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Ein Ratschlag vom VW-Chef

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Der in Ditzingen aufgewachsene Robin Engelhardt ist ein Experte für Elektromobilität, testet Autos, schreibt Artikel für Fachmagazine. Einen dieser Beiträge las auch VW-Chef Herbert Diess – der Konzernchef lud den Studenten daraufhin zu sich nach Wolfsburg ein.

Ditzingen/Wolfsburg. Im Oktober 2020 liest VW-Chef Herbert Diess im Monatsmagazin Cicero einen Artikel, in dem der Verfasser über den Pkw-Antrieb der Zukunft schreibt. Das Rennen sei längst entschieden zugunsten der Batterie, Wasserstoff und Brennstoffzellen hätten in Autos keine Chance. „Technologieoffenheit“ sei im Kfz-Bereich deshalb wenig sinnvoll.

Der Verfasser des Artikels ist Robin Engelhardt, in Ditzingen aufgewachsen, nun Maschinenwesen-Student in München. Der VW-Chef ist so beeindruckt von der Expertise des jungen Mannes, dass er ihn zu sich nach Wolfsburg einlädt.

Sieben Monate später, im Mai dieses Jahres, treffen sich der 21-Jährige und der 62 Jahre alte Diess. Engelhardt war mit seinem Elektroauto, einem Porsche Taycan, nach Wolfsburg gefahren und mehr als eine Stunde vor dem Termin in Wolfsburg. „Für schöne Fotos bin ich extra noch mal zur Waschanlage gefahren“, erzählt der Student.

Das Treffen mit Diess „war eine große Ehre für mich“, sagt Engelhardt. Er habe sich inhaltlich gut vorbereitet und hatte „sehr viel Respekt. Aufgeregt war ich aber nicht.“ Details will er nicht preisgeben, die Unterhaltung war vertraulich, aber sie hätten über sehr viele Themen geredet. „Wie er, als Chef von 600000 Beschäftigten und mit einem bis zum Anschlag gefüllten Terminkalender, trotzdem bei jedem Thema sofort in jedem Detail war, das fand ich sehr beeindruckend“, erzählt Engelhardt. Diess habe ihm in dem Gespräch geraten, das Studium „unbedingt fortzusetzen“. Neben seinem Studium ist der junge Mann nämlich Autoexperte und -tester. Er schreibt in Magazinen und Zeitungen über das Thema und sagt: „Wir brauchen weniger Autos, und die Autos, die wir noch brauchen, sollten möglichst alle elektrisch sein.“

Engelhardt hatte sich nie für Autos interessiert, bis er 2014 zufällig in einem Tesla mitfahren konnte. „Die Beschleunigung hat mich total begeistert.“ Das war der Tag, an dem ihn und seine Familie das Thema Elektromobilität packte. Engelhardts Vater, der damals als Außendienstler arbeitete, kaufte sich ein Tesla Model S, weil er damit viel Benzinkosten sparen konnte. „Dieses Auto hat bei den Kunden so große Resonanz hervorgerufen, dass wir eine Elektroautovermietung gegründet haben“, die Familie kaufte dafür weitere Teslas.

Die Autovermietung ist mittlerweile eingestellt, die Elektromobilität als wichtiges Thema für Engelhardt aber geblieben. In diesem Bereich habe sich in den vergangenen Jahren viel getan, die beiden „größten Hemmnisse“ – zu wenig Autos, zu wenig Ladestationen – seien überwunden worden. Heute gebe es ein „sehr breites Modellangebot und, bis auf den klassischen Kombi, quasi zu allen Karosserievarianten und in allen Fahrzeugsegmenten eine Elektroversion“. Langstreckentaugliche E-Autos, vor Jahren nur von Tesla angeboten, gebe es heute viele auf dem Premiummarkt. „Und bei den Massenautos haben sich die Akkukapazitäten mehr als verdoppelt, was die Reichweite vieler Modelle über die 300-Kilometer-Marke gebracht hat.“

Verbessert habe sich auch die Leistung der Ladesäulen, die laut Engelhardt heute 300 Kilowatt liefern und damit die Ladezeiten von früher bis zu zwei Stunden jetzt „auf teilweise unter 20 Minuten“ haben schrumpfen lassen. Zudem gebe es viel mehr Ladesäulen von vielen Anbietern: „Der Fahrer kann jetzt, ähnlich wie bei klassischen Tankstellen, frei aussuchen, wo er lädt“, sagt Engelhardt. Sein Fazit: „Viele Nachteile des Elektroautos sind kleiner geworden oder sogar ganz verschwunden.“

Dennoch: „Die Elektrifizierung sorgt für mehr Autos und manifestiert alte Gewohnheiten. Auch E-Autos blockieren in unseren Städten Parkraum und stehen, wenn auch abgasfrei, im Stau.“ 47 Millionen Verbrenner-Pkw dürften nicht „eins zu eins“ durch E-Autos ersetzt werden. Engelhardt fordert deshalb „neben der Antriebswende unbedingt auch eine Mobilitätswende. Wir brauchen weniger Autos und viel mehr Radwege, das Fahrrad ist in der Stadt oft einfach vernünftiger als ein Auto.“ Gleichwohl dürfe das Auto nicht verteufelt werden: „Gerade im ländlichen Raum ist ein effizientes Elektroauto umweltfreundlicher als jeder Bus.“

Klimaschutz sei ihm ein wichtiges Anliegen, betont Engelhardt. Wasserstofffahrzeuge seien keine Alternative, sagt er. „Batterie-Elektroautos werden jeden Monat Tausende zugelassen, Wasserstofffahrzeuge gibt es insgesamt einige Hundert im ganzen Land.“ Um den Klimawandel zu bremsen, „müssen wir den Verkehr schnell CO-neutral kriegen. Das geht am besten mit Elektroautos.“