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Literatur
Die Hufe klappern nicht synchron

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Hat sich für ihren Roman intensiv mit Ludwigsburg um 1918 beschäftigt: die Autorin Ulrike Ladnar.Foto: Oliver Bürkle
Die Anfrage dafür kam aus der Barockstadt: Ulrike Ladnar hat mit „Die Spur der Stachelbeeren“ einen historischen Ludwigsburg-Roman geschrieben. Die Österreicherin betrieb dafür intensive Recherchen. Doch wie schreibt man eigentlich einen Roman über eine Stadt, die man kaum kennt?

Ludwigsburg/Frankfurt. Ulrike Ladnar hat schon einige Bücher geschrieben, über Wien, über Frankfurt, ihre Wahlheimat, in beiden Städten kennt sie sich fast blind aus. Aber Ludwigsburg? Es war Petra-Marion Niethammer, die für ihren Ludwigsburger Nikros-Verlag zum Stadtjubiläum und mit Blick auf die Baden-Württembergischen Literaturtage einen historischen Roman für die Barockstadt veröffentlichen wollte. Geschrieben, wenn nur irgendwie möglich, von Ulrike Ladnar, auf die sie beim Querlesen verschiedenster Romane gestoßen war. Die Anfrage hat die Schriftstellerin, die erst im Ruhestand zum Schreiben fand, eine Weile mit sich herumgetragen. „Ich hatte zu diesem Zeitpunkt viele andere Ideen“, erzählt die 73-jährige Österreicherin. „Ich habe mich gefragt: Schaffe ich das?“ Einen Roman über eine Stadt zu schreiben, die man kaum kennt, hat seine Tücken.

 

Im November 2016, das Wetter ist trüb, fährt sie in die Barockstadt, um zu sehen, ob sie eine Verbindung und ein Thema findet. Was ihr auffällt, sind die ehemaligen Kasernen und die rechtwinklig angeordneten Straßen – ob das wohl auch auf das Leben der Bewohner abfärbt? „Vielleicht“, sagt sie sich, „schaffe ich es, mir eine Hauptfigur auszudenken, die hier nicht so ganz reinpasst.“

 

Das ist Lynn. Sie hat eine englische Mutter und gehört deshalb, 1918, also im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs, plötzlich zum Feind. Sie arbeitet zu dieser Zeit in einem Lazarett und behandelt verwundete Soldaten, dabei kommen sie und Doktor Osterag sich näher, in Oberschwester Babette findet sie eine Freundin. Dann wird Lynn entführt und in einer Waldhütte beim Seeschloss Monrepos gefangen gehalten, wo sich vor vielen Jahren zwei geheimnisvolle Todesfälle ereigneten.

 

Krieg und Liebe sind die Eckpfeiler des historischen Romans „Die Spur der Stachelbeeren“. Die Stachelbeeren sind dabei ein Motiv, das immer wieder auftaucht. Denn Lynn, die in einem Haus in der Eberhardstraße unweit der katholischen Kirche wohnt, vermisst ein paar Beeren, die sie gepflückt hat, und dieser Gedanke lässt sie nicht mehr los. Dann tauchen immer wieder ein paar von ihnen auf.

 

Ulrike Ladnar, die in Baden bei Wien geboren und in Bad Mergentheim aufgewachsen ist, hat viel recherchiert. Sie hat Bücher über die Stadt- und Militärgeschichte gelesen, war in Museen, hat Führern Löcher in den Bauch gefragt und ist durch die Straßen flaniert. Was sie brauchte, war die Simulation einer Innenansicht, abseits des touristischen Blickwinkels. „Sonst wäre es nicht authentisch geworden.“ Mittlerweile kennt sie die Stadt gut. Ludwigsburg, das sei für sie im Kern natürlich der Marktplatz, auf dem früher Paraden abgehalten wurden, ein wirklich schöner Platz, wenn auch überdimensioniert für heutige Zwecke, wie sie findet.

 

In Ladnars Roman wechseln sich innere Monologe, Brief- und Tagebucheinträge Lynns und die Erzählung ab, hinzu kommen frei erfundene Zeitungsartikel aus jener Zeit und ein bisschen wohldosiertes schwäbisches Lokalkolorit. Auch Werke Schillers und Mörikes spielen eine Rolle. Bei verschiedenen Gelegenheiten holt Lynns Vater immer wieder eine seiner berühmten letzten Flaschen Wein von seinem württembergischen Herzog aus dem Keller.

 

Die Schriftstellerin schafft es, mit sprachlicher Leichtigkeit das alte Ludwigsburg lebendig werden zu lassen. „Ich freue mich, wenn Soldaten auf ihren Pferden oder in ihren Pferdewagen kommen. Das sieht dann zwar auch ordentlich und exakt aus, aber die Pferdehufe klappern nicht synchron“, sinniert Lynn an einer Stelle. Die Unordnung, der Aufbruch der Strukturen ist so ein roter Faden, der immer wieder aufgegriffen wird. Dazu gehört eben auch Lynn, deren Lebenssituation zwischen den Nationalitäten ganz nebenbei den Bogen zu manch einer politischen Debatte der heutigen Zeit schlägt.

 

Nicht gleich aufzugeben, hartnäckig zu bleiben und dem Bauchgefühl zu folgen, hat sich für Ulrike Ladnar gelohnt. Sie hat Gefallen an der Garnisonsstadt gefunden. Vielleicht wird die Geschichte ja eine Fortsetzung finden.

 

Info: Ulrike Ladnar, Die Spur der Stachelbeeren, Nikros-Verlag, Ludwigsburg, 303 Seiten, 14,80 Euro. Die Autorin liest am Samstag, 1. September, um 15 Uhr im Muse-o, Gablenberger Hauptstraße 130, in Stuttgart sowie am Sonntag, 14. Oktober, um 11.15 Uhr bei den Baden-Württembergischen Literaturtagen im Kulturzentrum in Ludwigsburg.