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Der Wunschkandidat ist offenbar noch nicht gefunden

Mut der Verzweiflung? Eine Beilsteiner Stadtratskoalition wirbt mit einem öffentlichen Appell um weitere Kandidaten für die Bürgermeisterwahl am 14. März

Beilstein. Kurz vor dem Bewerbungsschluss zur Bürgermeisterwahl in Beilstein am kommenden Dienstag, 16. Februar, erreicht die Redaktion dieser Zeitung eine Mail aus den Reihen des örtlichen Gemeinderats mit folgendem Text: „Bis heute sind für die Neuwahl des Bürgermeisters fünf Bewerbungen eingegangen. Die Bewerber, beziehungsweise die Bewerberin, kommen aus unterschiedlichsten Bereichen. Beilstein ist eine attraktive Wohngemeinde mit herausfordernden, aber interessanten Projekten. Insbesondere für Persönlichkeiten aus der Kommunalverwaltung bieten sich gute Möglichkeiten, um Erfahrungen und Ideen aktiv einzubringen. Daher wenden sich Mitglieder des Beilsteiner Gemeinderates mit diesem Aufruf an die Öffentlichkeit, um auf den Bewerbungsschluss am 16. Februar hinzuweisen.“

Die Mitteilung liest sich in Teilen wie eine Stellenbeschreibung, die mit dem Mut der Verzweiflung verfasst wurde, währenddessen die Zeit für weitere Bewerbungen um den Bürgermeistersessel davonläuft. Unterschrieben ist sie von elf Stadträten: Dietmar Rupp, Thomas Bauer, Stefan Kleinbach, Christine Schächer, Thomas Janotta, Armin Maurer, Marcel Zürn, Oliver Kämpf, Thomas Bausch, Franziska Pfizenmayer und Bernd Kircher. Damit gehören zu den Unterzeichnern Vertreter sämtlicher politischer Lager des Stadtparlaments: Freie Wähler, Bürgerliste, SPD, Initiative Beilstein und FDP. Diese wohl nahezu beispiellose Offensive, sich auf diese Art an die Öffentlichkeit zu wenden, damit sich noch weitere Kandidaten für die Wahl am 14. März aufstellen lassen, lässt aufhorchen. Ist das Schreiben wirklich aus der Not geboren? Oder was sonst hat die Unterzeichner zu diesem Schritt bewogen?

„Natürlich ist es ein Ruf, aber kein Hilferuf“, antwortet auf Nachfrage Oliver Kämpf, der sich allerdings nicht als Sprecher der Unterzeichner verstanden wissen möchte. Vielmehr solle der Appell ein Zeichen sein, dass man weiteren Bewerbungen gegenüber nicht abgeneigt sei, und ein Hinweis an Kurzentschlossene, dass dafür noch Zeit sei – aber eben nicht mehr lange. Dazu habe man „ein Profil leicht umrissen“, das potenzielle Kandidaten erfüllen sollten. „Damit wollen wir die bisherigen Bewerber aber nicht beschädigen oder ihnen Qualifikation absprechen“, betont Kämpf. Doch liegt die Messlatte durch den amtierenden Bürgermeister Patrick Holl offenbar hoch in Beilstein.

„Er ist nicht nur ein Verwaltungsfachmann, sondern auch ein Bürgermeister im Auftreten. Dazu ist er ausgeglichen, kann gut führen und hat in Beilstein viel gemacht“, lobt Kämpf das scheidende Stadtoberhaupt, das man gerne länger im Beilsteiner Rathaus behalten hätte. Doch für den Posten als Erster Beigeordneter des Gemeindetags Baden-Württemberg gibt Holl, der erst vor gut zwei Jahren von den Beilsteinern erneut zum Bürgermeister gewählt wurde, Anfang März sein Amt vorzeitig ab. „Er hinterlässt einen Betrieb, der auf Hochtouren läuft“, sagt Kämpf und zählt mit den beiden Schulsanierungen, dem geplanten Neubaugebiet Hartäcker, dem beabsichtigten Neubau eines Pflegeheims, dem anvisierten Kauf des Geländes der Spätregen-Mission für sechs Millionen Euro, dem notwendigen Kindergarten-Neubau nur einige Beispiele der anstehenden großen Aufgaben in Beilstein auf. Somit gebe es für das neue Stadtoberhaupt nach seiner Wahl keine Schonfrist, um sich einzuarbeiten. „Es braucht jemanden, der die Ärmel hochkrempelt und sofort loslegen kann.“ Die fünf bisherigen Bewerber sind indes allesamt keine gelernten Verwaltungsfachleute, sondern Quereinsteiger.

Mitstreiter Dietmar Rupp sieht die Kandidatenlage Corona geschuldet. Dazu komme Holls „überraschender Stellenwechsel“. Dadurch, sagt er unserer Zeitung, sei es offenbar gar nicht so bekannt, dass in Beilstein eine Bürgermeisterstelle zu vergeben sei. Mit dem öffentlichen Hinweis auf den baldigen Bewerbungsschluss wolle man das ändern. „Mein persönlicher Wunschkandidat ist noch nicht dabei“, gibt indes Thomas Bausch unumwunden zu. Mit dieser Einschätzung wolle er die fünf Kandidaten keineswegs diskreditieren, schiebt er nach. Jedoch seien die vielen großen Herausforderungen, vor denen Beilstein stehe, bislang zu wenig thematisiert worden. Darauf hinzuweisen, sehe er deswegen als Bürgerpflicht an. „Das hätten wir viel früher tun sollen.“