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Die Modellstadt rückt doch näher

Land will die Anschaffung von mobilen Luftfiltern jetzt doch fördern. Archivfoto: Becker
Land will die Anschaffung von mobilen Luftfiltern jetzt doch fördern. Foto: Becker
In den Streit um Luftfilter ist Bewegung geraten. Zwar hat die Stadtverwaltung das Otto-Hahn-Gymnasium gestoppt, das vier Luftreiniger für die Abiturprüfung installieren wollte. Langfristig arbeitet sie jedoch nach eigener Aussage daran, Modellstadt zu werden. Und Mann+Hummel hat das Angebot erneuert, für die Prüfungen alle Schulen auszustatten.

Ludwigsburg. Eigentlich ist Ludwigsburg eine Stadt, die mit Modellprojekten gerne ihren eigenen Sonderweg geht. Doch in Sachen Luftreiniger in Schulen (und Kitas) legt die Verwaltung Zurückhaltung an den Tag. Mehr noch: Sie hat es dem Otto-Hahn-Gymnasium untersagt, auf eigene Kosten (über Förderverein und Eltern) angeschaffte Luftreiniger im Schulgebäude aufzustellen. Vier an der Zahl, darunter zwei für je 200 Quadratmeter für die Säle, sollten ab Montag die Abiturprüfungen begleiten.

Gleichbehandlung als Leitprinzip

Die Begründung der Stadt für die Absage ist so eindeutig wie bestimmt: „Wir haben einem Alleingang einer Schule nicht zugestimmt, weil wir als Schulträger sowohl für die Verkehrssicherheit als auch die Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler zuständig sind. Mit einer solchen Aktion wären diese beiden Grundsätze nicht erfüllt worden.“ Der Schulleiter des OHG, Mathias Hilbert, gleichzeitig Geschäftsführender Direktor aller Gymnasien, hat dafür Verständnis. Die Stadt habe in Sachen Schnelltests und jetzt mit der Awo und ihrem PCR-Gerät für Coronatests für Schüler bisher vorbildlich gehandelt und erfolgreich einen Sonderweg beschritten – was nicht heißt, dass er lockerlässt. Die Rektoren aller weiterführenden Schulen seien erneut abgefragt worden, bis auf das Goethe-Gymnasium mit neuer Lüftungsanlage wollten alle mobile Filter. Die Gleichbehandlung, sagt auch Hilbert, müsse aber gewahrt bleiben.

Das ist ein sensibles Thema: Die (kostenfreie) Bildungsgerechtigkeit gehört nicht umsonst zu den hehren Prinzipien im Schulsystem, auch wenn es in dem Fall nicht primär um Lerninhalte geht – wohl aber um die Bedingungen. Deswegen hat auch die evangelische Kirche den (von Förderverein und Eltern bezahlten) zwei Luftreinigern im Oßweiler Schlosskindergarten zugestimmt, wie der Kita-Verwalter Tobias Laufs erläutert: „Das ist ein Einzelfall. Im alten Schloss gibt es eine sehr spezielle Situation.“ Die Luftreiniger ersetzten das Lüften, das dort schwierig sei. Für andere Kitas stünde die Ausstattung mit Luftfiltern derzeit nicht auf der Agenda, und es gebe damit auch keine Debatte.

In den Schulen sehr wohl: Vom Geld aber, das wurde schon in der Diskussion von Eltern und Rektoren, aber auch im Gemeinderat deutlich, dürfe es nicht abhängen, wie gut Schulen ausgestattet seien. Bisher werden bei Modellrechnungen mangels finanzieller Unterstützung vom Land primär die Eltern zur Kasse gebeten. Das hat auch für die größten Befürworter ein G’schmäckle, wie etwa bei der FDP-Stadträtin Stefanie Knecht, die auf die große – und bezahlte – Lösung setzt.

Sie hatte mit ihrem Antrag im Sozialausschuss kürzlich dafür gesorgt, dass die Stadt den offiziellen Auftrag hat, den Einsatz von Luftreinigern in Schulen und Kitas zu evaluieren und auf das Land zuzugehen. Das Ziel: Die langfristige Ausstattung aller Schulen mit Luftreinigern, die nicht nur in Pandemiezeiten für reine Luft sorgen, sondern auch sonst die Lernqualität verbessern respektive Viren, Bakterien, stickige Luft oder Schadstoffe beseitigen. Letzteres spielt gerade im formaldehydbelasteten Bildungszentrum West eine große Rolle.

Damit und mit der vehementen Forderung der Aerosol-Forscher stoßen Rektoren und Eltern bei Luftfilterherstellern natürlich auf große Zustimmung. Der Fachverband Gebäude-Klima (FGK) mit Sitz in Bietigheim-Bissingen berichtet von „unzähligen Anfragen von Schulen und Schulämtern zu lüftungstechnischen Maßnahmen in Schulgebäuden und Klassenzimmern“ – verbunden mit dem Appell an die Politik, Förderprogramme aufzulegen. Bisher zieht sich das Land auf das Umweltbundesamt zurück, das für Lüften plädiert und nur die Aufrüstung fester Anlagen fördert. Wie der FGK sagt, seien mobile Lüfter der Anfang, um auch langfristig für CO2-arme Klassenzimmer zu sorgen.

Kai Kuppinger von der Firma AFS Airfilter Systeme in Untermünkheim wohnt in Ludwigsburg, bietet ebenfalls Lüftungssysteme an und macht das Land verantwortlich: „Baden-Württemberg hinkt unverständlicherweise hinterher.“ Auf Gleichbehandlung pocht Wilfried Padotzke, der sich mit seinen Luftreinigern seiner Firma Schubert e.K. schon vor Monaten bei der Stadt gemeldet habe. Er bittet darum, bei einer eventuellen Ausschreibung auch den Mittelstand zu berücksichtigen.

Die es nach aktuellem Stand langfristig geben könnte. Gestern Abend teilte die Stadt mit, sie werde noch diese Woche mit dem Gemeinderat ins Gespräch gehen, ob die Schulen mit mobilen Lüftern ausgestattet werden könnten. Hier kommt wieder M+H ins Spiel: Der Filterhersteller hat gestern sein Angebot erneuert, alle weiterführenden Schulen – also auch Werkrealschule, Gemeinschafts- und Realschulen – für die Dauer der Prüfungen kostenlos mit Luftreinigern auszustatten. Das Abitur geht noch bis 19. Mai, nach den Pfingstferien beginnen die Realschulprüfungen. Wie der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Fischer gestern auf Anfrage unserer Zeitung sagte, wolle M+H „schnell und unbürokratisch“ mit Luftreinigern helfen. „Nicht helfen zu dürfen, obwohl man helfen kann, trifft uns hart.“

Modellstadt für Luftfilter an Schulen

Der Schmerz dürfte gelindert werden: Mit dem Engagement von M+H wäre nicht nur der Test vor Ort gewährleistet, sondern auch der Weg zu einer „dauerhaften und einheitlichen Lösung“ geebnet, die die Verwaltung anstrebt. Für Mathias Hilbert ist das mehr als nur ein Hoffnungsstreif am Horizont: Er rechnet damit, dass sich die Stadt auch in Sachen mobile Luftfilter zum Vorbild macht. Diese Woche wird ein erstes Ergebnis erwartet, die Erkenntnisse der Prüfung will die Stadt dann am 17. Juni im Bildungs- und Sozialausschuss beraten. „Um eine Modellstadt zu werden, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Daran arbeiten wir.“ Und da wäre er wieder, der Sonderweg.