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Den Finger in die Wunde gelegt

Eine Ersthelfergruppe übt an einer Puppe Wiederbelebungstätigkeiten: Kommunen wie Eberdingen, Hemmingen oder Oberriexingen setzen verstärkt auf den Einsatz freiwilliger Helfer vor Ort, die eingreifen, bis die Profis des Rettungsdienstes eintreffen. F
Eine Ersthelfergruppe übt an einer Puppe Wiederbelebungstätigkeiten: Kommunen wie Eberdingen, Hemmingen oder Oberriexingen setzen verstärkt auf den Einsatz freiwilliger Helfer vor Ort, die eingreifen, bis die Profis des Rettungsdienstes eintreffen. Foto: Patrick Seeger/dpa
Ehrenamtlich tätige Helfer vor Ort sind die schnelle Eingriffstruppe im Rettungsdienst – auch in Eberdingen leisten sie wertvolle Arbeit. Vom Landratsamt fühlt sich die Gemeinde am Rande des Landkreises Ludwigsburg im Stich gelassen.

Eberdingen. Wenn der Eberdinger Bürgermeister Peter Schäfer auf die Zeiten schaut, die Rettungskräfte mitunter in seine Kommune brauchen, um zu ihrem Einsatzort zu gelangen, wird er missmutig. „Eberdingen ist durch die Lage an der Grenze des Landkreises benachteiligt“, sagte der Schultes im jüngsten Gemeinderat. Von der Alarmierung bis zum Eintreffen eines Rettungsdienstes seien im Land zehn bis 15 Minuten als gesetzliche Hilfsfrist festgelegt. Dieser Zeitraum werde kreisweit zu rund 93 Prozent eingehalten. In Eberdingen aber komme es „relativ häufig zu Überschreitungen“. Deshalb setzt die Kommune seit April, wie die Nachbarn in Hemmingen schon seit Jahren, auf sogenannte Helfer vor Ort (HvO). Schäfer weiter: „Diese mehr als sinnvolle Einrichtung hat in fantastischer Weise Fahrt aufgenommen.“

So sieht das offenbar auch der stellvertretende Feuerwehrkommandant Alexander Marquardt, der die Betreuung der Helfer vor Ort in Eberdingen übernommen hat. Demnach hätten sie in nicht einmal einem halben Jahr 145 Alarmierungen erfahren. Unter anderem nach Stürzen und Schlaganfällen, wobei in sieben Fällen Reanimationen, also Wiederbelebungen infolge eines Kreislaufstillstandes, erfolgt seien. Das zeige, dass dieser Dienst „wirklich nötig“ sei, so Marquardt im Gemeinderat. Er betonte aber auch, dass „wir kein Ersatz für den Rettungsdienst sind“. Die Aufgabe bestehe darin, „das therapiefreie Intervall so kurz wie möglich zu halten“.

Für den Dienst, der unterm Dach der Feuerwehr angesiedelt ist, hatten sich 19 Mitglieder der Wehr gemeldet. Die Verteilung in den drei Ortsteilen sei allerdings „etwas ungleich“. Während in Hochdorf elf Helfer zur Verfügung stehen, seien es in Nussdorf und Eberdingen jeweils vier. Entlastung sei vor allem im Kernort nötig, wobei sich Marquardt optimistisch zeigte, „dass wir noch einige Kollegen herüberziehen können“.

Die Hilfe in der Gemeinde funktioniert „wie ein klassischer Feuerwehreinsatz“, bei dem die Helfer, von der Rettungsleitzentrale zeitgleich zum Rettungsdienst alarmiert, vom jeweiligen Feuerwehrhaus ausrücken. Da aber keine Freistellung beim Arbeitgeber erfolge, könne im Gegensatz zum Feuerwehrdienst „ein Einsatz nicht garantiert werden“. Insgesamt zeige schon die kurze Erfahrung, „dass der Bedarf für diesen Dienst da ist“. Unterstützt werden die Helfer vor Ort vom DRK-Ortsverein, der die Fortbildung organisiert.

„Großartig, toll, höchster Respekt“ oder „Hut ab“ waren einige der Bezeichnungen, mit denen die Dankesworte quer durch die Fraktionen garniert waren. Den Finger in die Wunde legen wollte aber Carsten Willing (FWE), als er darauf hinwies, „weshalb das hier überhaupt ein Thema ist“. Der Ratsherr: „Der Grund ist, dass das Land und der Landkreis ihre Aufgabe nur ungenügend wahrnehmen.“ Der örtliche HvO entbinde „den Landkreis nicht von der Pflicht, seine Aufgabe hier bei uns vor Ort zu erfüllen“. Willing sprach dabei von „grober Fahrlässigkeit“.

Im Übrigen sei zu befürchten, dass sich die Lage durch die drohende Schließung des Rettungshubschrauberstandorts Leonberg „weiter verschärfen könnte“. Er habe den Eindruck, „dass es sich an den Kreisgrenzen am leichtesten“ spare. Zu diesen Ausführungen sagte Bürgermeister Schäfer im Gemeinderat: „Sie haben völlig recht, mit jedem Satz.“ Davon unbenommen sei es aber richtig, dass Eberdingen „diesen Weg gegangen ist“.

In der Sitzung löste das Gremium jeweils einstimmig zwei bisher „kritische Punkte“ des Helfereinsatzes. Zum einen sollen die DRKler künftig auch als Mitglieder der Feuerwehr geführt werden, was das Versicherungsproblem beim Mitfahren mit den Kollegen von der Wehr löst. Zum anderen soll eine Ungleichheit beseitigt werden. So erhalten die Helfer vor Ort künftig dieselbe Aufwandsentschädigung wie Floriansjünger, die je Einsatzstunde zwölf Euro bekommen. Weil ein HvO-Einsatz aber in der Regel kürzer ist, wird auf Halbstundenbasis ausgeglichen. Und Aufwandsentschädigung wird es nun auch für die Fortbildung geben.