1. Startseite
Logo

Antikmeile bietet Nostalgisches für den Alltag

Porzellan-Tassen – unter anderem mit dem Porträt von Königin Elizabeth – ziehen die Blicke auf sich. Fotos: Andreas Becker
Porzellan-Tassen – unter anderem mit dem Porträt von Königin Elizabeth – ziehen die Blicke auf sich. Foto: Andreas Becker
Stöbern in alten Büchern.
Stöbern in alten Büchern.
Figurengruppe aus Porzellan.
Figurengruppe aus Porzellan.
Über 150 Händler aus dem gesamten Bundesgebiet sowie dem angrenzenden Ausland haben am Wochenende Antiquitäten auf dem Ludwigsburger Marktplatz angeboten. Die Antikmeile ist seit vielen Jahren ein fester Termin im Kalender von Sammlern und Liebhabern. Doch dieses Mal spüren die Händler eine Veränderung.

Ludwigsburg. Eine kleine Schale aus Ludwigsburger Porzellan für 22 Euro, eine versilberte Sauciere für 30 Euro, eine weiße Tischdecke mit dem Monogramm „IM“ für 35 Euro – wer Freude an alten Dingen hat, der kommt auf der Antikmeile voll auf seine Kosten. So wie ein Ehepaar aus Löwenstein. „Das ist ein uralter Puppenwagen“, erläutert er und zeigt auf ein Gestell aus Holz und Eisen, das er unterm Arm trägt, in der anderen Hand ein blauer Kinderklappstuhl aus Holz, „für 13 Euro“. Seine Frau ist mit einer großen Einkaufstasche von Ikea ausgestattet, die schon beachtlich voll ist. „Wir haben gerade noch alte Rollschuhe gekauft.“ Die seien für die Nachbarin gedacht, sagt sie und schmunzelt. „Uns gefallen solche alten Sachen“, erzählt der Mann. Eigentlich, so lacht er, könnten sie selbst bald einen eigenen Markt aufmachen.

Dinge, die es sonst nicht mehr zu kaufen gibt

Ein paar Meter weiter, am Schmuckstand, berät ein Ehepaar intensiv über die angebotenen Ringe. „Es wird immer schwieriger zu verkaufen“, sagt die Standinhaberin. Vor Jahren hatte sie noch ein Antiquitätengeschäft in Stuttgart, inzwischen gehe sie nur noch auf Märkte. „Ich bekomme viel angeboten“, sagt sie. „Die Leute haben entweder keine Erben, oder sie brauchen das Geld.“

Während das Ehepaar noch über die Ringe berät, ist ein Mutter-Tochter-Duo bereits fündig geworden. „Ich habe ein Baumwollnachthemd aus den 40er-Jahren mit Lochstickerei gekauft.“ So etwas gebe es sonst nicht zu kaufen, und ihr gefalle das. Das Mienenspiel der Tochter lässt darauf schließen, dass sie das etwas anders sieht, doch ist es vielleicht genau das, was die Antikmeile so besonders macht: Hier muss nicht jedem alles gefallen. Doch wer etwas findet, ist im Glück.

Die Wiederentdeckung alter Dinge

Vielleicht sieht man hier am Sonntagnachmittag deshalb so viele Menschen mit einem Lächeln im Gesicht. Vielleicht ist es aber auch das Wiederentdecken von Dingen, die man selbst einmal hatte oder immer noch hat. Den Porzellan-Kaffeefilter von Melitta zum Beispiel (16 Euro) oder den Krug für Kalte Ente (120 Euro).

Die junge Frau ist gerade erst nach Ludwigsburg gezogen. „Mir fehlte noch eine Schreibtischlampe.“ Die hat sie jetzt in ihrer Baumwolltasche. „Genau so etwas habe ich gesucht!“ Eine Dame aus Bietigheim hat für eine Freundin eine Sammeltasse und für die Enkel Puppenstuben-Zubehör gefunden.

Ein Herr aus Thüringen bietet antiken, silbernen Christbaumschmuck an. Seit Jahren kommt er schon zur Antikmeile, „dieses Jahr ist es schwieriger geworden, die Leute sind viel zögerlicher.“ Er sei selbst Sammler gewesen, einen Laden habe er nie gehabt. „Unsere Kinder möchte das alles nicht haben, deshalb gehen wir jetzt auf Märkte.“

An anderer Stelle werden große Wandkarten verkauft, wie man sie früher im Erdkunde- oder Biologieunterricht hatte. Da geht es beispielsweise um „Die Spinne“, und man assoziiert sofort das Nosferatu-Krabbeltier. Eine Gruppe Frauen aus Stuttgart flaniert zwischen den Ständen. „Ich lieb‘ die Vorstellung, etwas zu finden, aber ich habe das Auge nicht dafür“, sagt eine. Dann ziehen sie weiter.

Kostenlose Bewertung

An einem Stand am Rande des Marktes bieten Siegfried Beil und Jürgen Löfke eine kostenlose Bewertung an. „Wir sind ehemalige Lehrer und machen das als Hobby“, sagt Löfke. Seit gut 20 Jahren sind sie schon im Geschäft. „Ich will das gar nicht verkaufen, ich wollte nur mal wissen, was das für ein Stein ist“, sagt die junge Frau über die Halskette, die sie von ihrer Oma bekommen hat. „Das sind Granatsteine“, sagt der Experte. „Es ist ganz selten, dass die, so wie hier, in Gold gefasst sind.“ Der Wert sei dennoch nicht sehr hoch, sagt Löfke. „Das ist mir egal“, sagt die junge Frau. Nebenan hat eine Frau einen Spiegel, eine alte Keksdose und eine Vase zur Begutachtung mitgebracht. „Ich habe das alles mal selbst auf einem Antikmarkt gekauft.“ Nun überlege sie, ob sie es verkaufen solle.

„Gehen Sie heut Nacht ja nicht aus dem Haus!“

Ein paar Porzellanteller, Nussknacker und Bücher weiter bietet Matthias Groh vom Stuttgarter Auktionshaus Regele ein Set Lurchi-Figuren inklusive Bücher an. Für 300 Euro. „Das sind echte Sammlerstücke.“ Auch zu ihm kämen immer häufiger Besucher, die ihm etwas anbieten. „Heute kam schon jemand mit einem Mikroskop, einer Spieluhr und Porzellan.“

An einem Stand mit Schallplatten ist derweil der Queen-Song „It‘s a kind of magic“ zu hören, und in der Tat hat all das, was hier auf der Antikmeile geboten wird, irgendwie etwas Magisches – oder zumindest etwas Zauberhaftes. Die Kutschenlampen am Stand nebenan wecken Bilder von Männern mit Hut und wehendem Umhang, und wäre da nicht der Queen-Song, würde man sich vielleicht Hufgeklapper einbilden. Da verfängt sich der Blick ein paar Meter weiter an einem Buch, das davor warnt: „Gehen Sie heute Nacht ja nicht aus dem Haus!“

Info: Noch mehr Fotos finden Sie hier.