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Ein Kosmos der bunten Formen

Urbane Räume und ihre Bewohner: Benjamin Badock zeigt in Kornwestheim seine spannenden Arbeiten. Fotos: Holm Wolschendorf
Urbane Räume und ihre Bewohner: Benjamin Badock zeigt in Kornwestheim seine spannenden Arbeiten. Foto: Holm Wolschendorf
Urbane Räume und ihre Bewohner: Benjamin Badock zeigt in Kornwestheim seine spannenden Arbeiten. Fotos: Holm Wolschendorf
Urbane Räume und ihre Bewohner: Benjamin Badock zeigt in Kornwestheim seine spannenden Arbeiten. Foto: Holm Wolschendorf
Urbane Räume und ihre Bewohner: Benjamin Badock zeigt in Kornwestheim seine spannenden Arbeiten. Fotos: Holm Wolschendorf
Urbane Räume und ihre Bewohner: Benjamin Badock zeigt in Kornwestheim seine spannenden Arbeiten. Foto: Holm Wolschendorf
In den Drucken Benjamin Badocks fügen sich Grundformen in kräftigen Farben wie Bauklötze zu einem Kaleidoskop des Alltags. Nun zeigt der Leipziger eine Auswahl seiner bisweilen augenzwinkernden Arbeiten im Museum im Kleihues-Bau.

Kornwestheim. Bei Benjamin Badock ist das ganze Leben ein knallbunter Kosmos der Figuren, selbst Plattenbauten – sonst eher ein Symbol für soziale Tristesse und ästhetische Irrwege – kommen in seinen Arbeiten spielerisch und leicht daher. Nun zeigt der 1974 in Chemnitz geborene Künstler im Museum im Kleihues-Bau seine unkonventionelle Ausstellung „Halt mal“. Typisch für Badock ist eine Art Baukastenprinzip, das seinen Drucken zugrunde liegt: Kreise, Rechtecke, Quadrate und Dreiecke bilden – nebenbei an die Bauhaus-Ästhetik der Zwanziger gemahnend – als geometrische Grundformen die Basis der meisten Arbeiten. So entstehen kursiorische Stadtlandschaften mit Menschen und Gebäuden, bisweilen schweift der Blick des Flaneurs auch ins Innere, hinter die Gardinen eines Fensters, wo eine weibliche Sillhouette erkennbar ist. Wer hier wohl wohnt?

Seine „Aufstellungen“ – in Anlehnung an die Methode der Psychotherapie, Familienbeziehungen zu analysieren – sind Konstellationen, die durch eine grundsätzlich beliebige Kombination einzelner Menschen-Porträts entstehen. Darunter sind so klassische Figuren wie der Hundehalter, der Clown, der Pilzfreund, der Koch, die sich im Kopf des Betrachters schnell zu kurze Geschichten des urbanen Raums zusammenfügen. „Diese Typen entsprechen natürlich Klischees“, erklärt Badock, „das Ziel ist aber nicht deren Verfestigung – sondern ihre Hinterfragung.“

Hinterfragt wird auch die ästhetische Qualität von ost- wie westdeutschen Plattenbauten. 21 Arbeiten aus der „Plattenbau“-Serie – seine dieser zugrundeliegende Diplomarbeit von 2008 umfasst rund hundert Werke – hat er an einer Wand im Kleihues-Bau gruppiert. Die Hochdrucke haben eine beinahe malerische Anmutung, wirken fast reliefartig. Zusammengesetzt sind sie aus 40 verschiedenen Modulen, die er für die Drucke immer wieder neu arrangiert, unterschiedlich färbt, überlagert. „Die Häuser sind gleichzeitig ein Porträt der Bewohner“, erklärt der Künstler, der seit einigen Jahren in Leipzig lebt und arbeitet. Je nach individueller Gestaltung hat der Betrachter also sogleich eine grobe eigene Vorstellung von den Menschen, die in den Häusern möglicherweise leben könnten. „Man lernt hier sehen“, schwärmt Museumsleiterin und Kuratorin Saskia Dams, die Badock seit seiner Reutlinger Ausstellung vor rund zehn Jahren kennt und diesen nun, coronabedingt etwas verzögert, für eine Ausstellung in Kornwestheim gewinnen konnte. Dass es ihm gerade Plattenbauten angetan haben, ist natürlich kein Zufall, sondern Teil seines persönlichen Fokus, den Reiz des Unperfekten in Szene zu setzen. Was ihn fasziniert, sind „Lösungen für Baufälliges und Hinfälliges, Momente der Selbstermächtigung der Bewohner“, etwa indem sie sich mit kaputten Strukturen arrangieren oder diese reparieren – ein Blickwinkel, dem er auch in vielen (in dieser Ausstellung nicht gezeigten) Fotografieserien widmet.

Ein Anliegen von Benjamin Badock, der in Chemnitz und Braunschweig neben Kunst auch Architektur studierte, war, einen Bezug zum Kornwestheimer Museum herzustellen – und wie ginge dies besser als über die ungewöhnliche Architektur des Gebäudes? 55 schwarze und grausilberne Hochdrucke aus Kreisen, Rechtecken, Quadraten und Dreiecken bilden nun das charakteristische Dachprofil des Kleihues-Baus. Darauf hat er in der für ihn typischen geplant-anarchischen Weise drei Arbeiten und Komplexe gruppiert.

Ein Augenzwinkern ist bei vielen Arbeiten Badocks, der 2012 den zweiten Preis der Stiftung Kunst, Kultur und Bildung der Kreissparkasse Ludwigsburg gewann, fast immer mit dabei. Der „Astronaut“ grüßt, auf dem Kopf stehend, weit oben von der Wand knapp unter der Decke. Auch die moderne Technik hält Einzug: Per App können Besucher eigene Kunstwerke im Stile Badocks kreieren und wahlweise speichern oder drucken lassen. Ergänzt wird das Ganze durch mehrere Saugroboter, die nach einem fest programmierten Schema ihre Holzhäuschen verlassen und einer Art wilder Choreografie folgen.

Info: Die Ausstellung im Museum im Kleihues-Bau in Kornwestheim wird am Freitag, 30. September, um 19 Uhr eröffnet. Sie ist bis 15. Januar zu sehen.