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Besinnliche Ruhe trifft auf Rastlosigkeit

Zwei Koloristen - unterschiedliche Ansätze: Die Arbeiten von Puck Steinbrecher und Stefan Noss. Fotos: Andreas Becker
Zwei Koloristen - unterschiedliche Ansätze: Die Arbeiten von Puck Steinbrecher und Stefan Noss. Foto: Andreas Becker
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Mit Stefan Noss und Puck Steinbrecher zeigt die Galerie Wendelinskapelle zwei gegensätzliche Positionen

Marbach. Unterschiedlicher könnten sie kaum sein, die zwei Künstler, deren Bilder Monika Schreiber in ihrer Galerie Wendelinskapelle zu einem Dialog zusammengeführt hat. Während keines der Werke von Stefan Noss ohne Gesichter auskommt, ist Puck Steinbrechers Thema die Landschaft. Der 1963 in Stuttgart geborene Noss kommt von der Linie, bei Steinbrecher – Jahrgang 1950 und im niedersächsischen Bad Zwischenahn aufgewachsen, wo er auch heute noch sein Atelier hat und eine Galerie betreibt – liegt der Akzent auf dem Malerischen.

Wo der Jüngere für seine Mischtechnik-Bilder ein ganzes Arsenal an Materialen einsetzt, konzentriert sich sein 71-jähriger Kollege auf die Acrylmalerei. Nicht zuletzt in der Wirkung auf den Betrachter ist ihr Œuvre grundverschieden: Geht von der scheinbar endlosen Offenheit in Steinbrechers Landschaften eine kontemplative Ruhe aus, verwickeln die Bilder von Noss den Schauenden in einen Wirbel simultaner Eindrücke. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Beide widmen sich vorzugsweise dem Tafelbild, beide sind letztendlich Maler in einem Grenzgebiet zwischen Gegenständlichem und Ungegenständlichem – und beide sind Koloristen.

„Durch Farbe habe ich immer versucht, einen Ausgleich zu dem doch oft sehr dramatischen Ausdruck meiner Sujets zu schaffen, meine Bildwelten etwas aufzuheitern“, sagt Noss. Als Meisterschüler von A. R. Penck an der Düsseldorfer Akademie habe er sich intensiv mit Radiertechnik auseinandergesetzt: „Das Destruktive des Reinkratzens einer Linie in den Asphaltlack und dass diese Spur dann mit dem Druck von ein paar Tonnen aufs Papier gebracht wird – das hatte für mich eine faszinierende Intensität.“

Die Gebrochenheit der Linie wirkt auch in seinen von Schreiber gezeigten Papierarbeiten jenseits der Radierung bildbestimmend. Häufig greife er zum Mittel der Collage, um einen Anfang zu finden – das Material dazu stellen eigene Arbeiten dar: „Bei mir gibt es kein Altpapier.“ Die zerschnittenen Papiere setze er wie Beute ein, beschreibt der 57-Jährige die Genese seiner Bilder als Zerstörungs- und Rekombinationsprozess: „Ich benutze die Fragmente als Köder oder Foto Keimzelle für etwas Neues.“ Dann jage er den Linien hinterher, kaschiere und verdichte. Werktitel haben bei Noss eine ganz spezifische Form und Funktion: Die Buchstabenanzahl sei stets durch acht teilbar, Titel wie „Linkszahnbürstend“ beschreiben das, was darüber zu sehen ist. Sobald er darunter stehe, sei das Bild gewissermaßen versiegelt.

Auch bei Steinbrecher markiert die Vergabe des Titels den Abschluss der Arbeit. Sofern damit nicht, wie in „Wattenmeer“, das Motiv benannt wird, bediene er sich einer von ihm für diesen Zweck angelegten Sammlung gerne doppeldeutiger Begriffe.

Das korrespondiert auch mit seiner Malerei: „Von der Landschaft ausgehend komme ich zu immer abstrakteren Bildfindungen“, meint Steinbrecher. Oft werde die Halbinsel im Bad Zwischenahner Meer vor seinem Atelierfenster zum Ausgangspunkt, dann wieder Fotos, die er auf Wangerooge macht. Die Landschaft werde auch buchstäblich direkt auf die Leinwand oder den Karton aufgetragen: Mittels einer Grundierung aus Sand und Leim erhalten die Bilder eine Struktur, deren Widerstand er bei seinem flächigen Farbauftrag sehr schätze. Als Format bevorzugt Steinbrecher, der an der Universität Oldenburg bei Prof. Pfennig und Prof. Denker studierte, ein leicht gestrecktes Quadrat. In 45 Jahren hat er über 250 Ausstellungen bestritten und eine Handschrift zwischen Impressionismus und abstraktem Expressionismus entwickelt.

Zusätzlich zu den beiden kohärenten Positionen zeigt Schreiber die Gruppenausstellung „Skulptur - Plastik – Objekt. Klein, aber oho!“ mit Kunstwerken von 42 Künstlerinnen und Künstlern.

Info: Die Bilder von Stefan Noss und Puck Steinbrecher sowie die Präsentation „Skulptur - Plastik – Objekt. Klein, aber oho!“ sind nach Terminabsprache unter Telefon 0162 – 5412715 bis 30. April zu sehen.