf der bestehenden Neckarbrücke kaum Platz für die Fußgänger, zumal dort neben einer Busspur auch ein breiter Radweg entstehen soll. Ein „Ja“ für die Westrandbrücke bedeute einen „Freibrief für die Stadt, irgendwann, irgendwo, in irgendeiner Größe zu beliebigen Kosten eine Brücke zu bauen“. Wie sie irgendwann aussehen wird, stehe in den Sternen. Die Westrandbrücke ziehe vor allem Verkehr aus der Region an, zumal der Nord-Ost-Ring ein Zankapfel sei.

Das Land Baden-Württemberg: Da es sich bei der Straße, die entlastet werden soll, um eine Landesstraße mit regionaler Bedeutung handelt, ist das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) mit im Boot. Die Westrandbrücke sei die Optimierung aller anderen Varianten, die nicht zu verwirklichen sind, sagte Jürgen Holzwarth, Referatsleiter Straßenplanung im RP, kürzlich bei einer Podiumsdiskussion im Vorfeld des Bürgerentscheides (wir berichteten). Alle Alternativen seien gescheitert. Die von der Bürgerinitiative „Wir für morgen“ ins Spiel gebrachte Neckarquerung beim Hornbach-Baumarkt südlich von Aldingen würde innerorts zu keiner Verkehrsentlastung führen. „Diese große Umgehung macht keinen Sinn, deshalb haben wir sie 2014 schon begraben“, so Holzwarth. Es werde ein Straßenneubau erforderlich, für den er keinen Korridor sehe. Die zweispurig geplante Westrandbrücke sei ausreichend dimensioniert und werde im Falle eines „Ja“ beim Bürgerentscheid nicht noch mehr Spuren erhalten. Sollten sich die Remsecker gegen die Westrandbrücke entscheiden, werde an der bestehenden Neckarbrücke zunächst einmal nichts passieren. Irgendwann müsste man sie allerdings wohl vierspurig ausbauen, um sie leistungsfähiger zu machen, stellte der RP-Vertreter klar. Zustimmung findet die Westrandbrücke auch beim grünen Verkehrsminister Winfried Hermann. Bei einem Online-Faktencheck, der sich im Sommer mit „Verkehrlichen Herausforderungen im Nordosten Stuttgarts“ beschäftigte, sprach er sich erneut ganz klar gegen den Bau eines Nord-Ost-Rings aus. Stattdessen setzt er darauf, vorhandene Autobahnen und Bundesstraßen zu ertüchtigen – und auf kleinräumige Lösungen. Als Beispiel zählte er auch die Remsecker Westrandbrücke auf.