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Interkommunales gewerbegebiet
Der Widerstand wird lauter

Bosch ist schon mit rund 6800 Beschäftigten in Schwieberdingen, Porsche soll möglichst noch folgen: Davor müsste sich die Gemeinde aber mit rund 100 Eigentümern der angrenzenden Ackerflächen einigen. Eine gute ÖPNV-Anbindung ist hier derzeit Fehlanze
Bosch ist schon mit rund 6800 Beschäftigten in Schwieberdingen, Porsche soll möglichst noch folgen: Davor müsste sich die Gemeinde aber mit rund 100 Eigentümern der angrenzenden Ackerflächen einigen. Eine gute ÖPNV-Anbindung ist hier derzeit Fehlanzeige. Foto: privat
Aus Protest gegen die geplante Schaffung eines Gewerbegebiets hat sich eine Bürgerinitiative gegründet. Denn die Gemeinde informiere unausgewogen, so der Vorwurf, den auch noch weitere Kritiker stützen.

Schwieberdingen. Der Informationsbedarf in Sachen interkommunaler Gewerbeschwerpunkt und möglicher Ansiedlung des Autobauers Porsche direkt neben dem Schwieberdinger Bosch-Standort ist groß, das hat nicht zuletzt eine Veranstaltung der Gemeinde Mitte April gezeigt, die die Kapazitäten der Festhalle sprengte. Einen zweiten Termin gab es vergangene Woche (wir berichteten). Doch gut informiert fühlen sich beileibe nicht alle Bürger. Denn beide Veranstaltungen hätten ausschließlich die Befürwortersicht präsentiert, so die Kritiker. Ein Teil von ihnen ist deshalb nun selbst aktiv geworden und hat die „Initiative lebenswertes Strohgäu“ gegründet.

„Primäres Ziel ist es, Großprojekte im Strohgäu, welche die Natur und die Lebensqualität der Bewohner hier langfristig gefährden könnten, kritisch zu hinterfragen, und die Bevölkerung – soweit möglich – auch mit Informationen zu versorgen, die von den Befürwortern nicht genannt werden“, heißt es. Gemeint sind damit vor allem Berechnungen, inwieweit die Gemeinde überhaupt profitiert, sagt Karl Bendel, Sprecher der Gruppe.

Zum Vergleich zieht er die Gewerbesteuerzahlungen von Porsche an Nachbargemeinden heran. Genaue Angaben seien wegen des Steuergeheimnisses zwar nicht zu bekommen, weiß er. Er habe jedoch gehört, dass Hemmingen auch mal nur rund 300.000 Euro bekommen habe. Und für 2019 werden fünf Millionen Euro kalkuliert, da seien aber noch andere große Firmen enthalten. Berücksichtigen müsse man auch, so Bendel, dass sich eventuell ein Porsche-Zulieferer mit Sitz im Ausland ansiedle. Und schließlich müssten die Gewerbesteuerzahlungen mit den Partnergemeinden des interkommunalen Gewerbegebiets geteilt werden. Bleiben noch die Einkommensteuern, sofern die neuen Mitarbeiter – genannt wurden einmal 700 zusätzliche tarifgebundene Arbeitsplätze – in der Gegend eine Wohnung finden. „Viele Bürger hören nur Porsche und denken, dann sprudelt das Geld“, sagt Bendel.

Zusammen mit seinen Mitstreitern will er nun über solche Aspekte informieren, eine Internetseite ist in Planung. Erstmals aufgetreten sind sie am vergangenen Donnerstag, als sie vor dem Rathaus einen Infostand aufgebaut hatten. Das „Bürger-Hearing“ habe zwar wegen des Termins mit 40 Interessierten nur geringe Resonanz erfahren, war aber der Grund für die Gründung der Gruppe, so Bendel. Denn davon habe man erst nach einer Veranstaltung des Nabu Ende Mai erfahren, bei der beide Seiten vertreten waren. Zu kurzfristig sei das gewesen, Vertreter der Kritiker hätten da keine Zeit gehabt, was aber bekannt gewesen sei. „Unfair und undemokratisch“ sei das, sagt die Initiative, die Gemeinderätin Monika Birkhold und der Landtagsabgeordnete Markus Rösler (beide Grüne) bezeichnen das ganze Verfahren als „legal, aber nicht legitim“.

Bei der Gemeinde sieht man das anders. Auf Anfrage heißt es, die Bürger hätten die Möglichkeit gehabt, sich „in einem breiten Spektrum über Pro und Contra mit Experten auszutauschen“. Und das sei auch „rege genutzt“ worden und die Resonanz positiv, so der Beigeordnete Manfred Müller.

Weitere Infoveranstaltung und Broschüre

Und eine breite, ausgewogene Information soll es auch bei der Bürgerversammlung der Gemeinde am 27. Juni (19 Uhr, Festhalle) geben. Nach Angaben von Müller soll es zunächst einen 10-Minuten-Impulsvortrag für die Pro- und Contra-Position geben. Die Referenten dazu würden derzeit mit dem Gemeinderat abgestimmt, aus dessen Reihen für die anschließende Diskussion je ein Vertreter für beide Seiten kommen soll. Für die Kritiker sollen zwei weitere Personen aufs Podium – ergänzt wird es um Bürgermeister Nico Lauxmann und einen Vertreter der Region Stuttgart –, welche, werde diese Woche beraten. „Insgesamt ist es der Verwaltung und dem Gemeinderat wichtig, dass auf der Bürgerversammlung ausgewogen informiert wird“, so Müller. Es sei auch zu begrüßen, dass es Veranstaltungen wie die des Nabu gegeben habe, das sei der Sache, dem Bürgerentscheid, nur dienlich.

Darüber hinaus soll es noch eine Infobroschüre geben. Der Inhalt sei mit dem Gemeinderat abgestimmt worden und sie werde in den kommenden Wochen insgesamt zweimal verteilt, über das Amtsblatt. Sowohl die neue Initiative wie auch Gemeinderäte hatten moniert, dass die Verteilung von Pro und Contra dabei nicht ausgewogen sei – was aber gesetzlich auch nur bei einem von Bürgern initiierten Entscheid vorgeschrieben sei, nicht aber, wenn dieser vom Gemeinderat ausgeht. Darauf weist auch der Beigeordnete Müller hin – und dass man nun jeder Fraktion das gleiche Zeilenkontingent eingeräumt habe. Dabei hätten auch die Befürworter Herausforderungen des Vorhabens genannt, wie Zunahme des Verkehrs, Flächenversiegelung und Wohnraumdruck.

Dass noch nicht alle Informationen gerade mit Blick auf den Interessenten Porsche vorliegen, stimme zwar – ein LKZ-Leser hatte das als vom Bürger geforderte „Grundsatzentscheidung im Blindflug“ bezeichnet. Allerdings sei man in einem frühen Stadium und wolle, da es auch um Steuergeld gehe, „vor einer Vertiefung zunächst grundsätzlich klären, ob es den Gewerbeschwerpunkt überhaupt geben soll“, so Müller. „Und sicher hat auch noch Porsche offene Fragen, etwa dazu, wie viel ein Bauplatz kostet“, sagt er. Und hofft, das nach entsprechendem Votum am 14. Juli klären zu können.