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Gottes Segen für Regenbogen-Paare

Kornwestheims evangelische Kirchengemeinde ist seit der Fusion ihrer früher vier Teilgemeinden die größte Württembergs – und nun auch eine der ersten, in der die Gleichwertigkeit gleichgeschlechtlicher und diverser Lebensgemeinschaften mit der heterosexuellen Ehe offiziell gelebt werden kann: Vier Jahre nach ihrem Beitritt zur Initiative Regenbogen hat der Oberkirchenrat den Kornwestheimer Protestanten jetzt gestattet, auch den Lebensbund lesbischer, schwuler und intersexueller Paare in ihren Kirchen zu segnen.

Kornwestheim. Umstritten war der Schritt in der Gemeinde nicht: Schon bisher, berichtet Kirchengemeinderatsvorsitzender Dr. Klaus Schaldecker, wurden in Kornwestheim homosexuelle und diverse Paare gesegnet – allerdings hinter vorgehaltener Hand und ohne amtskirchliche Genehmigung. „Aber das war ein offenes Geheimnis“, sagt Schaldecker. „Jetzt dürfen wir die Gottesdienste, in denen gleichgeschlechtliche oder diverse Lebensgemeinschaften gesegnet werden, endlich auch öffentlich halten. Und die Kirchenglocken dürfen dazu läuten!“

Diese Segnungsgottesdienste seien „ein typischer Kompromiss“, so Schaldecker. Denn vor allem der konservativ-pietistische Flügel der Landeskirche tut sich weiterhin schwer mit der „Homoehe“. Erst 2019 öffnete die Landessynode wenigstens ein Tor für nicht-heterosexuell orientierte Paare: Nicht alle, aber ein Viertel der rund 1300 evangelischen Kirchengemeinden Württembergs sollen gleichgeschlechtlichen und intersexuellen Paaren den kirchlichen Segen ihrer Ehen anbieten dürfen. Doch die Landeskirche, sagt Schaldecker, lege in ihrer Terminologie weiterhin Wert darauf, dass es sich bei den Segnungsgottesdiensten nicht um kirchliche Trauungen handele. Dem kirchlichen Gesetz ist daher auch eine Präambel vorangestellt, die festhält, dass es in der Landeskirche unterschiedliche theologische Haltungen zur Segnung nicht-heterosexueller Paare gibt.

Praktisch sind die Konsequenzen der begrifflichen Unterscheidung freilich gering: Die Ehe ist für Protestanten im Gegensatz zu den Katholiken kein Sakrament, sondern stets „nur“ die Bekräftigung der standesamtlichen Heirat vor Gott. Allerdings werden in den Gottesdiensten die Worte Trauung und Ehe vermieden, und bei der Schriftlesung werden statt des bei Trauungen obligatorischen Passus über die Ehe von Mann und Frau aus dem Ersten Buch Mose Abschnitte aus dem paulinischen Korintherbrief gelesen.

Klaus Schaldecker weiß, dass etliche nicht-heterosexuelle Paare nicht glücklich über die fortdauernde terminologische Unterscheidung zwischen der Trauung heterosexueller Ehen und ihrer Segnung sind. Aber er sieht in dem Angebot auch ein deutliches, nach innen und nach außen gerichtetes Signal, „ein Zeichen der Liberalität, das wir als Gemeinde bewusst setzen wollen“. Kontroverse Debatten innerhalb seiner Kirchengemeinde habe es eigentlich nicht gegeben – obwohl der Oberkirchenrat die Gemeinden, die den Weg der Regenbogen-Initiative gehen und gleichgeschlechtliche und intersexuelle Paare segnen wollen, an die Vorgabe bindet, nach der Antragstellung nochmals eine „vertiefte Befassung“ herbeizuführen. Erst wenn danach sowohl das Pfarramt als auch der Kirchengemeinderat – letzterer mit Dreiviertel-Mehrheit – zustimmen, macht die Landeskirche den Weg für die Öffnung frei.

In Kornwestheim verliefen sowohl der Beitritt zur Regenbogen-Initiative vor vier Jahren als auch die erneute Befassung der Gemeinde mit dem Thema 2020 reibungslos. Alle sechs Pfarrerinnen und sechs Pfarrer zogen mit, im 23-köpfigen Kirchengemeinderat gab es lediglich zwei Gegenstimmen. Natürlich, sagt Schaldecker, gebe es auch in Kornwestheim konservative Protestanten und Pietisten. Aber die spielten im Gemeindeleben kaum eine Rolle. Die Abwehr der Segnung von Christen mit nicht-heterosexueller Orientierung hält er für Rückzugsgefechte – in beiden Kirchen. Er verweist auf den Protest vieler Katholiken gegen das jüngste Verdikt der Glaubenskongregation in Rom.