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Die heimische Landschaft als großer Park

Gabriele Heusel-Voraus von der Geschäftsstelle „Grüne Nachbarschaft“ und Günter Schlecht, Leiter der Abteilung Grünflächen, mit einem Plan, auf dem alle Projekte verzeichnet sind. Im Hintergrund sind die Hecken der „Junkerles Wiesen“ in Eglosheim zu
Gabriele Heusel-Voraus von der Geschäftsstelle „Grüne Nachbarschaft“ und Günter Schlecht, Leiter der Abteilung Grünflächen, mit einem Plan, auf dem alle Projekte verzeichnet sind. Im Hintergrund sind die Hecken der „Junkerles Wiesen“ in Eglosheim zu sehen, die vor 25 Jahren gepflanzt wurden. Foto: Holm Wolschendorf
Seit 25 Jahren gibt es die „Grüne Nachbarschaft“. Viele sehen die heimische Landschaft seither mit anderen Augen. In der Anfangszeit des Projekts wurden in Ludwigsburg vor allem Hecken und Bäume gepflanzt. Ein Rückblick auf die ersten Jahre.

Ludwigsburg. Täglich kommen hier Dutzende Hundehalter, Jogger und Spaziergänger vorbei. Doch nimmt auch nur einer von ihnen Kenntnis von diesem Stück Natur? Gabriele Heusel-Voraus und Günter Schlecht von der Abteilung Grünflächen der Stadt können ihre Begeisterung jedenfalls kaum im Zaum halten. Üppig wachsen verschiedene Sträucher wie Weißdorn, Schlehe oder Wildrose an diesem über 100 Meter langen und mehrere Meter breiten Ackerrandstreifen. Dazwischen stehen Obstbäume.

Kurzum: Hier an den „Junkerles Wiesen“ in Hörweite von B27 und Autobahn in Eglosheim liegt ein perfektes Refugium für Vögel, Insekten und andere Tiere. „Die dichte Hecke schützt die Vögel“, sagt Heusel-Voraus. Und die Früchte der Büsche sind Vogelfutter.

Was für die Passanten vielleicht aussieht wie ein ungepflegtes Gestrüpp, ist eines der ersten Projekte, das im Rahmen der „Grünen Nachbarschaft“ in Ludwigsburg verwirklicht wurde. 1995 schlossen sich mehrere Gemeinden zu diesem Verbund zusammen. Hintergrund war und sind die immer kleiner werdenden Grünflächen und die immer weiter ausgreifende Wohn- und Industriebebauung. Die Grundidee der „Grünen Nachbarschaft“ ist, die verbliebene Natur besser zu vernetzen, Biotope anzulegen und Natur und Landschaft zu schützen.

Vor allem in den 90er Jahren gab es eine Menge Pflanzaktionen, erinnert sich Günter Schlecht, Leiter der Abteilung Grünflächen, und zeigt Fotos von damals. Das alles musste auf Flächen der Stadt geschehen, da natürlich kein Bauer wertvollen Ackerboden für Hecken oder Büsche hergeben wollte. Auch wenn diese Heckenreihen zum Teil recht wild aussehen, sie werden gepflegt. Das übernehmen oft die Bauern der angrenzenden Felder, sagt Schlecht. „Die Hecken müssen immer wieder auf Stock geschnitten werden.“ Das heißt, sie werden bis auf zehn oder 20 Zentimeter über dem Boden zurückgeschnitten. Nur so lässt sich ein dichter Bewuchs erhalten, der den Vögeln und ihren Nestern Schutz vor Räubern bietet.

Einst waren Bäume am Feld typisch

Über 100 Grünprojekte sind in den vergangenen Jahren unter dem Label „Grüne Nachbarschaft“ in den beteiligten Kommunen verwirklicht worden. Vielen bekannt ist der Planetenweg, der durch den Grünzug zwischen Ludwigsburg, Freiberg und Bietigheim bis vor die Tore von Ingersheim führt. Er ist gleichzeitig auch ein für jedermann erlebbares Symbol für die Grundidee hinter alledem: Grünflächen miteinander zu verbinden.

Auch an der „Junkerles Wiesen“ ist mit dem langen Heckenstreifen noch nicht Schluss. Gleich daneben zieht sich ein breiter Ackerrandstreifen entlang zu einer weitläufigen Wiese, auf der mehrere Bäume stehen. „Auch die wurden 1995 gepflanzt“, erzählt Schlecht. Zum Beispiel ein Speierling oder eine Eiche. Die Obstbäume werden vom Obst- und Gartenbauverein gepflegt.

„Früher war es typisch, dass an den Feldern noch Obstbäume standen“, sagt Heusel-Voraus. Die brachten den Bauern einen zusätzlichen Ertrag, im Sommer Schatten und im Winter, bei hohem Schnee, dienten sie als Wegmarkierung. Dann kamen die großen Landmaschinen. Denen standen die Bäume im Weg. Heute versucht man das Rad wieder zurückzudrehen – zumindest an einigen Stellen. Denn: Jeder Baum erhöht die biologische Wertigkeit der Landschaft.

Doch nicht nur Hecken und Bäume stehen im Fokus der „Grünen Nachbarschaft“. Auch zahlreiche Gewässer wurden in den vergangenen Jahren renaturiert oder wieder an die Oberfläche geholt. Etwa der Hartmannsgraben auf der Oßweiler Höhe oder der Gründelbach, der vom Golfplatz am Monrepos Richtung Freiberg fließt.

Artenvielfalt auf den Friedhöfen

All diese großen und kleinen Projekte, die vor allem in den 90er Jahren verwirklicht wurden, haben seit der Coronakrise ihren großen Auftritt. „Die Feldwege sind voller Leute“, sagt Schlecht. Die einheimische Bevölkerung hat sich in den letzten Wochen wohl so intensiv mit der Landschaft vor der Haustüre beschäftigt wie schon lange nicht mehr.

Und wie geht es weiter? Große Pflanzaktionen sind selten geworden, da dafür der Platz fehlt. „Die Möglichkeiten bei uns sind ausgeschöpft. Die Stadt müsste sich neue Flächen kaufen“, sagt Schlecht. Punktuell oder am Ackerrand könne man aber weiter aktiv bleiben.

Und es wird weiter daran gearbeitet, die Bevölkerung mit ins Boot zu holen, sagt Gabriele Heusel-Voraus, die die Geschäftsstelle der „Grünen Nachbarschaft“ leitet. Dafür finden eine Menge Aktionen statt, zum Beispiel der Vorgartenwettbewerb. Aktuell wird darüber nachgedacht, wie Friedhöfe ökologisch aufgewertet werden könnten. Denn auch auf den Gräbern machen sich Schotter und Steine breit. „Dagegen gibt es in unseren Augen eine ganze Reihe von pflegeleichten Alternativen, die die Artenvielfalt erhalten.“