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Fotos auf Friedhöfen: Der Streit geht weiter

Grabsteine sind auch Kulturgut.Foto: privat
Grabsteine sind auch Kulturgut. Foto: privat
Die Stadt will keine Familien- und Ahnenforschung auf ihren Friedhöfen

Ludwigsburg. Bürger schaffen Wissen“ ist ein Projekt, das vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sowie der Deutschen Denkmalstiftung unterstützt wird. Teil dieser Bewegung ist der Verein für Computergenealogie, der 2007 mit der Dokumentation von Grabsteinen startete. Die extensive Datenbank bietet Recherchemöglichkeiten nach Namen und Orten. Ein Mitglied ist wie berichtet Walter Reichert, der in 30 Kreiskommunen (samt Teilorten) schon über 50 Friedhöfe dokumentiert hat. In Ludwigsburg indes durfte er nur den Pflugfelder Friedhof betreten. Seit Ludwigsburg 2016 die Friedhofsordnung geändert hat und nicht nur das gewerbliche Fotografieren verbietet, sondern es auch auf private Nutzer einschränkt, ist der Vorsitzende des Heimatvereins Möglingen mit Kamera nicht mehr willkommen. Das historisch wertvolle Ehrenamt sei privat und nicht gewerblich, sagt der 69-Jährige, „aber das ist wohl Auslegungssache“.

CDU-Rat Klaus Herrmann ist gegen das Verbot, wie er auch im Ausschuss sagte. „Das steht so nicht in der Mustersatzung des Städtetags.“ Dort wird lediglich ein Verbot vorgeschlagen, „ohne schriftlichen Auftrag der Angehörigen gewerblich zu fotografieren“. Die Bemerkung der Fachbereichsleiterin Tiefbau und Grünflächen, Ulrike Schmidtgen, Kornwestheim habe den gleichen Passus, ist laut Herrmann falsch. Einzig das Verbot, „ohne Auftrag gewerbsmäßig zu fotografieren“, ist dort verankert. „Ludwigsburg geht darüber hinaus.“ Den Beweis liefert Reichert: Schon 2017 hat er Kornwestheims Neuen Friedhof fotografiert – mit 8191 Personen auf 4385 Grabsteinen.

„Im Vordergrund stehen der Datenschutz und der Schutz der Privatsphäre“, so die Stadt auf Anfrage. Dem widerspricht Projektorganisator Holger Holthausen: „Der Datenschutz gilt für die Lebenden und nicht für die Verstorbenen.“ Zum postmortalen Persönlichkeitsrecht bestätigte das Amtsgericht Mannheim 2015 die Rechtmäßigkeit des Projekts, das keinen Eingriff darstelle. Öffentlich zugängliche Friedhöfe haben Panoramafreiheit. Die Veröffentlichung im Internet stelle lediglich eine breitere Öffentlichkeit her, so Holthausen. Er betont, dass die Deutsche Friedhofskultur 2020 von der Unesco als Weltkulturerbe gelistet worden sei. Er bedauert die Absage Ludwigsburgs, die nicht begründet worden sei. Mit dem Aufstellen eines Grabsteins sei die Öffentlichkeit hergestellt, geschützte Daten würden nicht erfasst. Mit Rücksicht auf trauernde Angehörige wird zudem das Trauerjahr respektiert. Für Neugierige: grabsteine.genealogy.net.