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Es geht auch ohne Erzieherinnen

Beim Morgenkreis wird ein Film für die Preisverleihung gedreht. Foto: Holm Wolschendorf
Beim Morgenkreis wird ein Film für die Preisverleihung gedreht. Foto: Holm Wolschendorf
Der bereits mehrfach ausgezeichnete Kindergarten St. Franziskus bewirbt sich nun auch um den Deutschen Kinder- und Jugendpreis.

BENNINGEN. „Kinder sind die wahren Anarchisten, lieben das Chaos, räumen ab“, sang Herbert Grönemeyer einst in seinem Lied „Kinder an die Macht“. Auch die Kinder von St. Franziskus scheinen den Hit zu kennen. Jedenfalls lautete die Antwort, als Einrichtungsleiterin Saskia Franz die Kinder kurz vor dem vergangenen Weihnachtsfest nach deren größtem Wunsch fragte, dass sie eigentlich gerne mal ohne Erzieherinnen sein würden. Mag sein, dass dem Personal diese Antwort zunächst ein wenig befremdlich erschien. Doch schließlich nahmen die Erzieherinnen ihre Schützlinge beim Wort. Ein wichtiges Ziel der pädagogischen Arbeit sei es, die Kinder zu selbstständigem und eigenverantwortlichem Handeln zu ermuntern, sagt Franz. So wurde das Projekt „Kinder an die Macht“ aus der Taufe gehoben, mit dem sich der katholische Kindergarten jetzt um den Kinder- und Jugendpreis des Deutschen Kinderhilfswerks bewirbt.

Noch vor Weihnachten wagten die Erzieherinnen ein Experiment. Die Vier- bis Sechsjährigen sollten sich einen Tag lang selbst organisieren, während sich das Personal im Obergeschoss aufhielt. Allerdings unter einer Bedingung: Um allzu anarchische Zustände zu vermeiden, wurden drei goldene Regen vereinbart, die auf alle Fälle eingehalten werden mussten. Die Kinder durften das Gebäude nicht verlassen, niemanden verletzen und bei eventuell auftretenden Konflikten das Gespräch suchen, anstatt aufeinander loszugehen.

Zudem wurden im Morgenkreis bestimmte Aufgaben verteilt. Ein Kind beispielsweise hatte als Türsteher darauf zu achten, dass sich niemand nach draußen stahl. Ein anderes Kind behielt die Uhr im Auge und läutete pünktlich um 10 Uhr die Vesperzeit ein. „Für die Kinder war es anstrengend, Verantwortung zu übernehmen“, sagt Saskia Franz. „Aber am Ende hat alles super geklappt, deshalb bewerben wir uns jetzt auch beim Wettbewerb.“ Es handelt sich um den bundesweit höchstdotierten Wettbewerb im Kinder- und Jugendbereich. St. Franziskus startet in der Kategorie „Politisches Engagement“ gegen einen Jugendlichen, der in der Coronakrise eine Internetplattform zur Unterstützung von Risikogruppen entwickelt hat. So können Freiwillige für besonders durch das Virus gefährdete Personen Alltagserledigungen wie Einkäufe übernehmen. Dem Sieger winkt ein sattes Preisgeld von 6000 Euro. Der Zweitplatzierte bekommt immerhin noch 3000 Euro. Über die Vergabe entscheidet der Kinder- und Jugendbeirat des Kinderhilfswerks. Zudem gibt es einen mit 3000 Euro dotierten Publikumspreis. Schon jetzt kann man seinen Favoriten online auf www.ep-juniorclub.de unterstützen (auf der Startseite „Jetzt abstimmen“ anklicken). Die Preisverleihung findet am 27. September statt, eine Delegation aus Benningen wird im Europapark Rust dabei sein.

Ingo Dubinski, der die Preisverleihung moderiert, ist voll des Lobes für die Idee, den Kindern Verantwortung zu übertragen. „Das Projekt wirkt klein, aber es ist nicht klein“, so der Moderator, als er jetzt eine Stippvisite bei St. Franziskus einlegte und gemeinsam mit seinem Kameramann Nils Bade einen dreiminütigen Film drehte, der anschließend auf www.ep-juniorclub.de veröffentlicht wird. „Es ist wichtig, dass die Kinder solche Herausforderungen annehmen“, betonte Dubinski. Wie sein Film aussehe, wisse er noch nicht, sagte der Moderator, als er zum Morgenkreis im Kindergarten kam. Aber das passt ja gut zu den eingangs zitierten Liedzeilen. Mit ein wenig Anarchie sind die Kinder von St. Franziskus bislang jedenfalls gut gefahren.