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Ausstellung über Flurnamen im Kreis

Im Staatsarchiv: Sara F. Levin zwischen ihren Fotos von unterschiedlichen Gewannen. Neben den Bildern sind auch eine ganze Reihe von historischen Flurkarten zu sehen. Foto: Holm Wolschendorf
Im Staatsarchiv: Sara F. Levin zwischen ihren Fotos von unterschiedlichen Gewannen. Neben den Bildern sind auch eine ganze Reihe von historischen Flurkarten zu sehen. Foto: Holm Wolschendorf
Was ein Gewann ist, wissen viele Menschen nicht mehr. Mit deren Namen kennen sich noch weniger aus. Die Künstlerin Sara F. Levin sieht in Bezeichnungen wie „Sie dich für“, „Galgenfeld“ oder „Oben hinaus“ eine Art Lyrik der Landschaft. In ihre Ausstellung setzt sie sich künstlerisch mit Flurbezeichnungen auseinander.

Ludwigsburg. Um 1830 werden Württemberg und Hohenzollern erstmals komplett kartographisch erfasst und vermessen. Auf diesen Karten werden auch eine Vielzahl an Gewann- und Flurbezeichnungen festgehalten, die oft nur noch Alteingesessenen etwas sagen. Die Karten sind heute allesamt digitalisiert und über das Staatsarchiv online zugänglich. Nur die Kirchenbücher haben noch höhere Zugriffszahlen, sagt Dr. Peter Müller, der Leiter des Ludwigsburger Staatsarchivs.

Doch nicht nur auf Heimatforscher üben diese historischen Karten – eine Art 200 Jahre altes Google-Maps – eine immense Faszination aus. Auch Künstler arbeiten sich daran ab. Zu ihnen gehört Sara F. Levin, die heute ihre Ausstellung „Gewanne – das Gedächtnis der Landschaft“ im Staatsarchiv eröffnet.

Vom Galgenfeld zu „hinter der Capelle“

Grundlage für ihre Fotografien sind kuriose Flurbezeichnungen aus dem Landkreis. Als Heimatkundlerin versteht sie sich aber nicht. „Ich bin ganz frei mit den Namen umgegangen.“ Das heißt, die tatsächliche Bedeutung oder ein etwaiger historischer oder archäologischer Hintergrund haben für sie kaum eine Rolle gespielt. Stattdessen hat sie vor Ort nach Stimmungen gesucht, die sie mit dem Namen verbindet, um diese dann auf ein Foto zu bannen.

Das „Galgenfeld“ bei Vaihingen, diesen „Ort des Todes“ hat sie in einem Foto von einem nebeligen, vom Frost überzogenen Acker festgehalten. Das abgegangene Dorf Vöhingen, das gleich in mehreren Flurnamen – etwa „Vöhinger Kirchle“, „Vöhinger grund“ oder „Vöhinger Seite – überlebt hat, wird für sie unter anderem in einem kleinen Wald symbolisiert, der mitten auf den Feldern steht. Levin sieht darin eine Art natürliches Denkmal.

Bei Höpfigheim gibt es das Gewann mit dem wundersamen Namen „Sie dich für“. Welches Ereignis mag wohl zu diesem Namen geführt haben? Sara F. Levin weiß es nicht und will es eigentlich auch gar nicht wissen. „Aber als ich dort war, habe ich das Gelände eher als gefährlich und abweisend empfunden.“ Ihre Fotos von diesem Ort zeigen eine undurchdringliche Wildnis.

Fotos als Essenz der Beobachtungen

Vorstellungen über die Vergangenheit oder über historische Geschehnisse mache sie sich keine, „ich lasse mich voll auf den Ort ein.“ Der Name sei wie ein Echo des Ortes, oft halte sie sich stundenlang dort auf. Die Fotos seien die Essenz ihrer Beobachtungen, um Schönheit gehe es ihr nicht, so die Künstlerin, die in der Nähe der Friedenskirche ihr Atelier hat.

Den Zeichen der Vergangenheit kann sie aber natürlich nicht ausweichen. Bei Rosswag ist sie „hinter der Capelle“ zumindest auf Überreste selbiger gestoßen. Noch heute sei der Ort friedlich und still. „Ich bin nicht auf der Suche“, sagt Levin. Ihre gehe es um die Begegnung mit diesen Orten, um eine Auseinandersetzung mit dieser „kartographischen Lyrik.“ Ihr ist bewusst, dass diese Flurbezeichnungen und damit diese ganz spezielle Form von Erinnerung in der Landschaft unweigerlich aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden. „Dadurch verlieren wir auch den Bezug zur Landschaft.“

Die Kunst von Sara F. Levin ist ein Versuch, diese Orte und ihre Namen und damit die über diese textlich auf einmalige Art geordnete historische Landschaft in unser Bewusstsein zurückzuholen.

Info: Die Ausstellung wird am heutigen Donnerstag um 18 Uhr im Staatsarchiv am Arsenalplatz mit Sara F. Levin eröffnet. Danach kann sie zu den Öffnungszeiten (Montag bis Donnerstag von 9 bis 16.30 Uhr und am Freitag von 9 bis 15.30 Uhr) besucht werden. Es gibt ein Begleitprogramm. Am Dienstag, 16. November, wird Prof. Dr. Jürgen Hasse, ab 19 Uhr über das Thema Kunst und Raumerfahrung referieren. Am Dienstag, 18. Januar, geht es ab 18 Uhr um „Retro-Maps – wie Schätze aus Kartographie und Fernerkundung in die digitale Gegenwart gelangen. Infos unter www.la-bw.de/stal