Kornwestheim. Eigentlich hätte auch die Ludwigsburger Spur schon freigegeben werden sollen. Aber die Maschine, die die notwendigen und unverzichtbaren Schutzplanken aufstellt, gab just am Freitag den Geist auf. Ersatz war auf die Schnelle nicht zu bekommen. Projektleiter Dr. Tim Weirich hofft, dass die Planken spätestens Ende der Woche gesetzt werden. Dann wird die neue östliche Brücke komplett für den Verkehr gesperrt, alles läuft bis zur Vollendung des Mammutprojekts im Frühjahr jeweils einspurig über das Brückenbauwerk-West von Süden nach Norden. Die Fahrbahntrenner aus massiven Betonteilen sind schon gesetzt.
Wie mahnende Finger ragen Stahlstützen meterhoch in den Himmel. Sie sollen einmal Aluminiumkassetten als Lärmschutzelemente tragen. Einige sind schon da, viele aber fehlen. „Materialmangel wegen Lieferengpässen“, erklärt der verantwortliche Bauingenieur Weirich, der das Projekt Gumpenbachbrücke seit mehr als drei Jahren leitet. Auf zwei Wochen schätzt er die Verzögerung, was aber keine Auswirkungen auf den Verkehr haben werde. Hier liege man perfekt im Zeitplan, wird vermutlich sogar drei Monate früher fertig – im Mai statt, wie ursprünglich geplant, erst im August 2022.
Noch klafft ein acht Meter tiefer Spalt zwischen den beiden Brückenwerken. Der wird sich aber im Frühjahr schließen. Sobald die Widerlager fertig sind, wird die eine Brücke um etwas mehr als zehn Meter nach Westen verschoben. Die Pfeiler und ihre Fundamente ruhen bereits in einer Art Führungsrinne und müssen „nur“ wenige Millimeter angehoben werden. Nach dem Raupenprinzip sorgt hydraulische Technik dafür, dass der 4600 Tonnen schwere Koloss in seine endgültige Position ruckfrei und im Schneckentempo beinahe schwebt. Gut zwei Stunden wird die spektakuläre Aktion im April oder Mai dauern. Vier Wochen später kann dann der Verkehr wieder ungehindert fließen. Dann werden noch die Restarbeiten um und unter der Brücke fertiggestellt. „Die Anwohner haben das Ziel bereits vor Augen“, meint Weirich.
Am Ende wird das Mammutprojekt 27 Millionen Euro kosten. Aber die Brücke ist ein Nadelöhr auf der B27 in der Verkehrsaorta von Ludwigsburg nach Stuttgart und umgekehrt. Fertiggestellt wird sie um zwei Spuren aufgeweitet sein. Um jeweils eine Auf- und Abfahrt zur Verbesserung des Verkehrsflusses. Schon während der Bauphase hat Weirich, erkannt, dass es ohne die Anschlussstelle Nord deutlich besser „flutschte“. Aber er befürchtet, dass die positiven Effekte über die sehr kurzen Ampelphasen in Richtung Stadt wieder aufgefressen werden könnten. Die 100 Meter lange Gumpenbachbrücke besteht eigentlich aus zwei Bauwerken. Diese stammen ursprünglich aus dem Jahr 1954 und waren nach dem Krieg mit die ersten Spannbetonbrücken der noch jungen Republik.
3000 Fahrzeuge täglich waren es anfangs nur, heute sind es mehr als 46000, Prognosen folgend bald mehr als 50000. Davon sind mehr als sechs Prozent schwere Lastwagen. Diese haben die Brücke in fast 70 Jahren „mürbe gefahren“. Das Urteil einer baulichen Sonderprüfung im Jahr 2010 war eindeutig: Ein Ersatzbau ist unumgänglich, mit einer Sanierung ist es nicht mehr getan. Tempolimits wurden erlassen, die Fahrspuren verengt.
Die Arbeiten für das 27 Millionen Euro teure Projekt sind seit 2020 in vollem Gange. Dabei ist die Baustelle in jeder Hinsicht spektakulär. Nachdem die Brücke im Osten fertig gebaut war, wurde die alte, westlich gelegene Brücke zum Jahreswechsel mit einer Präzisionssprengung in die Luft gejagt. Dasselbe Schicksal ereilte die alte Ostbrücke im Herbst. Jetzt folgt als letzter großer Akt das Verschieben einer kompletten, dreispurigen Brücke. Für den 38-jährigen Weirich ist der Neubau der Gumpenbachbrücke in Kornwestheim sein erstes Großprojekt, das er schon in der Planungsphase mitbetreute. Parallel dazu zählt die Enzüberquerung bei Besigheim und der Stuttgarter Johannesgrabentunnel zu seinen Aufgaben. Beide Projekte haben jeweils ein Volumen von acht Millionen Euro.