1. Startseite
Logo

Ein Netzwerk gegen Langzeitfolgen

Ärzte im Kreis wollen bei der Behandlung lange anhaltender Beschwerden verstärkt kooperieren.Foto: HNFOTO/stock.adobe.com
Ärzte im Kreis wollen bei der Behandlung lange anhaltender Beschwerden verstärkt kooperieren. Foto: HNFOTO/stock.adobe.com
Dass mit der Long-Covid-Ambulanz der Regionalen Kliniken-Holding in Ludwigsburg bald eine zentrale Anlaufstelle schließt, hatte bei Patienten für Verunsicherung bis Ärger gesorgt. Zum Jahreswechsel soll nun ein Long-Covid-Netzwerk der Ärzteschaft seine Arbeit aufnehmen und für besseren Austausch sowie schnellere Überweisungen sorgen.

Kreis Ludwigsburg. Mitte Oktober hatte die Vorsitzende der Ludwigsburger Kreisärzteschaft, Dr. Carola Maitra, eine Fortbildung zum Long- und Post-Covid-Syndrom angekündigt. Diese Veranstaltung für niedergelassene Ärzte und Klinikärzte hat inzwischen online stattgefunden, wie aus einer Pressemitteilung hervorgeht. Mehr als 80 Ärztinnen und Ärzte haben sich demnach nicht nur ausgetauscht, sondern wollen ab dem kommenden Jahr im Rahmen eines Netzwerks in Sachen Long Covid noch enger zusammenarbeiten.

Als Long Covid beziehungsweise Post Covid bezeichnet man Beschwerden, die nach einer Covid-19-Erkrankung lange anhalten – und zwar unabhängig von der Schwere dieser ursprünglichen Erkrankung. „Bei vielen Patienten“, so der Pleidelsheimer Hausarzt Dr. Jürgen Herbers bei der Veranstaltung, „stehen Müdigkeit, Abgeschlagenheit und verminderte körperliche Leistungsfähigkeit im Vordergrund, die sich nur sehr langsam bessern.“ Dauern die Symptome länger als vier Wochen, ist von Long Covid die Rede, bei mehr als drei Monaten von Post Covid. (Im Folgenden wird aus Gründen der Übersichtlichkeit der Begriff Long Covid verwendet.)

Trotz nachvollziehbarer Beschwerden ist die Funktion von Organen nur in wenigen Fällen nachweisbar beeinträchtigt, wie der Lungenfacharzt Dr. Andreas Schwaderer und der Herzspezialist Dr. Sebastian Kruck beschrieben. Deshalb hält die Neurologin Dr. Eva Rauscher laut der Mitteilung ein Behandlungskonzept für erfolgversprechend, das sehr individuell ist und mehrere Fachdisziplinen einbezieht. „Hierbei kommen neben der Behandlung der rein körperlichen Beschwerden auch Verfahren zur psychologischen Unterstützung zum Einsatz“, erzählte sie von ihren Erfahrungen im ambulanten Reha-Zentrum Hess in Bietigheim-Bissingen. „Spezifische Medikamente zur Behandlung gibt es leider noch nicht“, ergänzte der Chefarzt für Lungenheilkunde der Berchtesgadener Schön Klinik, Professor Rembert Koczulla, der an der ersten Leitlinie zur Behandlung des Krankheitsbildes Long Covid mitgewirkt hat.

Im Medizinischen Versorgungszentrum der Regionalen Kliniken-Holding (RKH) in Ludwigsburg gibt es seit Juli eine Long-Covid-Ambulanz, die aber wie berichtet aufgrund eines Personalwechsels Ende November schließt. Ein alternatives Angebot sieht die RKH nicht vor. Bei Betroffenen, denen diese Sprechstunde als ersehnte Anlaufstelle diente, sorgte das für Verunsicherung. „Mit dem Long-Covid-Netzwerk sollen die Patienten langfristig und richtig behandelt werden, also ebenso wie in der Long-Covid-Ambulanz, nur nicht von einer einzigen Ärztin, sondern von einem Netzwerk vieler Fachexperten und der Hausärztinnen und Hausärzte“, beschreibt Carola Maitra auf Nachfrage den Unterschied zwischen den Initiativen.

Aus Sicht der Ludwigsburger Ärzteschaft reicht die Behandlung durch den jeweiligen Hausarzt „in den allermeisten Fällen“ aus. Dieser soll auch weiterhin Ansprechpartner Nummer eins bleiben. „Der Hausarzt oder die Hausärztin kennt den Patienten seit vielen Jahren in seinem Umfeld und kann ihn als Lotse durch das Gesundheitssystem leiten“, so Carola Maitra. Auch aufgrund des langen Verlaufs von Long Covid sieht sie die Patienten dort schwerpunktmäßig am besten aufgehoben. Falls eine Ergänzung nötig ist, wollen Facharztpraxen, Reha-Einrichtungen und die Kliniken im Kreis künftig verstärkt zusammenarbeiten. „Es ist bereits vereinbart worden, dass innerhalb des Netzwerks die Überweisungen schnell vonstattengehen werden, so dass mit nur geringen Wartezeiten auf einen Termin beim Facharzt oder spezialisierten Hausarzt zu rechnen ist“, macht Carola Maitra den Betroffenen Hoffnung.

Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Behandlung von Long Covid wie bereits erwähnt ein umfassendes Konzept erfordert. „Bedenken Sie bitte, dass wir uns erst im Jahre zwei mit Corona befinden“, betont Carola Maitra. Die medizinische Forschung sei gerade erst dabei, die Grundlagen zu verstehen. Doch schon jetzt sei klar, dass es „die eine Behandlungsmethode“ nicht gebe.

Als sinnvoll hätten sich aufeinander abgestimmte Rehabilitationsleistungen, wie etwa Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie, erwiesen. „Außerdem ist im Zuge eines ganzheitlichen Verständnisses der Erkrankung die psychologische Unterstützung der oftmals schwer beeinträchtigten Erkrankten sinnvoll“, so die Medizinerin. Denn Long Covid führe bei den Betroffenen zu monatelangen Einschränkungen, und der Umgang damit gelinge ihnen so besser als allein. Auch Selbsthilfegruppen hält sie daher für nützlich.

Wenn es um Long Covid geht, ist meist von Erwachsenen die Rede. Doch sind davon auch Kinder und Jugendliche betroffen? „Bei uns im Landkreis sind das wirklich nur Einzelfälle“, so Carola Maitra. Dementsprechend sei das Thema bei der Veranstaltung auch erwähnt worden.