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Debatte um das Wüstenrot-Areal: Die Stadt will das Hochhaus erhalten

Das Wüstenrot-Panorama: links ein Teil des neuen Firmenstandorts auf Kornwestheimer Seite, rechts ein Teil des Ludwigsburger Areals mit dem Hochhaus. Das Unternehmen will das gesamte Ludwigsburg-Areal inklusive Hochhaus abreißen und neu bebauen. Foto
Das Wüstenrot-Panorama: links ein Teil des neuen Firmenstandorts auf Kornwestheimer Seite, rechts ein Teil des Ludwigsburger Areals mit dem Hochhaus. Das Unternehmen will das gesamte Ludwigsburg-Areal inklusive Hochhaus abreißen und neu bebauen. Foto: Andreas Becker
Wüstenrot räumt sein gesamtes Ludwigsburger Areal, will alles abreißen und neu bebauen – ist dabei aber auf die Zustimmung der Stadt angewiesen. Beide Seiten müssen an schnellen Lösungen interessiert sein, zumal auch neue Wohnungen entstehen sollen. Es sieht im Moment aber eher nach schwierigen Verhandlungen aus. Die Stadt möchte das Hochhaus erhalten. Und das Unternehmen möchte mehr Wohnungen bauen, als es manchem Stadtrat lieb ist.

Ludwigsburg. Der Abzug von Wüstenrot aus Ludwigsburg nach Kornwestheim hat die Stadt Ludwigsburg gleich zweimal kalt erwischt. Zunächst war es vor etwa acht Jahren, als der Finanzdienstleister Wüstenrot&Württembergische entschied, das gesamte Unternehmen an einem neuen Firmensitz in Kornwestheim zusammenzubringen. Und dabei einen großen Teil seines Ludwigsburger Firmenareals aufzugeben. Damals hieß es noch, das Ludwigsburger Hochhaus mit 800 Mitarbeitern werde man halten. Diesen Sommer r aber kam die zweite unerwartete Hiobsbotschaft: Wüstenrot wird das Hochhaus doch verlassen - und sieht zudem keinen anderen Weg, als das Gebäude nach dem Auszug abzureißen. Die nötige Sanierung sei wirtschaftlich nicht darstellbar.

Das hat in Ludwigsburg für viel Aufsehen gesorgt, Forderungen nach dem Erhalt des Hochhauses wurden aus dem Gemeinderat laut. Bei einer wichtigen Klausurtagung von Gemeinderat und Stadtverwaltung rückte das Thema auf die Tagesordnung. Vertreter des Unternehmens besuchten die Tagung und erläuterten ihre Sicht der Dinge. Was im Detail besprochen wurde, ist nicht bekannt. Das Treffen fand hinter verschlossenen Türen statt. Klar ist allerdings: Von einer Einigung über die Zukunft von Wüstenrot-Areal und Hochhaus sind beide Seiten noch ein gutes Stücke entfernt. Es dürften im neuen Jahr schwierige Verhandlungsrunden anstehen, schlechtestenfalls eine Hängepartie.

Zwar ist das gesamte Wüstenrot-Areal im Firmeneigentum und so gesehen kann das Unternehmen eigenständig darüber bestimmen, auch über das Hochhaus. Andererseits will man das Areal aber nicht länger nur gewerblich nutzen, sondern auch Wohnungsbau in größerem Stil angehen – und ist dabei auf die Zustimmung der Stadt mit dem Gemeinderat angewiesen.

Einigkeit gibt es bisher eigentlich nur in einem Punkt: W&W wird im nächsten Jahr gemeinsam mit der Stadt einen Architektenwettbewerb ausschreiben, um gute Vorschläge für die künftige Bebauung zu sammeln. Aber sollen die Architekten bei ihren Entwürfen mit oder ohne das bestehende Hochhaus planen? Und welchen Anteil soll der Wohnungsbau bekommen?

W&W sieht auch nach dem Gespräch bei der Klausurtagung keine Alternative zu einem Abriss des Hochhauses. Zumal eine Umwandlung hin zu attraktiven Wohnungen mit Fernblick ausgeschlossen scheint. Der Grund: Ein naheliegendes Chemieunternehmen auf Kornwestheimer Seite ist von einer Sicherheitszone umgeben, in der keine Wohnungen mehr neu gebaut werden können. Das Hochhaus ist davon betroffen. Anders das restliche Areal, dort können Wohnungen entstehen.

Und gerade auf den Wohnungsbau will W&W einen Schwerpunkt setzen, die Hälfte des Areal für Wohnbau nutzen. Die Lokalpolitik allerdings positioniert sich hier in Teilen zurückhaltend bis abwehrend und setzt den Bedarf an Gewerbeflächen dagegen.

„Wir haben viel zu wenig freie Gewerbeflächen in der Stadt“, sagt Oberbürgermeister Matthias Knecht im Gespräch mit unserer Zeitung. Eines der Ziele bei der neuen Nutzung des Areals müsse es deshalb sein, wieder Gewerbe anzusiedeln. Das könne zudem helfen, die hohen Verluste bei der Gewerbesteuer auszugleichen, die der Abzug des Unternehmens nach Kornwestheim für Ludwigsburg bedeutet.

Bei der Frage, wie viele neue Wohnungen W&W bauen darf, tritt Knecht eher auf die Bremse. „Unsere Schmerzgrenze ist bei 50:50 zwischen Wohnen und Gewerbe eigentlich überschritten. Jedes Prozent mehr Gewerbe hilft uns. Es handelt sich bisher um Gewerbeflächen und wir haben ein großes Defizit an Flächen für Gewerbe. Deswegen wären für uns 70 Prozent Gewerbe und 30Prozent Wohnen besser, wenn wir auch sehen, dass das für W&W unattraktiver ist.“

In dasselbe Horn stößt die CDU mit ihrem Fraktionschef Klaus Hermann. Der sagte dieser Tage bei seiner Haushaltsrede. „ Wir wollen dort überwiegend wieder Gewerbe ansiedeln. Das ist für uns kein Wohnungsbauschwerpunkt. Auf die Transformation der Wirtschaft, den Wandel von der Produktion zur Dienstleistung, müssen die Stadt weiter reagieren und Gewerbeflächen mit Partnern entwickeln, um gewerbesteuerzahlende Betriebe anzusiedeln und Arbeitsplätze in der Stadt zu sichern.

Und welches Gewerbe soll sich ansiedeln? Im Ludwigsburger Rathaus denkt man für das Wüstenrot-Areal an einen Mix aus Dienstleistungen, Existenzgründern, zur Bahn hin auch so etwas wie Laborwerkstätten. „Die Nutzung soll aber auch die Interessen der Bewohner der direkt benachbarten Südstadt berücksichtigen“, wünscht sich OB Knecht. Das könne ein 1000-Quadratmeter-Supermarkt sein („nicht größer“, so Knecht), dazu Angebote wie Metzger, Bäcker, Apotheke, auch Gesundheitsangebote. Nicht zulassen will man dagegen großflächige Märkte, die Kaufkraft aus der Innenstadt abziehen und Verkehr anziehen würden.

„Und beim Hochhaus fühlen wir ein starkes Mandat der Stadträte, dass die Stadt sich für den Erhalt einzusetzt“, gibt Knecht an diesem Punkt die Verhandlungslinie vor. Dies allerdings auch hier mit offenem Ausgang. Einerseits sieht der Oberbürgermeister bei W&W noch die Bereitschaft, das Gebäude zu halten, sollte sich doch noch eine wirtschaftlich tragfähige Nutzung finden. Andererseits spricht er auch von einem „Geben und Nehmen“, und sollte am Ende ein Erhalt doch nicht möglich sein, dann müsse man eine gute Lösung finden, bei der Gewerbe erhalten bleibt.

W&W drängt nach wie vor auf mehr Wohnungsbau. Das müsse angesichts der Wohnungsnot auch im Interesse der Stadt liegen, so das Argument. Unternehmenssprecher Immo Dehnert: „Insgesamt streben wir einen ausgewogenen Nutzungsmix an, der Gewerbe und Wohnen gleichwertig berücksichtigt und allen Beteiligten – Unternehmen, Stadt und Anlieger – gute Perspektiven bietet und wirtschaftlich für die W&W-Gruppe Sinn macht.“