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"Der Kim hat den Micha regelrecht abgefüllt"

Gartenparty endet tödlich – Zeugen haben vor Gericht Angst, eine Aussage zu machen – Schrecklicher Fund bei der Hunderunde

Bietigheim-Bissingen/Heilbronn. Zeugen, die Angst haben; eine Frau die sich einmischt; ein belauschtes Telefongespräch und das schaurige Ende einer Gassirunde – das ist die Mischung am zweiten Verhandlungstag im Prozess um eine Grillparty mit tödlichem Ausgang in einem Bissinger Garten.

Angeklagt sind zwei Männer: Kim G. (34) wegen Totschlags und Stefan T. (41) wegen unterlassener Hilfeleistung. Im großen Schwurgerichtssaal des Heilbronner Landgerichts sitzen sie hintereinander, kahlgeschoren der eine, mit Pferdeschwanz der andere. Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Kim G. die Tat nicht nur gestanden, sondern freimütig erschreckende Details des Martyriums geschildert, das Micha, das Opfer, am Ende nicht überlebt hat. Zu Hilfe gekommen war dem Misshandelten keiner der fünf anderen, sturzbetrunkenen Gäste. Offenbar hatten sie da schon Angst vor dem aggressiv auftretenden Kim G., der über sich selbst gesagt hatte, wenn er provoziert werde, sei er gnadenlos.

"Ich hätte einen Krankenwagen rufen sollen", sagt der Mitangeklagte Stefan T. jetzt vor Gericht, aber damals, im August vergangenen Jahres, habe er nicht einschätzen können, wie ernsthaft das Geschubse und die Faustschläge waren, mit denen Kim G. den Mann traktierte, der nicht mehr allein stehen konnte. „Ich hatte auch Angst, und ich war betrunken." Außerdem habe „der Micha" alles mit sich machen lassen. Er selber habe die Party lieber vorzeitig verlassen: Zu aggressiv, das alles. Ein anderer Gast mag sich zunächst ebenfalls nicht an Details erinnern, sei ja alles so lange her. „Wie oft waren Sie schon auf einer Party, wo am nächsten Morgen jemand tot ist?", half Richter Roland Kleinschroth dem Gedächtnis auf die Sprünge.

Also, der Kim habe den Micha regelrecht abgefüllt, erinnert sich der Zeuge dann doch noch; er habe ihm die Flasche an den Mund gehalten, „und der Micha war nicht in der Lage sich zu wehren." Auch er sei bald nach Hause gegangen, habe noch einen anderen Gast mitgenommen, einen geistig behinderten Mann, der sich angstvoll an ihn geklammert habe wegen der gewalttätigen Stimmung im Garten.

Der fünfte in der Partyrunde hatte sich bereits am ersten Verhandlungstag nicht mehr an Details erinnern wollen und erst auf hartnäckiges Nachfragen erzählt, der Kim habe „den ganzen Garten kaputt geschlagen, dem Micha mit dem Feuerzeug die Brusthaare abgesengt und auf ihn draufgepisst". Ob er das selbst gesehen habe? „Weiß ich nicht mehr…“

Einer Autofahrerin war die Partygruppe bereits auf dem Weg zum Gartengrundstück aufgefallen, weil die Männer vom Gehweg auf die Straße und wieder zurück geschlingert seien. Einer habe überhaupt nicht mehr selbstständig laufen können und eine vollgepinkelte Hose angehabt. „Alles okay mit euch?", fragte sie durchs Autofenster. „Alles okay", signalisierte einer der Männer. Die Frau rief trotzdem die Polizei an. „Ich hatte ein ungutes Gefühl." In der Nacht hörten Nachbarn Schreie vom Grundstück: „Steh auf! Steh auf!" Als ein junger Mann am nächsten Morgen mit seinem Hund Gassi geht, sieht er in dem Garten einen Mann liegen; er ist – bis auf schwarze Socken – nackt. "Hej, Kollege, aufsteh’n!" ruft er durch den Zaun. Aber der Mann steht nicht auf. Der Hundebesitzer ruft die Polizei.

Ein paar Tage nach der Tat meldet sich ein weiterer Mann bei der Polizei. An der Bushaltestelle habe er eine Gruppe getroffen und ihr Gespräch belauscht. Ein Mann mit Zopf habe ins Handy gerufen: „Halt‘s Maul, ich war‘s nicht!" Im Zeugenstand hätte dieser Mann dann am liebsten gar nichts mehr gesagt. Er habe Angst, vor dem Täter eine Aussage zu machen, hatte er das Gericht per E-Mail wissen lassen. Der Prozess wird mit den Gutachten fortgesetzt.