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„Es gibt bleibende Schäden“

...ist auch PH-Professor Thomas Knubben in das Projekt involviert. Foto: Wolfgang Schmidt/p
...ist auch PH-Professor Thomas Knubben in das Projekt involviert. Foto: Wolfgang Schmidt/p
Der Ludwigsburger Kulturwissenschaftler Thomas Knubben spricht über die Perspektiven

Ludwigsburg. Auch wenn das Revival der Autokinos ein sympathisches Phänomen gewesen sei: Um den Kinosektor müsse man sich ernsthaft Sorgen machen, erklärt Prof.Dr. Thomas Knubben, Leiter des Studiengangs Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Wir haben mit ihm über die Folgen der Coronakrise für die Kultur gesprochen.

Herr Knubben, wie schätzen Sie die Lage ein: Wie wird der Kulturbetrieb in den kommenden Monaten wieder anlaufen?

Thomas Knubben: Der Kulturbetrieb ist bereits wieder angelaufen, aber mit starken Einschränkungen. Dies betrifft vor allem die großen Formate bei Live-Veranstaltungen. Insbesondere Festivals, große Konzert- und Theaterveranstaltungen und der Kinobetrieb leiden sehr stark unter den Kontaktbeschränkungen und mit ihnen alle Künstler und Dienstleister, etwa in der Veranstaltungstechnik. Wo es möglich ist, ins Freie auszuweichen wie beim Ludwigsburger Sommernachts-Open-Air Kino oder beim Tübinger Sommertheater werden bewährte Formate unter Beachtung der Corona-Regeln wieder erfolgreich angeboten.

Wie wird sich die Kulturlandschaft durch Corona verändern? Welche Perspektiven gibt es?

Die Pandemie markiert einen Einschnitt in der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in allen Bereichen, auch im Kulturbetrieb. Er war seit Jahrzehnten immer auf Wachstum ausgerichtet. Dieser Trend wird nun gebrochen. Auf der Makroebene, also im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, gehen die Wirtschaftsinstitute davon aus, dass die aktuellen Einbrüche in wenigen Jahren wieder ausgeglichen werden können, wie man dies in kleinerer Dimension nach der Finanzkrise 2008 erleben konnte. Auf der Mikroebene, bezogen auf die einzelnen Anbieter, wird es aber zu Insolvenzen kommen. Der Kulturbereich ist strukturell, weil oft mit wenig Eigenkapital ausgestattet, besonders gefährdet. Für die Erhaltung der Infrastruktur wurden mittlerweile zwar erhebliche Finanzmittel bereitgestellt. Die goldenen Zehnerjahre aber sind vorbei und die Spielräume in den Zwanzigern werden geringer werden.

Wie wird sich die Vereinskultur ändern?

Darüber lassen sich meines Erachtens noch keine klaren Aussagen machen. Betroffen ist im Kulturbereich vor allem der Musiksektor. Singen in größeren Gruppen ist unter Corona-Bedingungen kaum möglich, und auch im Instrumentalbereich sind die Beschränkungen auf der Bühnen- wie auf der Publikumsseite noch sehr groß. Die Musiklandschaft auch und gerade im Vereinssektor ist in Baden-Württemberg aber sehr stark und insgesamt auch gut aufgestellt. Substanziell betroffen dürften jedoch vielerorts die Musikschulen sein, die in Vereinsform organisiert sein.

Welche Bedeutung wird Kunst Ihrer Meinung nach in Zukunft haben?

Die Coronakrise hat durchaus gezeigt, dass viele Menschen ein großes Defizit empfinden, wenn sie keine Konzerte, Theater, Kinos mehr besuchen können und auch auf die Begegnungen und den Austausch mit anderen Menschen, die mit den Besuchen verbunden sind, verzichten müssen. Mediale Angebote, die in der Krise einen deutlichen Aufschwung genommen haben und als Ergänzung den Rezeptionsraum durchaus erweiterten, können persönliche und körperlich erfahrbare Kulturerlebnisse nicht gänzlich ersetzen.

Die Kinos stehen am Abgrund, Insolvenzen drohen. Welche Perspektiven sehen Sie – wird es in Zukunft vielleicht gar mehr Autokinos geben?

Um den Kinosektor muss man sich Sorgen machen. Er ist aktuell besonders gefährdet. Er muss zurzeit gleich gegen vier Herausforderungen ankämpfen: Die Corona-Beschränkungen, die Streamingdienste, das traditionelle Sommerloch und die Verschiebung von Blockbusterfilmen, die die Grundfinanzierung der Kinos sicherstellen. Hier sind tatsächlich bleibende Schäden zu befürchten. Das Revival der Autokinos war eine spontane Reaktion und ein sympathisches Phänomen. Es hat einen leicht nostalgischen Charakter, für die Gesamtentwicklung des Kinos aber nur punktuelle Bedeutung.

Gerade auch Veranstalter stehen vor dem Nichts. Wie kann die Kulturwirtschaft wieder angekurbelt werden?

Voraussetzung für alle größeren Live-Veranstaltungen ist die Eindämmung der Infektionsgefahr, vorerst durch die Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln und hoffentlich bald durch entsprechende Impfstoffe. Erst danach wird der Betrieb wieder auf volle Touren kommen können. Bis dahin stehen die allgemeinen Wirtschaftshilfen zur Verfügung. Wie lange die einzelnen Veranstalter und Dienstleister durchhalten können, ist individuell verschieden. Die Zeit läuft aber tendenziell gegen sie.

Können die Kulturveranstalter und Vermieter von Veranstaltungsräumen noch etwas unternehmen, um den teils großen Vorbehalte der eigentlich Kulturbegeisterten gegen Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu begegnen?

Die Einschätzungen hinsichtlich der eigenen Gefährdung gehen auseinander. Kulturnutzer, die für sich große Sorge haben, werden Veranstaltungen in geschlossenen Räumen zu meiden versuchen. Grundsätzlich müssen die Veranstalter sich ihrer Verantwortung bewusst sein, die notwendige Vorsorge treffen, die Regeln konsequent einhalten und so ein begründetes Vertrauen aufbauen. Wie wir an den aktuellen Infektionszahlen erkennen, ist die Lage weiterhin sehr labil.