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„Fussler“ checken die Lage vor Ort

Fußgänger sind nicht immer sicher und komfortabel unterwegs. Archivfoto: Martin Gerten/dpa
Fußgänger sind nicht immer sicher und komfortabel unterwegs. Archivfoto: Martin Gerten/dpa
In der kommenden Woche wird Pattonville gecheckt. Mitglieder der Ortsgruppe Remseck und Umgebung des bundesweit agierenden Vereins „Fuss“ sowie engagierte Bürger schauen sich dort gründlich um. Sie listen auf, wie es um die Infrastruktur für Fußgänger bestellt ist. In den anderen Remsecker Stadtteilen fanden solche Rundgänge bereits statt. Das Bürgerprojekt funktioniert – trotz Corona.

REMSECK. Nur noch dieser eine Fußverkehrscheck fehlt, dann hat die erst Anfang des Jahres gegründete Ortsgruppe alle Remsecker Stadtteile unter die Lupe genommen. Wer mitmachen will, ist willkommen.

Coronabedingt läuft das Bürgerprojekt zwar anders ab als geplant. „Aber ich bin zufrieden mit dem, was wir erarbeitet haben“, sagt Projektleiter Peter-Jürgen Gauß im Gespräch mit unserer Zeitung. Eine Auftaktveranstaltung habe nicht stattfinden können, die Checks waren keine gemeinsamen Aktionen. Vielmehr spürten Vereinsmitglieder, vom Projektleiter auch Fussler genannt, und engagierte Bürger bei individuellen Spaziergängen auf, was in den Stadtteilen gut ist, was nicht und was getan werden müsste, damit sich Fußgänger sicher und komfortabel fortbewegen können. „Wir verstehen uns als Lobbyisten“, so Gauß. Denn die Fußgänger seien vor lauter Auto- und Radverkehr im Lauf der Jahre geradezu unter die Räder gekommen.

Darauf, was in den zurückliegenden Wochen in Remseck geleistet wurde, ist Jürgen-Peter Gauß schon ein wenig stolz. Über 180 Überprüfungen und Bewertungen habe es bisher gegeben. „Das war wohl der umfangreichste Fußverkehrscheck in ganz Deutschland“, vermutet er. Meist seien solche Aktionen nur Quartierbetrachtungen. „Das ist allerdings zu wenig“, findet Gauß, deshalb habe man die Überprüfungen in Remseck weiter gefasst und für jeden Stadtteil eine ganze Check-Woche angesetzt.

Die erste Begutachtung fand im Juni in Hochberg statt. Exakt 39 Punkte wurden dabei überprüft, von Peter-Jürgen Gauß in einer Ergebnisliste zusammengefasst und priorisiert. Die Kennzeichnung Rotplus steht für Änderung vorrangig. Ein roter Punkt bedeutet, dass nach Meinung der Ortsgruppe eine Änderung zwingend erforderlich ist. Gelb meint, eine Änderung wäre wünschenswert. Ein grüner Punkt ist ein Lob.

In Hochberg hat unter anderem die Bushaltestelle Adlerplatz einen roten Punkt bekommen. Durch eine Baustelle sei diese gerade ein gefährliches Provisorium, das aus Sicherheitsgründen baldmöglichst behoben werden muss, heißt es in der Ergebnisliste. Die Radwegführung in der Neckarremser Straße wird – wie manches andere – mit Rotplus bewertet. Der viel begangene, eindeutig als Fußweg konzipierte Weg sei inzwischen zu einem gemeinsam ausgeschilderten Fuß-/Radweg geworden. Dafür sei er deutlich zu schmal und somit für beide Nutzergruppen gefährlich. Den derzeitigen Zustand bezeichnet der Verein als rechtswidrig. Es müssten kurzfristig alle Alternativen geprüft und umgesetzt werden – auch Tempo 30 bis zum Ortsende inklusive Radschutzstreifen, steht in der Ergebnisliste. Gelb gibt es beispielsweise für den Gehweg im Weinbergweg. Der vorhandene Fußweg sei zu schmal, die Nutzung mit Kinderwagen nicht möglich, so das Prüfungsergebnis. Der Gehweg sollte auch wegen künftig zu erwartenden Baustellenverkehrs verbreitert werden, empfiehlt die Ortsgruppe. Lob, also grüne Punkte, vergibt die Ortsgruppe für die Bücher-Telefonzelle am Alexandrinenplatz und die Bepflanzung im Stadtteil, die auch im Jahr nach der Remstal-Gartenschau „ganz toll“ sei.

In Hochdorf und Neckargröningen wurden jeweils 26 Stellen überprüft und bewertet, in Neckarrems 50 und in Aldingen 43. Die kompletten Ergebnislisten können sich Interessierte auf der Homepage www.wanderfreunde-remseck.de ansehen und herunterladen.

Für die Rundgänge wurden von der Ortsgruppe Listen mit Vorschlägen vorbereitet, wo eine Überprüfung Sinn machen könnte. Auch eine Melde-App steht für die Checks zur Verfügung. Eigene Ideen sind freilich genauso gefragt. „Die Bürger vor Ort wissen schließlich am besten, wo der Schuh drückt“, sagt Peter-Jürgen Gauß. Allerdings habe man auch die Erfahrung gemacht, dass es durchaus sinnvoll sein kann, wenn man sich einen Stadtteil ansieht, in dem man nicht wohnt. Wenn ein Hochberger in Aldingen unterwegs sei, fielen ihm ganz andere Sachen auf als einem Aldinger. Hat sich bei den Checks ein besonders dringlich anzugehendes Problem herauskristallisiert? Peter-Jürgen Gauß mag keines explizit benennen. Er würde zehn Beispiele zusammenbekommen, wo aus Gründen der Verkehrssicherheit dringend etwas zu ändern sei, meint er. „Es müsste eigentlich einfach nur die Straßenverkehrsordnung befolgt und den Fußgängern die Wegbreite zugestanden werden, die für sie vorgesehen ist“, so das Fazit von Gauß. Die fertigen Ergebnislisten der Überprüfungen hat er an die Remsecker Stadtverwaltung geschickt. Die prüfe nun, was gemacht werden kann. Eigentlich sei zum Abschluss des Projekts ein Trialog vorgesehen mit Vertretern aus dem Rathaus, des Gemeinderates und „Fusslern“. Ob etwas daraus wird, wisse er nicht. Er warte nun mal ab. Unabhängig davon will Gauß eine interne Schlussbesprechung mit allen, die sich an den Checks beteiligt haben, organisieren. Auch als kleines Dankeschön für ihr Engagement.

Info: Wer beim Pattonviller Fußverkehrscheck in der kommenden Woche mitmachen will, mailt an pjgauss@gmx.net.