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„Die Respektlosigkeit nimmt zu“

Julia-Katharina Zwick arbeitet derzeit hauptsächlich am Schreibtisch, da sie schwanger ist. Foto: Ramona Theiss
Julia-Katharina Zwick arbeitet derzeit hauptsächlich am Schreibtisch, da sie schwanger ist. Foto: Ramona Theiss
Seit 1. April ist Julia-Katharina Zwick zumindest auf begrenzte Zeit die Leiterin des Polizeipostens Steinheim. Im Januar wird die 27-Jährige die Urmenschstadt aber wieder verlassen – sie ist schwanger.

Steinheim. Meine Kollegin sagt, alle Polizistinnen seien blond und hätten einen Pferdeschwanz. Das Klischee stimmt (lacht)?

Julia-Katharina Zwick: Das ist natürlich ein Klischee, aber zusammengebundene Haare sind im Dienst geschickter. Es ist auch vom Dienstherrn nicht gewünscht, dass man die Haare offen trägt wegen der Sicherheit. Ab einer gewissen Länge kann man die Haare einklemmen. Es ist auch schon vorgekommen, dass sich jemand bei einem tätlichen Angriff in den Haaren vergreift.

Können Sie Jiujiutsu?

Wir haben ein eigenes Programm. Das ist kein Kampfsport, sondern Abwehr- und Zugriffstechnik. Darin werden wir geschult, in der Ausbildung aber auch später in Fortbildungen. Wir müssen das immer wieder auffrischen. Es ist für Frauen und Männer das gleiche Programm.

Ist so ein Programm für Frauen besonders wichtig? Müssen Sie sich körperlich wehren?

In meinem Studium habe ich gelernt, dass es in Einsätzen deeskalierend wirken kann, wenn die Streife gemischt ist, sprich ein Mann und eine Frau. Ich persönlich hatte bei Einsätzen das Gefühl, dass viele Männer gegenüber Polizistinnen eher Hemmungen haben, handgreiflich zu werden. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass man sich im Ernstfall wehren können und Maßnahmen durchsetzen muss, deswegen agiert man auch immer im Team.

Ich hätte schon gedacht, dass Frauen sich schon mal bei einem Einsatz einen dummen Spruch anhören müssen oder angegriffen werden?

Das gibt es auch, aber ich persönlich kann nicht bestätigen, dass ich als Frau häufiger Angriffsziel war. Ich war seit 2016 im Streifendienst im Revier in Kornwestheim und da habe ich die Erfahrung nicht gemacht.

Gibt es innerhalb der Polizei Vorurteile von älteren Kollegen?

Nein, überhaupt nicht. Ich weiß, dass es früher schwerer war. Als 1987 die ersten Frauen angestellt wurden, da war es eher so, aber heute ist tatsächlich eine Gleichberechtigung da und auch die Akzeptanz.

Sexismus bei der Polizei gibt es also nicht?

Ich kann nur immer von mir selbst sprechen, ich habe da nichts mitbekommen. Aber Polizei ist ein Querschnitt der Gesellschaft. Sexismus ist immer zu verurteilen und wird auch von der Führung streng verurteilt. Ich habe keine schlechten Erfahrungen gemacht. Alles steht und fällt mit den Kollegen und ich hatte immer Glück. Die Kollegen hier in Steinheim sind top und da macht einem die Führungsaufgabe auch Spaß. Eine gute Zusammenarbeit zu haben, ist wichtig.

Wie sind Sie in Steinheim gestartet?

Man hält sich am Anfang zurück, schaut, wie es läuft, der Posten ist vorher ja auch gelaufen, deswegen muss man nicht gleich alles umkrempeln, sondern kann, die Ideen, die man hat, umsetzen, je nachdem, ob es passt oder nicht. Hier war alles gut. Der Stellvertreter hat es sehr gut gemacht, es sind alles erfahrene Kollegen. Ich habe nichts umgestellt, musste ich auch nicht, ich bin ins gemachte Nest gekommen.

Braucht man Durchsetzungsvermögen als Polizistin?

Ja, man muss den Willen haben, man muss sich durchsetzen können. Wir müssen oft Maßnahmen durchsetzen, mit denen der Bürger nicht einverstanden ist.

Trainiert man sich das an?

Man lernt viel, vor allem im Praktikum und danach. Es ist ein laufender Prozess. Man muss im Einsatz hinstehen können.

Nehmen Sie das mit ins Privatleben?

Ja schon. Man merkt schon, wie man sich verändert. Aber nicht negativ. Nur das Durchsetzungsvermögen und den Blick für das bürokratische und die Rechtslagen, das nimmt man schon mit heim. Polizei ist ein Erfahrungsberuf. Mein Freund ist auch ein Kollege, der kann sich bei Bedarf dann schon wehren (lacht).

Wie war Ihr Werdegang? Warum sind Sie zur Polizei?

Mein Vater ist auch bei der Polizei. Das wollte ich schon früh. Ich habe Abitur gemacht und hab im Dezember 2012 angefangen im gehobenen Dienst. Da war ich zwei Jahre zum Studium in Freiburg. Währenddessen gibt es Praktika. Mich hat das Miteinander mit Menschen und die Ermittlungsarbeit gereizt, eine Bürotätigkeit konnte ich mir nicht vorstellen. Mir hat der Streifendienst viel Spaß gemacht, aber auch der Tagesdienst. Ich komme ursprünglich aus Heidenheim, habe mich dann beim Polizeipräsidium Ludwigsburg und auch in Stuttgart beworben, da ich in ein städtisches Umfeld wollte. In Kornwestheim habe ich dann angefangen. Die Führungsaufgabe hat sich später entwickelt.

Der Beruf birgt aber auch Gefahren. Sie haben ihn trotzdem gewählt?

Man ist sich dessen bewusst, aber mich hat es nicht davon abgehalten, ob es schwierig wird. Der Beruf verändert sich aber tatsächlich, wird schwieriger, auch wegen der zunehmenden Respektlosigkeit.

Merkt man das auch hier im ländlichen Bereich?

Ja, ich finde schon. Es ist egal, in welcher Region und in welcher Gesellschaftsschicht. Es kommt immer auf den Mensch an. Man merkt, dass die Leute unverschämter werden, dass sie Maßnahmen infrage stellen, Personalien nicht angeben, der Ton manchmal unangemessen wird. Wir reden normal mit den Bürgern und das Gleiche erwarten wir auch von ihnen.

Gibt es Gewalt?

Ja, zu Gewalttätigkeiten kann es überall kommen, das ist aber personen- und fallabhängig. Berauschende Mittel wie Alkohol oder Drogen senken natürlich die Hemmschwelle.

Ist die Polizei aber auch noch Dein Freund und Helfer?

Ja, auch wenn der Ton rauer wird, der Großteil der Bürger sind höfliche, nette Leute, die uns um Rat fragen, um Hilfe bitten, mal nachfragen, auch bei Sachen, für die wir eigentlich nicht zuständig sind.

Die Rassismusdebatte ist gerade stark am köcheln. Wie stehen Sie zu einer Studie?

Rassismus ist immer zu verurteilen, das wird auch in der Polizei aufs Schärfste verurteilt. Polizeibeamte unter Generalverdacht zu stellen, halte ich für falsch. Personen werden von uns kontrolliert und Maßnahmen getroffen, wenn die Rechtsgrundlage besteht. Wer auffällig ist, wird kontrolliert, egal ob es ein eine Person mit Migrationshintergrund ist oder nicht. Wir machen keinen Unterschied, wir behandeln alle gleich.

Sie sind schwanger. Irgendwann sind Sie Mutter. Machen Sie sich Gedanken, wie sie mit der Verantwortung umgehen, ob Sie weiter auf Streife gehen wollen?

Bisher ist es noch sehr abstrakt. Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht. Aktuell ist das nicht die Priorität. Gefährlich ist der Beruf immer, das war mir von Anfang an klar. Der Respekt ist da und man hat immer im Hinterkopf, dass etwas passieren kann. Das ist für die Gesunderhaltung wichtig. Man macht sich schon Sorgen, aber ich kenne das auch von meinem Vater. Und mein Partner ist ebenfalls bei der Polizei und unterstützt mich.