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Die Solar-Pioniere von einst könnten ins Abseits geraten

Felsengartenkellerei in Hessigheim: Ihre Solarmodule bringen die Kommune auf Platz eins der Solarkreisliga. Foto: Andreas Becker
Felsengartenkellerei in Hessigheim: Ihre Solarmodule bringen die Kommune auf Platz eins der Solarkreisliga. Foto: Andreas Becker
Es bleibt dabei: Hessigheim ist Kreismeister in Sachen Solarstrom. Dies ist das Ergebnis der neuen Solarkreisliga, mit der die Solarinitiative Ludwigsburg und der Landkreis an die Kreiswertungen der 2018 eingestellten Solar-Bundesliga anknüpfen. Derweil sind gerade Sonnenstrom-Pioniere mit einer Verschlechterung konfrontiert: Sie erhalten für überschüssigen Ökostrom ihrer alten, aber intakten Anlagen kein Geld mehr – oder bestenfalls viel weniger.

Kreis Ludwigsburg. Die Bestandsaufnahme zeigt für 2019 beim Anteil der Photovoltaik-Leistung pro Einwohner im Kreis ein starkes lokales Gefälle auf: Serien-Kreismeister Hessigheim liegt mit einer „solaren“ Nennleistung von in der Spitze 847,6 Watt pro Einwohner (Wp) weit vor den beiden Tabellenletzten Gerlingen (94,2 Wp) und Asperg (59,3 Wp). Generell stellt sich der eher ländlich geprägte Norden des Landkreises als solarfreundlicher dar als Ludwigsburg und der urbane Gürtel um die Kreisstadt herum.

Das liegt vor allem daran, dass Gewerbebetriebe und Landwirte, die ihre Dächer mit Photovoltaik bestückt haben, die Solarenergie-Erzeugung – bezogen auf die Bevölkerungszahl – deutlich nach oben treiben. Bestes Beispiel ist der Kreismeister: Ausschlaggebend für den guten Wert Hessigheims sind die Solarmodule der Felsengartenkellerei. Auch die drei Nächstplatzierten profitieren maßgeblich vom örtlichen Gewerbe: Oberriexingen liegt vor allem dank des Werkzeugbauers Peter Essich auf Platz zwei, Sachsenheim verhilft das Logistikzentrum des Sportwagenbauers Porsche zum dritten Platz, und in Erligheim – Rang vier – gibt es im Gewerbegebiet im Nordwesten der Gemeinde gleich mehrere Photovoltaik-Anlagen.

Die Kreisstadt hingegen liegt auf einem hinteren Rang – obwohl beispielsweise der Kabelhersteller Lapp mit seiner 1000-kWp-Anlage einer der größten Solarstrom-Erzeuger im Kreis ist. „Bezogen auf die Einwohnerzahl der Stadt Ludwigsburg ist diese Leistung aber relativ gering“, sagt Helmut Wöhner von der Solarinitiative. Hinzu kommt, dass Deutschlands größte Solarthermie-Anlage am Ludwigsburger Römerhügel in der Auswertung noch keine Rolle spielte: Der riesige Solarpark der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim ging erst im Mai 2020 ans Netz.

Während so inzwischen vor allem die Wirtschaft für Zuwächse bei der Sonnenenergie-Erzeugung sorgt, geraten die kleinen Bürgeranlagen, die vor 20 Jahren zu Pionieren der Energiewende wurden, in Bedrängnis: Über ihnen schwebt das Damoklesschwert der schon kurzfristig drohenden Unwirtschaftlichkeit. Nach der aktuellen Gesetzeslage fallen ab Januar 2021 alle seit 20 Jahren laufenden Anlagen aus der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und können den überschüssigen Strom, den sie über den Eigenbedarf hinaus liefern, dann kaum noch ins Stromnetz einspeisen. Nach etlichen Verbesserungsvorschlägen der Bundesländer – darunter auch Baden-Württembergs – zeichneten sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren zwar bescheidene Fortschritte ab, sagt Jürgen Bothner von „Sonne aufs Dach“ in Kirchheim, dessen Initiative 2001 die lange Zeit größte Solaranlage im Kreis errichtet hatte. Doch unter Dach und Fach sind diese leichten Fortschritte keineswegs: Eine weitere Verhandlungsrunde der Länder mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in der vergangenen Woche habe kein Ergebnis gebracht, berichtet der Asperger Grünen-Landtagsabgeordnete Jürgen Walter. Er fürchtet, dass ohne Lösung im Kreis bis 2025 ein Abbau von bis zu 1000 alten, aber noch intakten Solaranlagen droht.

Jürgen Bothner hofft, dass es zumindest dazu kommt, dass die Alt-Anlagen ihren überschüssigen „grünen“ Strom weiter einspeisen können – befristet bis 2027 und gegen ene bescheidene Vergütung von 2,5 Cent je Kilowattstunde. Weil die Gemeinde Kirchheim als Direktabnehmer eine Vergütung nahe am Marktpreis bezahlt, werde man mit einer Mischkalkulation dann überleben: „Wir könnten weitermachen. Aber die Klimaschutzziele rücken so in weite Ferne“, sagt Bothner.

Der Solarverein Marbach wird für seine erste Anlage auf dem Dach des Friedrich-Schiller-Gymnasiums einen Liefervertrag mit den Elektrizitätswerken Schönau abschließen, erzählt Vereins-Vize Bernd Waser. Die einstigen Stromrebellen aus dem Schwarzwald haben diese Lösung eigens für die aus der EEG-Förderung fallenden Anlagen entwickelt und bezahlen den kleineren unter ihnen, befristet auf drei Jahre, sechs Cent pro Kilowattsunde. Einen regionalen Ansatz verfolgen die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim, die viele kleine Anlagen in der Gegend ab 2021 in einer Pool-Lösung zu einem „virtuellen Kraftwerk“ zusammenschalten wollen. Schon jetzt bieten die SWLB Besitzern von Post-EEG-Anlagen Speichertechnik für ihren überschüssigen Strom an.

Für welches Modell sich der Solarverein Asperg entscheidet, ist offen. Für seinen Verantwortlichen Carl Fink steht nur fest, „dass unsere Anlagen unbedingt weiter Strom liefern sollen, solange es geht“. Im Gespräch ist man unter anderem mit der Stadt, die dem Verein eine Übernahme zu einem eher symbolischen Preis anbietet. Denn Aspergs Klimaschutzmanager Alexander Greschik will den Ökostrom vor Ort voranbringen – und die Stadt aus dem Tabellenkeller der Solarliga holen.