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„Die Kopfhörer sind in Quarantäne“

Besondere Zeiten, spezielle Bedingungen: Die Kusimanten beim nur online übertragenen, aber wie üblich für die Veröffentlichung aufgezeichneten Studio-Konzert im Januar.Fotos: Steffen Schmid/p
Besondere Zeiten, spezielle Bedingungen: Die Kusimanten beim nur online übertragenen, aber wie üblich für die Veröffentlichung aufgezeichneten Studio-Konzert im Januar. Foto: Steffen Schmid/p
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Bettina Bertók und Michael Thumm, die Geschäftsführer der Bauer Studios, sprechen über ihre Erfahrungen in der Krise

Ludwigsburg. Nicht nur Künstler sind von der Coronapandemie betroffen, sondern auch viele Dienstleister, die die Voraussetzungen schaffen, dass deren Arbeit wahrgenommen wird. Von den Auswirkungen der Krise auf ihre Tätigkeit als Tonstudio haben uns Bettina Bertók und Michael Thumm, die Geschäftsführer der renommierten Bauer Studios in Eglosheim, im Interview erzählt.

Frau Bertók, Herr Thumm, wie haben Sie die erste Phase der Pandemiekrise im vergangenen Jahr erlebt?

Michael Thumm: Mit dem Lockdown im März hat sich der für das kommende Vierteljahr gut gefüllte Studiokalender innerhalb von einer Woche geleert. Wir saßen gerade auf schon gepackten Equipmentkoffern für eine mobile Aufnahme in München, als nicht nur diese Reise, sondern auf einen Schlag nahezu alles abgesagt werden musste. Dadurch waren wir relativ schnell in einer Art Krisenmodus und haben erst mal geschaut, wie wir das managen können: Was bedeutet und wie beantragt man Kurzarbeit? Was gibt es für staatliche Hilfen? Und wie lange können wir damit überleben?

Wie viele Termine blieben Ihnen im ersten Lockdown erhalten?

Bertók: Nicht sehr viele. Abgesagt wurden alle Veranstaltungen, die für uns Konzertmitschnitte gewesen wären. Genauso abgesagt wurden alle Projekte, zu denen Künstler aus dem Ausland angereist wären. Weiter abgesagt werden mussten alle Projekte, bei denen mehr als fünf Musiker zusammen gespielt hätten.

Thumm: Anfangs waren auch die Abstandsregeln völlig unklar. Zwei Meter, drei Meter, zwischenzeitlich hieß es: zwölf Meter bei Blasmusikern in Spielrichtung. Erst im Mai kam dann die Studie der Charité, die zwei Meter für Sänger und Bläser empfahl. Danach wusste man wenigstens, womit man planen kann.

Was war im Geschäftsfeld Tonstudio in dieser Zeit überhaupt möglich? Und unter welchen Bedingungen?

Thumm: Was wir machen konnten, waren Sprachaufnahmen: Ein Sprecher im Sprachstudio mit guter Klimaanlage, der Redakteur online zugeschaltet – das ging noch. Danach richtig gut durchlüften, Pult, Mikrofone, Notenständer und alles, was Körperkontakt hatte, desinfizieren. Zudem kommen die Kopfhörer für fünf Tage in Quarantäne – das halten wir nach wie vor so.

Wie sah’s im Bereich Filmton aus?

Thumm: Ein geplanter Dokumentarfilm konnte nicht zu Ende gedreht werden, der Dreh für einen Spielfilm erst gar nicht beginnen. Erst im Herbst kamen wieder Aufträge zu Filmen, die bereits vor Corona abgedreht waren und dann in die Postproduktion gingen.

Waren die Labels auch betroffen?

Bertók: Die geplanten Veröffentlichungen im zweiten Quartal konnten noch erscheinen, aber alles danach nicht, weil die Produktionen nicht stattfinden konnten. Dadurch haben wir weniger veröffentlicht und mussten vieles auf dieses Jahr verschieben. Und wer weniger veröffentlicht, verkauft auch weniger Tonträger.

Auch Ihre Studio-Konzerte erscheinen als Livemitschnitt in einer eigenen Reihe. Seit Herbst wurden nun zwei Termine als Livestream produziert. Welche Perspektive verfolgen Sie damit?

Bertók: Solange die Beschränkungen bestehen, werden wir weiterhin streamen. Wir haben im vergangenen Jahr stark in Equipment, Personal und Netzwerke investiert, um unsere Studio-Konzerte ins Internet zu bringen.

Thumm: Allerdings war uns schnell klar, dass das Ergebnis den Ansprüchen, die wir an unsere Audioarbeit haben, in nichts nachstehen soll. Musik auch im Bild zu vermitteln, ist noch mal ein eigener Arbeitsschritt.

Ist daraus ein neues Geschäftsfeld entstanden?

Bertók: Ja, ohne Corona hätten wir uns nie Gedanken über die Bildseite unserer Arbeit gemacht. Und jetzt sind wir in der Lage, Konzerte zu streamen oder kleine Videos während der Produktion für die Künstler herzustellen – eine schöne Entwicklung.

Wie würden Sie Ihre Einbußen 2020 näherungsweise beziffern? Und konnten diese durch staatliche Unterstützungsprogramme zumindest teilweise kompensiert werden?

Bertók: Insgesamt sind uns sicher locker 40 Prozent unserer Umsätze im vergangenen Jahr weggebrochen. Wir haben Überbrückungsgeld beantragt und gute Erfahrungen damit gemacht, weitere Unterstützungsmöglichkeiten prüft unsere Steuerberatung. Durch das „Kunst trotz Abstand“-Programm war es uns auch möglich, die Kamerateams für die Live-streams angemessen zu bezahlen.