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Gericht erkennt kein Autorennen

Was macht ein illegales Autorennen aus? Wetteifer und wenigstens eine Art von Absprache, definierte das Amtsgericht Ludwigsburg. Weil beides an jenem Sommersonntagnachmittag vor einem Jahr in der Gerlinger Urbanstraße nicht zu erkennen war, stellte das Gericht das Verfahren gegen einen 22-Jährigen ein.

Gerlingen. Der Zeuge, der das Gerichtsverfahren gegen den jungen Mann überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte, sah die Sache auch am Mittwoch vor Gericht ganz anders.

Er sei, schilderte der Zeuge, mit seiner Frau auf der Hauptstraße gelaufen, als er ein lautes Fahrzeug – einen weißen Ford – gehört habe, der trotz Tempo-30-Zone mit hoher Geschwindigkeit in die Urbanstraße abgebogen sei. Kurz darauf sei ein weiteres Auto – ein roter Golf – derart schnell ebenfalls dort abgebogen, dass der Fahrer fast die Kurve nicht erwischt habe. Wenn ihn seine Frau nicht zurückgerissen hätte, schilderte der Zeuge, wäre er unter die Räder gekommen. Als die beiden Fahrer – sie hatten die Autos inzwischen am Rathaus abgestellt und waren ausgestiegen – auch noch gelacht hätten, habe er „ein bissle Hals gehabt“. Zumal der im roten Golf auch noch gesagt habe: „Ich hab dich fast gekriegt!“ Oder so ähnlich. Der Zeuge ging näher, notierte die Autokennzeichen und rief die Polizei.

Die Ehefrau des Zeugen bestätigte die Aussage und beide wiesen drauf hin, dass schnelle Autos in der Gerlinger Innenstadt „nicht unüblich“ seien; ihr Mann sprach von einer „Szene“. Er könne Geschwindigkeiten durchaus einschätzen, die beiden seien bestimmt 60 oder 70 gefahren, er komme hobbymäßig aus dem Motorsport. Die Staatsanwältin hatte von einem „nicht erlaubten Kraftfahrzeugrennen“ gesprochen.

Der Angeklagte, ein gelernter Fahrzeugbaumechaniker bei einer Sportwagenfirma, stritt das ab. Gut, zu schnell sei er wohl gefahren, aber ein Rennen sei das nicht gewesen, seinen Hintermann im roten Golf kenne er nur von der Arbeit. Er habe an diesem Sonntagnachmittag zu seinen Freunden gewollt, die sich auf dem Rathausplatz treffen.

Die für einen 22-Jährigen durchaus beachtliche Autokarriere – vom Micra über einen SLK und eine E-Klasse bis zum aktuellen 4er BMW mit 300 PS – erstaunte die Richterin: „Warum brauchen Sie so ein schnelles Auto?“ – „Weil’s schön ist!“ An diesem Nachmittag allerdings war er im Ford des großen Bruders gesessen und das erklärte, warum ihm der rote Golf gefolgt war.

„Ich dachte, in dem Auto sitzt sein Bruder, den ich kenne und schon länger nicht mehr gesehen habe“, sagte der Golf-Fahrer im Zeugenstand. Der 21-jährige Karosseriebauer hat sein Verfahren bereits hinter sich; es war gegen eine Geldauflage eingestellt worden, die er anstandslos bezahlt hat. Ihm sei das alles zuviel, sagte der junge Mannreumütig; er habe das mit dem Zu-schnell-fahren mal gegoogelt und die Erkenntnis gewonnen: „Das kann bis zum Knast gehen!“

Die anderen Zeugen, die an diesem Sonntagnachmittag Eis essend auf der Hauptstraße unterwegs waren, das Abbiegemanöver mitbekommen hatten und mit dem Ehepaar ins Gespräch gekommen waren, das die Polizei alarmiert hatte, fanden es „relativ schwierig“ sich zu erinnern und glaubten eher, dass die beiden Autos nicht dicht hintereinander, praktisch Stoßstange an Stoßstange, gefahren waren, wie es für ein Rennen üblich wäre.

Die Aussage eines weiteren Zeugen aus dem Freundeskreis des Angeklagten, wertete die Staatsanwältin als „Schmierentheater“. Dem Vorschlag der Richterin, das Verfahren ohne Auflagen einzustellen, stimmte sie zu, auch wenn es ihr schwer falle. Wenigstens die Anwaltskosten solle der Angeklagte tragen. So entschied die Richterin schließlich und schickte mahnende Worte hinterher: „Schmeißen Sie das Leben, das sie führen, nicht weg!“

Und wie ist das jetzt: Gibt es eine Raserszene in Gerlingen? Von einer Szene könne man nicht sprechen, sagt die Polizei auch Nachfrage unserer Zeitung, eher um „ein bisschen posen“. Anwohner beklagten aufheulende Motoren und dass „manchmal zu schnell gefahren“ werde – eben „jugendtypisch“ so die Polizei.