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Die eigene Wohnung angezündet?

Das Brandhaus am Montagnachmittag; es wird lange Zeit unbewohnbar sein.Foto: Andreas Becker
Das Brandhaus am Montagnachmittag; es wird lange Zeit unbewohnbar sein. Foto: Andreas Becker
Ein Wochenende lang war Marbach bundesweit in den Medien, und es hatte nichts mit deutscher Literatur oder Schiller zu tun: Drei Brandanschläge bewegten die Menschen und führten zu Spekulationen. Der tatverdächtige sitzt in U-Haft; er ist einer der Bewohner des ausgebrannten Hauses.

MARBACH. Das Gerücht, der Tatverdächtige, ein 42-jähriger Deutscher, habe selbst in dem Haus gewohnt, in das er einen Brandsatz geworfen hat, wollte ein Polizeisprecher gestern nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren. „Wir machen dazu keine Angaben“, hieß es bei der Polizei, man wolle nicht, dass der Tatverdächtige identifiziert werden kann.

Außerdem haben die Ermittlungen der Polizei ergeben, dass der erste selbst gebastelte Brandsatz, ein sogenannter Motowcocktail, Samstagnacht im oder am Wohnhaus in der Niklastorstraße gezündet worden war. Ob der Brandsatz durch ein Fenster geworfen worden ist, wisse man noch nicht, heißt es bei der Polizei. Das sollen nun die kriminaltechnischen Untersuchungen und die Zeugenbefragungen ergeben. Zuallererst muss aber ein Statiker die Standfestigkeit des Hauses prüfen.

Als nächstes flog ein Molotowcocktail ans Portal der evangelischen Kirche und zuletzt an die Tür des Polizeireviers in der Steinerstraße. Während einige Beamte durch die zwei Meter hoch lodernden Flammen sprangen, um den Täter zu verfolgen, löschten ihre Kollegen den Brand. In der Grabenstraße konnten die Polizisten den 42-Jährigen schließlich stellen, wobei er „polizei- und fremdenfeindliche Parolen“ von sich gegeben habe, hatte es am Wochenende geheißen. Der Polizeisprecher präzisierte jetzt: Es sei gegen Flüchtlinge gegangen, dass „die Bundesregierung“ alle ins Land holt und die Polizei ihr Handlanger sei. Eine Polizistin sei als „Satansbraut“ beschimpft worden. Möglicherweise sei die Schnapsflasche, die der Mann in Richtung der Polizistin geworfen habe, ein unfertiger Brandsatz gewesen.

Dass die Polizei am Wochenende trotz dieser Parolen nicht von einem rassistischen Motiv ausgegangen war, hatte in sozialen Medien für Kritik gesorgt. Die Kripo werde die Motive des Tatverdächtigen weiter untersuchen, hieß es am Montag.

Der Social-Media-Beamte bei der Polizei hatte es am Wochenende vor allem mit Internetnutzern zu tun, die kritisierten, dass der Tatverdächtige explizit als „Deutscher“ bezeichnet worden war: Ob es nötig sei, das zu betonen?

Trotz allem hat Marbach Glück im Unglück gehabt. Bürgermeister Jan Trost mag sich auch am Tag drei gar nicht ausmalen, was hätte geschehen können, wenn das Feuer in der dicht bebauten Altstadt mit ihren vielen Holzfachwerkhäusern auf die Nachbargebäude übergegriffen hätte, zumal ein „richtig“ zusammengebauter Molotowcocktail „brennt wie die Hölle“ (O-Ton Polizei). „Der Schock sitzt bei allen noch tief“, sagte Trost im Gespräch mit unserer Zeitung, „aber alle Feuerwehren haben hervorragende Arbeit geleistet.“

Dass sich das Feuer nicht weiter ausgebreitet hat, ist auch den Ersthelfern zu verdanken, Nachbarn, die mit Wassereimern zum Löschen kamen, und so zum Beispiel den Schaden an der evangelischen Kirche gering halten konnten. „Wir wissen nicht, wer das war“, sagt Trost, „wir suchen die Leute aber, um ihnen zu danken.“

Keine 24 Stunden hatte am späten Samstagabend ein Knall viele Marbacher erschreckt: Vor dem Drogeriemarkt Müller war ein sogenannter „Polenböller“ hochgegangen und hatte die große Glastür zerstört. Das war bereits die dritte Attacke gegen das Geschäft innerhalb von eineinhalb Jahren, immer auf die gleiche Art. Die Polizei sieht keinen Zusammenhang mit den drei Brandsätzen, zumal der Tatverdächtige zu der Zeit schon in Haft saß. Auch Bürgermeister Trost sagt: „Das Tatmotiv ist mir völlig schleierhaft.“ Die Polizei sucht weiterhin Zeugen.