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Brandstiftung aus Vermieterärger?

Ein 53-jähriger Mann soll seine Wohnung mit einer Kerze angezündet haben und verschwunden sein – Anklage lautet auf versuchten Mord - Über 30 Zeugen

Benningen/Heilbronn. Wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung steht seit Dienstag ein 53-jähriger Mann vor dem Landgericht Heilbronn. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Mitte Dezember vergangenen Jahres seine Benninger Wohnung mit Hilfe einer Kerze angezündet und damit den Tod seiner Mitbewohner in Kauf genommen zu haben. Als Grund für die Tat vermutet die Anklage Streit mit seiner Vermieterin. Zu Schaden gekommen war damals glücklicherweise niemand.

Es war die Nacht zum Sonntag am 19. Dezember 2021, als die Freiwillige Feuerwehr Benningen eine halbe Stunde nach Mitternacht in die Bahnhofstraße ausrückte: Aus der Wohnung im Hochparterre drang schwarzer Qualm. Die Feuerwehrleute fanden die Wohnung leer vor, vom Mieter keine Spur. Das Mehrfamilienhaus wurde evakuiert, die übrigen elf Bewohner konnten nach Ende des Einsatzes wieder in ihre Wohnungen zurückkehren; offenes Feuer hatte es nicht gegeben. Der Schaden an der Wohnung wird auf rund 100000 Euro geschätzt. Der Mieter der Wohnung blieb zunächst verschwunden. Was war passiert?

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat sich die Tat so abgespielt: Kurz vor 20 Uhr hatte der der Mieter eine Kerze auf seinem Schreibtisch angezündet, und zwar unmittelbar neben seinem Computer, neben Bildschirm, Lautsprecher und Tastatur - wohl wissend, dass die Kunststoffgehäuse durch die Flamme verschmoren würden. Er selbst hatte die Wohnung gegen 20 Uhr verlassen.

Die Staatsanwaltschaft ist deshalb überzeugt, der Mann habe darauf spekuliert, dass sich im Laufe der Nacht ein Brand entwickelt, während die Bewohner der anderen Wohnungen nichts ahnend in ihren Betten lagen. Ihm sei bewusst gewesen, dass sowohl seine Mitbewohner, als auch die im Nachbarhaus ihr Leben verlieren könnten. Daraus leitet die Anklage das Mordmerkmal „Heimtücke" her.

Tatsächlich hatten einige Hausbewohner bereits geschlafen, als zwei andere Mieter auf das Piepsen des Rauchmelders aufmerksam geworden waren und den schwarzen Qualm aus der Wohnung des 53-Jährigen bemerkt hatten. Sie alarmierten die Feuerwehr. Zwei Tage später stellte sich der Mieter in Berlin selbst der Polizei.

Auf die Anklagebank geführt wird ein großer, schmaler, kahlköpfiger Mann, der am ersten Verhandlungstag nur knappe Angaben zu seiner Person macht: geschieden, geboren in Istanbul, deutscher Staatsangehöriger, seit einem dreiviertel Jahr in Haft. Am kommenden Prozesstag werde er persönliche Angaben machen und einer der beiden Verteidiger will eine Erklärung zur Sache abgeben – so weit der Plan. Das hänge aber stark von der Tagesform seines Mandanten ab, deutet einer der Anwälte bereits Schwierigkeiten an. Der Prozess wird sich bis Mitte November hinziehen; geplant sind acht Verhandlungstage, an denen 32 Zeugen gehört werden, darunter viele Ärzte, die sich bereits mit der Psyche des Angeklagten befasst haben.